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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.5 vom 02.03.2000, Seite 13

Kolumbien

Massive US-Militärhilfe

Es ist unser großes nationales Interesse den Kokain- und Heroinfluss in Richtung unserer Grenzen zu stoppen und in Kolumbien und in der Region den Frieden, die Demokratie und das Wirtschaftswachstum zu fördern", erklärte US-Präsident Clinton, als er für die Jahre 2000 und 2001 eine Militärhilfe für Kolumbien in Höhe von insgesamt 1,574 Milliarden US-Dollar bekannt gab. Diese muss nun vom Kongress noch gebilligt werden, was als sicher gilt, auch wenn einige demokratische Abgeordnete die Unterstützung kritisierten und einige republikanische Vertreter mehr Druck bei den Verhandlungen forderten.
Die Militärhilfe fließt im Rahmen eines von der kolumbianischen Regierung präsentierten "Plan Colombia", der einen Gesamtumfang von 7 Milliarden US-Dollar vorsieht und für den die kolumbianische Regierung weltweit die Werbetrommel rührt.
Dabei scheint es kaum jemanden zu stören, dass der strategisch ungenaue Plan in mehreren Versionen existiert (die Rede ist von zwei bis vier), die jeweils an der Politik der Geberländer ausgerichtet sind. So legte die Regierung Pastrana Clinton einen "Plan Colombia" vor, der hauptsächlich auf die militärische Karte setzt und auch die Guerilla als zu bekämpfende Profiteure des Drogenhandels bezeichnet; den meisten EU-Ländern hingegen liegt eine Fassung des Plans vor, die den Schwerpunkt auf alternative sozioökonomische Projekte legt.
Die geplante Aufrüstung steht im krassen Widerspruch zu dem öffentlich geäußerten Willen der kolumbianischen Regierung, den jahrzehntelangen Krieg durch Verhandlungen zu beenden. FARC und ELN haben denn auch erklärt, dass die Unterstützung aus Washington im wesentlichen der Bekämpfung der Guerilla und der sozialen Bewegungen und nicht der Bekämpfung des Drogenhandels dienen soll.
Dies wird auch daran deutlich, dass von den fast 1,6 Milliarden US-Dollar nur 145 Millionen für alternative sozioökonomische Projekte - u.a. die Umstellung von Drogenanbau auf andere landwirtschaftliche Produkte - und nur 93 Millionen für die "Verbesserung der Menschenrechtssituation und Justiz sowie Stärkung der demokratischen Institutionen" vorgesehen sind.
Kolumbien muss nicht einmal eine Pro-Forma-Erklärung unterschreiben, dass die mit Nachtsichtgeräten und hoch entwickelten Waffen ausgestatteten 30 Black-Hawk- und 33 Bell-Hubschrauber, Bestandteil der "Hilfe" aus den USA, ausschließlich zur Bekämpfung des Drogenhandels eingesetzt werden. Die finanzielle Hilfe ist offiziell an keinerlei Bedingungen geknüpft; hinter vorgehaltener Hand ist die Rede davon, dass sich die kolumbianische Regierung verpflichten musste, die für die Gespräche mit der FARC geschaffene entmilitarisierte Zone wieder "unter ihre Kontrolle zu bringen".
Die massive Militärhilfe bestätigt die Abkehr der USA von Interventionsfantasien. Kursierten im letzten Jahr noch Pläne und Gerüchte, die USA wollten direkt - in Form einer von der US- Luftwaffe unterstützten Invasion durch argentinisch-peruanisch-ecuadorianische Militärs - eingreifen, so war das Thema Ende des Jahres vom Tisch. Dafür hatte unter anderem die für die USA eher ungünstige regionale Entwicklung gesorgt: allem voran das offensive Eintreten der Regierung Venezuelas für Verhandlungen in Kolumbien.
Doch es regte sich auch in den USA Kritik. Die New York Times berichtete, Vertreter des Pentagon, der DEA und der Küstenwache hätten Bedenken gegen eine weitere Verstrickung der US-Army in den seit Jahrzehnten andauernden Konflikt. Das Pentagon bestehe darauf, die 30 Kampfhubschrauber "Black Hawk" der kolumbianischen Armee nur zu "leihen".
Vertreter der DEA und der Küstenwache kritisierten eher strategische Aspekte des Plans und sprächen ihm die Fähigkeit zur effektiven Drogenbekämpfung ab.
Dass es der kolumbianischen Regierung wohl nicht in erster Linie um die Bekämpfung der Drogenökonomie geht, zeigt sich auch daran, dass die FARC auf ihre Initiative, den Anbau von Drogengrundstoffen in ihren Einflusszonen schrittweise zu reduzieren, keine Antwort erhalten hat.
Dafür hat Laurie Anne Hiett, die in New York angeklagte Ehefrau eines im Bereich der Drogenbekämpfung eingesetzten Oberst der US-Army, gestanden, über einen längeren Zeitraum Kokain und Heroin aus Kolumbien in die USA geschmuggelt zu haben.
In der entmilitarisierten Zone der FARC wurden am 13.Januar die Gespräche mit der Regierung wieder aufgenommen. Sie kommen nur schleppend voran; in konkreten Punkten, wie etwa dem von der FARC geforderten Vorgehen gegen den Paramilitarismus und dem vorgeschlagenen Austausch von 450 von der FARC festgehaltenen Militärs und Polizisten gegen inhaftierte Guerilleros, hat sich nichts bewegt.
Im Gegenteil, unter der Regierung Pastrana haben Morde und Massaker der Paramilitärs in besorgniserregendem Maße zugenommen. Die Delegationen einigten sich jedoch Ende Januar darauf, die Verhandlungen in drei Blöcke à sechs Monate zu strukturieren: a) Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell; b) Menschenrechte, Internationales Humanitäres Recht und internationale Politik sowie c) politische Reformen und Staatsreformen.
Noch langsamer gestaltet sich die Einigung zwischen der Regierung und der ELN. Die ELN besteht auf der Entmilitarisierung eines etwa 5000 Quadratkilometer großen Gebiets im Süden der Region Bolívar an der Atlantikküste. Dort sollen die Gespräche mit der Regierung und vor allem die thematisch ausgerichteten "Nationalkonventionen" stattfinden, auf denen die ELN und hunderte Delegierte verschiedener gesellschaftlicher Organisationen und Bewegungen über die Zukunft des Landes diskutieren wollen.
Die ELN einigte sich sowohl mit der Regierung als auch mit Vertretern ziviler Organisationen Anfang Februar auf die Rahmenbedingungen für eine solche Entmilitarisierung. Dennoch hat die Regierung Pastrana bisher keinerlei Anstalten gemacht, eine solche einzuleiten; sie hat sie auch nicht endgültig zugesagt.
Die in der Region operierenden Paramilitärs versuchen sie hingegen seit Monaten mit allen Mitteln - und mit Unterstützung der Armee - zu verhindern; in verschiedenen Massakern wurden 400 Menschen ermordet und 60000 vertrieben. Die Paramilitärs stellen die Bevölkerung vor die Wahl, entweder gegen die Entmilitarisierung zu protestieren oder ermordet zu werden. Mobilisierungen hat es daher sowohl für wie auch gegen eine Entmilitarisierung gegeben.

Dario Azzellini

Der Autor ist Ko-Autor (mit Raul Zelik) des im ISP-Verlag erschienenen Buches Kolumbien. Große Geschäfte, staatlicher Terror und Aufstandsbewegung (siehe auch SoZ 24/99).


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