Sozialistische Zeitung |
Im Rahmen der Berliner Filmfestspiele "Berlinale" zeigte das Haus der Kulturen der Welt eine
Retrospektive des "Festival du cinéma et de la télévision de Ougadougou" (FESPACO 99) - die
nunmehr vierte dieses panafrikanischen Filmfestivals. Als es 1969 zum ersten Mal in der Hauptstadt von Burkina Faso stattfand, nahmen gerade
einmal Filme aus fünf afrikanischen und zwei europäischen Ländern daran teil. 1985 war das FESPACO schon das
größte Kulturereignis des afrikanischen Kontinents. 33 Länder konkurrierten um den "Etalon de Yennenga", den
Großen Preis des Festivals in Form einer mythischen Reiterin. Nach drei Jahrzehnten ist es zur entscheidenden Schnittstelle für alle
Regisseure, Produzenten, Verleiher, Wissenschaftler und Journalisten avanciert, die sich mit dem afrikanischen Film beschäftigen. Es
zählt heute jährlich über 400.000 BesucherInnen und präsentiert um die 150 Filme.
Die Retrospektive in Berlin stand unter dem Motto "Der afrikanische
Film zwischen Négritude und Globalisierung". Wir können hier keinen Überblick über die 30 gezeigten
Produktionen geben, begnügen uns deshalb mit einer Vorstellung der Reflexionen, die afrikanische Regisseure und Literaten im Rahmen
einer Diskussionsveranstaltung von "Cinema Afrika" anstellten.
Globalisierung ist zum Modewort des fin de siècle geworden, und
es ist anzunehmen, dass es auch noch eine ganze Weile aus den Mündern, Federn und Tastaturen eines Großteils der Menschheit des
21. Jahrhunderts strömen wird. Es wirft eine ganze Reihe sehr wichtiger Fragen auf, denen Afrikanerinnen und Afrikaner heute
gegenüberstehen, und diese Herausforderungen müssen konsequent, mit Fantasie und Überzeugung angegangen werden. Ich
selbst würde es gerne sehen, dass dem Begriff "Globalisierung" zumindest ein langer Urlaub gegönnt wird, am liebsten
aber eine feierliches Begräbnis. Ich habe keine Schwierigkeiten mit einem echten egalitären Internationalismus, auf der Grundlage
von Respekt für und Akzeptanz von Unterschiedlichkeit und Vielfalt.
Aber eine räuberische Globalisierung, wie sie insbesondere im
dominierenden Diskurs von Wirtschaft und Unternehmen verstanden und propagiert wird, in dem der Schwerpunkt auf dem grenzenlosen
unbeschränkten Kapitalismus des freien Marktes liegt und in dem die soziokulturellen Auswirkungen einer faden Standardisierung, eines
narzisstischen Nationalismus der Großmächte und der Zerstörung von lokalen Kulturen und Praktiken vertuscht werden, eine
solche Globalisierung bedeutet Probleme und Herausforderungen, die nach einem rigorosen kritischen Engagement rufen und, wichtiger noch,
nach lebensfähigen Alternativen.
Obgleich ich einen Todeswunsch für den Begriff Globalisierung
ausgesprochen habe, ist die Idee der grenz-/kulturübergreifenden Verbindungen und des Austauschs in verschiedenen Formen und
Größenordnungen etwas Gutes für die Menschheit und als solches von Afrikanern über weite (Zeit-)Räume
hinweg anerkannt. Afrikanische Denksysteme bewahren die Idee von einer gemeinsamen lokalen, regionalen und globalen Humanität und
das Gebot der Beziehung in Redeweisen wie "Abantu ngabantu ngabantu" (Menschen sind Menschen nur durch anderen Menschen)
bei den Nguni im südlichen Afrika oder "Nit nitay garab am" (der Mensch ist das Heilmittel des Menschen) bei den Wolof in
Senegambia. Jüngere Konzepte wie die "Négritude", "The African Personality" und "African
Renaissance" bevorzugen ebenfalls eine Auffassung von Globalisierung, die von lokalen, regionalen und nationalen afrikanischen
Eigenheiten und Beiträgen zu globalen Systemen mit geprägt ist. Daher glaube ich nicht, dass es im Interesse der Afrikaner ist, noch
dass es ihr Wunsch ist, noch dass es für sie möglich ist, sich von der Welt zurückzuziehen. Unser Beitrag für die
globale Menschheit ist zu wertvoll, um aufgegeben zu werden.
