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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.5 vom 02.03.2000, Seite 2

Treibstoff für den Turbokapitalismus

Am 21.12.1999 landete SPD-Finanzminister Hans Eichel einen vorweihnachtlichen Steuercoup, der den Börsenkursen bestimmter Konzerne zu einem Freudensprung verhalf: Veräußerungsgewinne aus inländischen Beteiligungen sollen künftig steuerfrei sein. Als sich Kritiker zu Wort meldeten, die meinten, dies sei ein Milliardengeschenk für Schwerreiche, hatte Eichel die Stirn zu behaupten, seine Steuermaßnahme koste den Staat keinen Pfennig.
Der Finanzminister erklärte, es habe bisher ohnehin keine steuerliche Belastung in diesem Bereich gegeben. Aber nur drei Wochen später musste er zugeben, dass sein "Reformvorschlag" zur Jahrtausendwende zu steuerlichen Mindereinnahmen von 14 Milliarden Mark führen wird!
Dieses wahrhaft fürstliche Geschenk an nicht eben Bedürftige schafft jedoch böses Blut. Nicht zuletzt bei Experten des Deutschen Gewerkschaftsbunds. An erster Stelle meldete sich Hans Georg Wehner zu Wort, der als Vertreter des DGB in einer Kommission zusammen mit Finanzfachleuten aus Wissenschaft und Wirtschaft die jetzige Steuerreform entworfen hat. Er nannte die Begründung des Finanzministers für das geplante milliardenschwere Steuergeschenk "an den Haaren herbeigezogen".
Bundeskanzler Schröder versuchte unterdessen, den DGB- Vorsitzenden Schulte auf der Feier zu dessen 60.Geburtstag zu becircen. Er lobte ihn wegen seiner Mitarbeit und Freundschaft für die Bundesregierung, sprach jedoch die Hoffnung aus, dass der DGB seine Vorbehalte gegen die geplante Steuerbefreiung von Veräußerungsgewinnen aufgeben werde.
Hilmar Höhn, der den Hintergrund des Konflikts in der FR vom 26.2. sachkundig aufgedeckt hat, zitierte den kritischen Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel: "Die vorgeschlagene Steuerbefreiung widerspricht massiv der bisherigen Begründung, die Kapitalbeteiligungen in der Bilanz zwar nach dem sogenannten Niederstwertprinzip anzusetzen, jedoch davon auszugehen, dass bei der Veräußerung wenigstens diese Gewinne voll versteuert werden."
DGB-Fachmann Hans Georg Wehner wies auch auf eine Warnung der Bundesbank vor einem anhaltenden Rückgang der Investitionsausgaben der Regierung hin: "Langfristig drohen Konsolidierungsschäden, wenn die von der Wirtschaft benötigte öffentliche Infrastruktur aufgrund von unterlassenen Investitionen veraltet", schrieben die Volkswirte der Bundesbank. Die verschenkten 14 Mrd. würden offensichtlich hierfür sinnvoller eingesetzt.
"Ob Gerhard Schröder und Hans Eichel sich mit ihrem Plan, den Turbokapitalismus mit Treibstoff zu versorgen, durchsetzen können, ist noch die Frage", meint Hilmar Höhn optimistisch. Er begründet seine Zweifel damit, dass nicht nur die von MdB Detlev von Larcher angeführte SPD-Linke und der DGB Bedenken äußern. Auch die grüne Abgeordnete im Finanzausschuss des Bundestags, Christine Scheel, gehöre nicht zu den VerteidigerInnen der Steuerfreiheit für Veräußerungsgewinne. Selbst Ministerpräsidenten der SPD-regierten Bundesländer, allesamt Regenten über knappe Kassen, hielten sich mit Beifall zurück. Selbst Heide Simonis gehöre zu den Kritikerinnen. "Auch an der Union kommen die selbsternannten Modernisierer der Deutschland AG kaum vorbei. Das Gesetz muss den Bundesrat passieren. Die von CDU und CSU regierten Länder können sich dort mit ihrer Mehrheit querstellen", tröstet uns Hilmar Höhn.
Aber nachdem die zu erwartende Profitsteigerung die Börsenkurse in die Höhe getrieben hat, Hans Eichel seinen "handwerklichen Fehler" berichtigte und einräumen musste, dass seine "Reform" das Steuersäckel um 14 Mrd. Mark erleichtern werde, und öffentlicher Protest sich immer noch nur hinter vorgehaltener Hand äußert, ist kaum zu erwarten, dass wir völlig ungeschoren davonkommen.
Die Opfer der Regierungspolitik können sich an keine Handwerkskammer werden, um den Pfusch bestrafen zu lassen. Es bleibt ihnen nur die Straße, um ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.

Jakob Moneta


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