Sozialistische Zeitung |
Nicht ohne staatliche Übergriffe ist die Demonstration am 19.Februar in Wien gegen die neue
österreichische ÖVP/FPÖ-Regierung abgelaufen. Schon die Anreise zur Demonstration gestaltete sich für Nicht-
ÖsterreicherInnen teilweise recht schwierig.
In Frankreich seien AntifaschistInnen daran gehindert worden, den Zug nach
Wien zu besteigen, berichtet die Rechtshilfe Wien. Einmal in Wien angekommen, wurden einige Leute, die im selbstverwalteten Ernst-
Kirchweger-Haus (EKH) übernachtet hatten, nach Berichten der Rosa Antifa Wien beim Verlassen des Hauses von der Polizei
kontrolliert und teils auch fotografiert.
Die Polizei versuchte auch, Autonome von der Demonstration fernzuhalten.
Der autonome Block sei am Losgehen gehindert worden, berichtet die Grünalternative Jugend Wien. "Beamte blockierten die
Demoroute und prügelten auf DemonstrantInnen und Umstehende ein. Diesem gewalttätigen Akt waren keinerlei (!) Provokationen
vorausgegangen."
Der Generalinspektor der Wiener Polizei, Franz Schnabl, erklärte
später in einer Nachrichtensendung, dass eine "gefährliche Situation" entstanden sei, da "Autonome sich mit
normalen Demonstranten vermischen wollten". "Offensichtlich ist es in Österreich nicht mehr für alle erlaubt, sich in
einer Demonstration frei zu bewegen", schlussfolgert die Rosa Antifa.
Mitglieder der PDS-Hochschulgruppe und der Linken StudentInnen-
Assoziation Tübingen berichteten, sie seien vor der Demonstration von einem Sondereinsatzkommando der österreichischen
Polizei in eine Hausflur gezerrt und drangsaliert worden. Wert- und Sachgegenstände seien zerstört worden, nach einem brutalen
Verhör seien ihnen die Schuhe ausgezogen worden, alle seien fotografiert worden. Mit Hilfe einer Journalistin hätten sie dann
unbehelligt in die BRD zurückkehren können.
Rund 500 DemonstrantInnen zogen am Abend des 19.Februar zu einem
Restaurant in der Nähe des Demonstrationsorts, nachdem Jörg Haider in dem Restaurant gesichtet worden war. Die Polizei
schützte Haider beim Verlassen des Restaurants und verprügelte die DemonstrantInnen:
"Die DemonstrantInnen wurden unter Gewaltanwendung
auseinandergetrieben und zogen daraufhin einzeln und in Kleingruppen ab", berichtet die Rechtshilfe.
"Wenig später setzte jedenfalls eine polizeiliche Jagd gegen
alles, was irgendwie nach DemonstrantIn aussah, ein. In einer Seitengasse wurden 15 Jugendliche ungefähr eine Stunde lang
eingekesselt".
"Als Resultat der Polizeiaktionen wurden vier Leute ins
Polizeigefangenenhaus überstellt mit Anklagen wegen ‚Widerstand und ‚Landfriedensbruch. Drei davon waren EU-
Bürger. Den gesammelten Aussagen und Gedächtnisprotokollen nach wurden den ganzen Abend lang insbesondere
nichtösterreichische junge Menschen gejagt, um das Konstrukt der ‚gewalttätigen Demonstranten aus dem Ausland zu
rechtfertigen."
"Durch ihre Zusammenarbeit mit der Polizei und ihre Distanzierung
von angeblichen Gewalttätern, die in Wirklichkeit Opfer der Polizeigewalt waren, trug SOS-Mitmensch maßgeblich zur
Gewalteskalation von seiten der Polizei bei", erklärte die Rechtshilfe in Bezug auf eine Veranstaltergruppe der Demonstration. Der
Kritik schloss sich auch die Rosa Antifa Wien an. Die Polizei habe eine Zusammenarbeit zwischen Polizei und Veranstaltern mit dem Ziel,
"gewaltbereite Gruppen" zu "isolieren", bestätigt.
Die Rechtshilfe Wien warf dem Fernsehsender ORF vor, die gewaltsamen
Übergriffe der Polizei medial vorbereitet zu haben. Drei Tage nach Beginn der Massenproteste gegen die neue Regierung sei der ORF auf
die neue Regierungslinie eingeschwenkt, zwei Reporter seien wegen Haider-kritischer Äußerungen suspendiert worden.
Vor der europaweiten Großdemonstration habe der ORF Interviews
ausgestrahlt, in denen Regierungsvertreter der FPÖ "permanent von gewaltbereiten Ausländern und Kommunisten"
gesprochen hätten. "Die Polizei versprach daraufhin, die angeblichen Gewalttäter zu isolieren unter Mitarbeit der
Demonstrationsveranstalter."
Dirk Eckert