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Am 4.Februar hat Volkswagen in Südafrika mehr als 1300 Arbeiter der insgesamt 6000 im Werk
Uitenhage Beschäftigten entlassen, nachdem der deutsche Mutterkonzern zuvor Manager aus Wolfsburg zur Bereinigung eines Konflikts
geschickt hatte. Dem waren Ausschließungen, Streiks und ein Streit in der Metallarbeitergewerkschaft NUMSA vorausgegangen.
"Die heutige NUMSA ist nicht mehr die kämpferische NUMSA,
die wir aus den 80er Jahren kennen", erklärt Mxolisi Ndandani, der Sprecher des Uitenhagener Streikkomitees, dem
Belegschaftsvertreter aus mehreren Unternehmen der Industriestadt in der Kapprovinz angehören.
Der Streit in der Gewerkschaft hatte sich bereits 1997 angebahnt, als einige
Shop Stewards - vergleichbar mit hiesigen Vetrauensleuten - ohne Mandat der Belegschaft einem Abkommen mit weitgehenden Konsequenzen
zustimmten: Eine Sechs- statt Fünftagewoche und eine Reduzierung der Pausen. "Wenn Arbeiter Fragen an die Betriebsräte
hatten, war ihr Terminkalender voll. Wenn das Management rief, waren die Shop Stewards der NUMSA innerhalb von Minuten an Ort und
Stelle", beklagt sich Ndandani.
1999 hatte die Belegschaft Gelegenheit, die unliebsame Vertretung
abzuwählen. Das neue Gremium setzte sich dafür ein, die Abkommen, die ohne Zustimmung der Beschäftigten zustande
gekommen waren, wieder rückgängig zu machen und eine geplante Einfrierung des Pensionsfonds zu verhindern. NUMSA-
Funktionäre versuchten daraufhin, die Betriebsräte wegen Imageschädigung der Gewerkschaft, Verstoß gegen die
gewerkschaftliche Geschäftsordnung und Aufstachelung der Arbeiter von ihrem Posten zu verdrängen. "NUMSA benutzte die
Beiträge der Arbeiter, um sich teure Rechtsberater zu kaufen", berichtet Ndandani.
Nachdem am 19.Januar der NUMSA-Vorsitzende Mtutuzeli Tom die
Absetzung von 13 Shop Stewards erklärte, eröffnete einen Tag später das Management im Beisein von Justizangestellten den
Shop Stewards ihre Suspendierung und ein Diszilplinarverfahren.
Am darauf folgenden Wochenende gründeten die Beschäftigten
ein Krisenkomitee, das sich für eine unabhängige Vermittlung, notfalls durch die Provinzregierung, einsetzte. Die Reaktion des
Managements ließ nicht lange auf sich warten. Am Montagmorgen verkündete es den Ausschluss von 350 Arbeitern, die zuvor als
Aktivisten aufgefallen waren. Das hinderte NUMSA nicht daran, erneut eine Übereinkunft mit dem Management zu treffen:
Wiederaufnahme der Arbeit und ein Disziplinarverfahren für alle 350 Ausgeschlossenen.
Den Beschäftigten platzte daraufhin der Kragen. Vom 31.Januar bis
zum 4.Februar legten sie die Arbeit nieder.
Der Generalsekretär des südafrikanischen
Gewerkschaftsdachverbands COSATU kam nach Uitenhage, um ein Ende des "illegalen" Streiks zu fordern. Die NUMSA-
Mitglieder sollten sich von den "Provokateuren" distanzieren. Der Konzernhauptsitz in Wolfsburg entsandte Manager, um den
Konflikt beizulegen, denn die geschätzten Verluste des Werks, in dem rechtslenkende Autos für den Export produziert werden,
beliefen sich auf 8 Millionen Mark täglich. Die Geschäftsführung stellte ein Ultimatum bis zum 3.Februar, andernfalls
würde sie kündigen. Doch es kamen nur drei Viertel der Beschäftigen zur Arbeit. Die Androhung traf mehr als 1300 Arbeiter.
VW kündigte an, neue Kräfte unmittelbar einzustellen und anzulernen.
Unterstützung fand die Massenentlassung auch durch den
südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki. "Die Regierung warnt nachdrücklich vor illegalen und ungerechtfertigten
Streiks wie diesem, die nicht toleriert werden können", erklärte Mbeki dem Parlament in Kapstadt. "Unser Ansehen in
den Augen des Investors kann nicht von Elementen abhängen, die ihre eigennützigen und antisozialen Absichten verfolgen",
führt Mbeki aus.
COSATU begrüßte die konsequente Haltung des
Präsidenten gegenüber den Streikenden. Auch für den NUMSA-Vorsitzenden Tom war dieser Machtkampf von einer anderen
Gewerkschaft inszeniert, um NUMSA, der mit 4000 Mitgliedern einzigen zugelassenen Gewerkschaft in dieser Produktionsanlage, Konkurrenz
zu machen.
Am Montag nach der Massenentlassung drängten sich fast 3000
Menschen an den Toren des VW-Werks in Uitenhage. Sie rissen sich dort um Bewerbungsformulare, die von der Werksleitung an die Menge
verteilt wurden. Etwas weiter enfernt standen 500 der gefeuerten Arbeiter, die ein weiteres Vorgehen beratschlagten.
NUMSA verhandelt nach wie vor mit dem südafrikanischen VW-
Mangement, das nach Angaben des Generalsekretärs Tom die Arbeiter nach einer Anweisung des deutschen Mutterkonzerns entlassen
hätte.
NUMSA hat angeblich ein Angebot über die Wiedereinstellung der
Hälfte der 1300 Arbeiter mit dem Management erzielen können. Doch dieses will NUMSA nur unter der Bedingung
weiterverhandeln, dass das Streikkomitee aufgelöst wird.
Die entlassenen Arbeiter haben das Angebot abgelehnt und stattdessen
weitere Aktionen angekündigt. Unter anderem appellieren sie an die Solidarität der "VW-Beschäftigten überall
in der Welt" und rufen zu einem internationalen Rat der VW-Arbeiter in Uitenhage auf.
Gerhard Klas
Weitere Informationen unter: www.labournet.de.