In diesem Sinne, im Sinne eines egalitären Internationalismus, glaube
ich, sollten Afrikaner die Globalisierung gemäß ihren eigenen Vorstellungen, mit all den damit verbundenen Komplexitäten
und potenziellen Widersprüchen, einfordern und artikulieren. Globale Begegnungen auf der Grundlage eines Autauschs statt von
Auflagen, von Demokratie statt von Diktatur, von Handel statt von Export, von Unterschiedlichkeit statt Gleichschaltung, von Partnerschaft statt
Wettstreit auf allen Gebieten und in allen Praktiken sind zu befürworten. [...]
Raus aus dem Busch?
[Die Folgen der
ökonomischen Globalisierung], die sozialen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Verwüstungen und die verheerenden
Auswirkungen solcher Praktiken in Afrika sind inzwischen nur allzu gut bekannt.
Weniger augenscheinlich hingegen sind möglicherweise deren
Auswirkungen auf die afrikanischen Kulturindustrien und auf das Kino. In vielen afrikanischen Staaten brachte die Privatisierung das
allmähliche Verschwinden der Filmtheater aus so mancher Stadtlandschaft mit sich, wenn auch mit einigen Ausnahmen wie Burkina Faso,
Südafrika, Zimbabwe und einige Orte in Nordafrika. Der Rückzug der Regierungen aus dem Betrieb und der Verwaltung von
Filmtheatern im Rahmen der Strukturanpassungen führte in vielen afrikanischen Staaten zum Verkauf der Filmhäuser an private
Unternehmen, die oftmals dazu übergehen, die Kinos zu schließen und Warenhäuser daraus zu machen, in denen importierte
Waren wie Reis, Zucker, Mehl, Zement oder Second-Hand-Kleidung aus dem Westen angeboten werden.
Werden nun afrikanische Filminhalte und afrikanische Formen des
Geschichtenerzählens die nächsten Opfer der Globalisierung? Die Diskussion darum ist bereits in vollem Gang, und viele sehen
hierin eine Gefahr. Die Abhängigkeit der afrikanischen Filmproduktion, des Verleihs und der Filmverwertung insbesondere von
europäischen Geldern ist inzwischen hinlänglich bekannt. Mit dem ständigen Wechsel zwischen Zu- und Abnahme der Mittel
aus Finanzquellen aus dem Norden und Westen wächst der Druck zur Standardisierung und Anpassung an "globale filmische
Normen", sprich: an von Amerika/Hollywood vorgegebene Standards. In gleichem Maße nehmen auch die Strategien zu, sich dem
zu widersetzen.
Angesichts dieser Manifestationen der Kräfte der Globalisierung
fragt der algerische Filmemacher Marzak Allouache seine afrikanischen Kollegen nach ihrer Beziehung zum westlichen Film: "Verlieren
wir das Gefühl für unsere eigene Realität, kompromittieren wir filmische Inhalte für Finanzmittel aus dem
Norden?" Mit anderen Worten, beugen wir uns der Globalisierung kritiklos und ohne Widerstand? Wie gehen wir damit um, dass im
Zeitalter der Globalisierung westliche Finanzgeber afrikanische Filminhalte und -stile prägen und beeinflussen? In jüngster Zeit
wiederholen mehr und mehr afrikanische Filmemacher immer wieder, es sei unumgänglich, neue Richtungen einzuschlagen, hin zu einem
nicht nur im kommerziellen Sinne lebensfähigeren Kino. Andere rufen: "Seid universell, oder seid universeller! Macht
unterhaltsamere und weniger politische Filme! Kommt raus aus dem Busch, aus der Savanne und dem Sahel!"
