Sozialistische Zeitung |
Anlässlich des zweijährigen Jubiläums des Wanderkirchenasyls hatte am 4.Februar das
Kölner Netzwerk "Kein Mensch ist illegal" zur offenen Podiumsdiskussion eingeladen. Mit etwas mehr als hundert Besuchern
fanden weniger als von den Veranstaltern erwartet den Weg in das in das Bürgerzentrum "Alte Feuerwache".
Zu Hoch-Zeiten hielten sich 450 kurdische Flüchtlinge in rund
hundert evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Nordrhein-Westfalen auf. Gemeinsam mit den Kirchengemeinden und den
Gruppen der Kampagne "Kein Mensch ist illegal" kämpften sie für ihr Aufenthaltsrecht.
Eine zufriedenstellende Lösung für alle Beteiligten konnte in
den vergangenen Jahren jedoch nicht gefunden werden. Heute harren noch immer 200 in den Kirchengemeinden und wissen nicht, ob sie nicht
auch eines Tages Opfer einer "aufenthaltsbeendenden Maßnahme" werden. Erst vor wenigen Wochen wurde Yusuf Demir, der
sich im Wanderkirchenasyl befand, in die Türkei abgeschoben, dort umgehend festgenommen, drei Tage lang unter Schlägen
verhört.
"Die politische Situation im Land zu verändern war eine
entscheidende Motivation, diese Aktion durchzuführen", erklärte rückblickend der Kölner Pfarrer Theo
Göbel. "Wir haben es nicht geschafft, das Asylrecht zu verändern", führt Göbel, in dessen Gemeinde eine
Flüchtlingsgruppe untergebracht ist, weiter aus. Stattdessen seien die Unterstützer weniger geworden und "die Kräfte
erschöpft. Wir konnten einzelnen helfen und Schutz gewähren, auch etwas politisches Bewusstsein erzeugen." Eine dauerhafte
Aufenthaltsgenehmigung hat es nur für die wenigsten Kurdinnen und Kurden aus dem Wanderkirchenasyl gegeben.
Mehrere Teilnehmer betonten die Bedeutung des Regierungswechsels
für das Wanderkirchenasyl. Nach der Bundestagswahl hätte die sozialdemokratisch-grüne Landesregierung deutlich
signalisiert, dass "diese Aktion nun zu beenden sei", erklärt eine Kölner Unterstützerin. Andere Organisationen
verhielten sich ähnlich.
"Pro Asyl hat uns vor der Bundestagswahl, auf dem Höhepunkt
auch unseres publizistischen Erfolgs, unterstützt. Heute wollen sie nichts mehr mit uns zu tun haben", erklärt Mercedes
Pasqual, eine Mitstreiterin der ersten Stunde. Als weiteres Problem benannten einige die Tendenz der neuen Bundesregierung, im Hinblick auf
den in Aussicht gestellten EU-Beitritt die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei "entsorgen" zu wollen.
Bei der heterogenen Zusammensetzung des Wanderkirchenasyls, "den
drei K: Kurden, Kirche und Kampagne", lag es auf der Hand, dass auch das eigene Vorgehen und die Konflikte untereinander einer
kritischen Betrachtung unterzogen wurden. Fast einhellig schätzten die Anwesenden ihr Einlassen auf das Angebot der Landesregierung,
"Einzelfalllösungen" herbeizuführen, als Fehler ein. Die Orientierung auf die Einzelfälle hätte letztendlich
nur für wenige zum dauerhaften Aufenthalt und für das Wanderkirchenasyl insgesamt zur Aufgabe der politischen Ziele
geführt.
Während eine Sprecherin der Bielefelder Kampagne die Bedeutung
der "Selbstorganisation der Flüchtlinge" hervorhob und sowohl der Kampagne als auch den Kirchengemeinden
"paternalistisches Verhalten" vorwarf, lenkte Hasan Kandemir, ein Flüchtling aus dem Wanderkirchenasyl, das Augenmerk
zunächst auf die Sprachbarriere und den Generationskonflikt innerhalb der kurdischen Flüchtlingsgruppen.
Doch gewichtiger bei der kritischen Analyse ist für ihn die Fixierung
auf die Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Nach Ansicht Kandemirs sollte der Kampf um ein Bleiberecht vielmehr gemeinsam
mit Flüchtlingen aus anderen Ländern geführt werden. Einige stellten die Frage nach weiteren Bündnispartnern.
Dafür müsse es allerdings gelingen, "von der Ein-Punkt-
Bewegung wegzukommen und sich als selbstverständlicher Teil der sozialen Bewegung zu verstehen", so Monika Becker, eine
Unterstützerin aus Bielefeld. Als ersten Schritt müsse man aus der "Schwäche der vergangenen Jahre lernen und fortan
nicht mehr nur mit politischen Fluchtgründen argumentieren, sondern Armutsflüchtlinge und wirtschaftliche Gründe mit
einbeziehen."
Gerhard Klas