Der in den letzten zwanzig Jahren zu beobachtende Trend, dass
Filmemacher sich aus verschiedenen Gründen wieder mehr und mehr in Europa und andernorts außerhalb des Kontinents
niederlassen, aber auch thematische Aspekte - Inhalte, Stil, Sprache, Besetzung und Locations - einiger jüngerer afrikanischer Filme
werden für gewöhnlich als Hinweise auf eine Entwicklung gedeutet, die sich wegbewegt von lokalen, ländlichen, nationalen,
traditionellen Erzählungen hin zu kosmopolitischeren, universelleren, globaleren und moderneren Geschichten. Dies wird als Rezept
für den kommerziellen und Publikumserfolg hingestellt.
World music
Führt diese Entwicklung das afrikanische
Kino zu einer Art obligatorischer Homogenisierung, die im Endergebnis in etwas münden wird, was man als afrimage bezeichnen
könnte und das nichts anderes sein wird als ein afrikanischer Klon eines amerikanisch geprägten globimage oder des sog.
eurimage? Was wird in solchen Konstrukten aus der afrikanischen Besonderheit?
Hier können die Parallelen zur sog. "Weltmusik" sehr
aufschlussreich sein: Marie Daulne von der schwarzen Frauenmusikgruppe Zap Mama sagt, "World Music" sei nichts anderes als
ein Label, ein Komplott, um "authentische" afrikanische Musikstile abzuwerten, die "gezwungen" werden, sich einer
dubiosen globalen Modernität - sprich westlichen Stilen und Klängen - zu unterwerfen, um das europäische Publikum zu
erreichen. Ihrer Meinung nach wird dadurch nicht nur das afrikanische Besondere degradiert, es läuft außerdem darauf hinaus, dass
die afrikanische Musik weiter marginalisiert und ghettoisiert wird.
Daulne weigert sich, sich den Erwartungen der "World Music"
zu beugen. Sie setzt eine Praxis fort, die in afrikanischen Eigenheiten verwurzelt ist, die aber auch offen ist für das Spektrum von
Erfahrungen, die die Geschichte ihr und ihren Mitmusikerinnen zugänglich gemacht hat. "Enracinement et ouverture" -
Verwurzeltsein und Offenheit.
Ich glaube, dass viele afrikanische Filmemacher ähnliche Ansichten
teilen. Was nun bedeuten diese Trends für die lokalen und regionalen Eigenheiten? Sind wir Zeugen eines zunehmenden
Zusammenschmelzens des Lokalen im Angesicht eines narzisstischen Nationalismus der amerikanischen Supermacht, der sich hinter der Maske
der globalen Norm versteckt? In vielen Bereichen mag dies so aussehen, im Bereich der kulturellen Praxis aber ist die Frage meiner Meinung
nach weitaus komplexer, denn sie berührt den Kern der anhaltenden kreativen Spannung zwischen dem Lokalen und dem Globalen.
Ich glaube nicht, dass es sich hier um zwei sich gegenseitig
ausschließende Einheiten handelt, entsprechend den Konzepten, die Tradition und Moderne als gegensätzliche Pole begreifen und
die diesen Gegensätzen innenwohnende Dynamik auslöschen, wenn sie Afrika auf das statische, traditionelle und die westliche
Welt auf das dynamische, moderne Element festlegen.
Der Druck auf afrikanische Kulturschaffende, insbesondere auf afrikanische
Filmemacher, auf den fahrenden Zug aufzuspringen und ihre lokalen Kulturen an der Tür zurückzulassen, ist tatsächlich sehr
groß und scheinbar unausweichlich. Und doch sehe ich in jüngeren Filmen wie La Génèse von Cheikh Oumar
Sissoko, Mossane von Safi Faye, Pièces didentités von Mweze Ngangura, Mamlambo von Palesa Lelatkla-Nkosi, La
Fumée dans les Yeux von François Woukoache, Le Damier von Balufu Bakupa-Kanyinda, Les Silences du Palais von Moufida
Tlatli, On the Edge von Newton I.Aduaka und in vielen anderen, die ich hier nicht alle aufzählen kann, Momente eines kraftvollen,
kreativen und produktiven Einsatzes von individuellen und lokalen Eigenheiten und Kulturen, der die Welt bewegen kann.
Mbye
Cham