Sozialistische Zeitung |
Diesmal verdüsterte sich der Börstenhimmel nicht in einer der Städte Südostasiens
wie Bangkok, Seoul oder Hongkong. In der Weltfinanzzentrale New York stürzte am 7.März der Dow-Jones-Index, Barometer
für die gewichtigen US-Industrieaktien, um 374 Punkte ab. Das war mit 3,7% Verlust der viertgrößte "Crash" in
seiner Geschichte.
Ausgelöst wurde er von Procter & Gamble (PG), einem
weltweiten Konzern, der vor allem Waschmittel produziert und in die Verlustzone geraten war. Daraufhin wurden am gleichen Tag, an dem dies
ruchbar wurde, PG-Aktien im Wert von 36 Milliarden Dollar vom Markt abgezogen. Ihr Kurs fiel um etwa 30%. Das löste eine
Kettenreaktion auf den Aktienmärkten aus.
Es wäre falsch, PG allein für das Desaster verantwortlich zu
machen. Denn der Dow-Jones-Index, Gradmesser für die blue chips, die Aktien der klassischen Industrie- und Dienstleistungskonzerne,
weist seit Jahresanfang ein Minus von 14,8% aus. Experten führen dies auf gesunkene Profite, auf die Ölpreisexplosion und die
Furcht zurück, US-Währungshüter Alan Greenspan werde die Zinsen anheben.
Das Aktienkursfeuerwerk setzt sich allerdings in dem erst kürzlich
geschaffenen neuen Index Nasdaq fort, der vor allem die Werte der "New Economy" registriert, die hauptsächlich auf dem
boomenden Softwarebereich beruhen. Dieser Index ist seit Jahresbeginn um 19,3% gestiegen. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass viele dieser
Aktien überbewertet sind.
Der Nürnberger Wirtschaftshistoriker Robert Kurz, der in seiner
Überzeugung, dass der Megacrash unaufhaltsam näher rückt, niemals geschwankt hat, beurteilt diese neue Entwicklung so:
"Die Hauptfunktion der ‚New Economy ist es, das spekulative Scheinwachstum voranzutreiben; und zwar auf eine noch viel
windigere Weise als bisher bei den blue chips. Es sind meist dubiose Kleinstunternehmen, die sich am ‚Neuen Markt zu sagenhaftem
Reichtum hochkapitalisieren. So ging das virtuelle Aktionshaus ricardo.de 1999 mit 20 Beschäftigten, 5,7 Millionen Umsatz und 2,5
Millionen Mark Verlust an die Börse, um über Nacht plötzlich 500 Millionen Mark ‚wert zu sein. Ähnlich
verhält es sich mit einem Großteil der rund 20 Neuemissionen pro Monat."
Die realökonomischen Produzenten bringen sich unter dem
mörderischen Kostendruck durch Rationalisierung gegenseitig um, während die "Traumfabrik Neuer Markt"
(Handelsblatt) "zur letzten Absteige und Opiumhöhle des Kasinokapitalismus wird", meint Robert Kurz.
An der Frankfurter Börse hat das Steuergeschenk von SPD-
Finanzminister Eichel die Hochzeit zwischen Deutscher und Dresdner Bank zur weltgrößten erheblich beflügelt. Ihre
Aktienkurse starteten einen Höhenflug, der allerdings zeitweilig zurückfiel, als bekannt wurde, dass die Fusion 16000
Arbeitsplätze kosten werde. Die Aktionäre fürchteten, die Abfindungen für Entlassene würden die Rendite
beeinträchtigen.
Inzwischen hat die HypoVereinsbank ausgerechnet, dass in der BRD auf
eine Million Einwohner 604 Bankfilialen kommen, in den USA sind es nur 265. Da aber jetzt auch Sparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken
unter den Druck von Rationalisierung und Fusionszwängen geraten werden, fürchtet die Deutsche Angestelltengewerkschaft, dass in
den kommenden Jahren von den 770000 im Kreditgewerbe 200000 verschwinden werden.
Aber keine Bange: Bundeskanzler Schröder hat versprochen, die
Bundesregierung werde bei dem Versuch helfen, Ersatzjobs zu schaffen. Eine geradezu geniale Lösung bietet der DGB-Vorsitzende
Schulte an. Er will die von Entlassung Bedrohten zu Aktienbesitzern machen. Aktionäre, die keine Arbeit brauchen, würden dann
mit Arbetslosen in einem Boot sitzen, die von der "Stütze" leben. Fragt sich, was geschieht, wenn der "Big Bang",
der Kurssturz von Aktien ins Bodenlose, wirklich eintritt. Wird dann Dieter Schulte dem großartigen Beispiel von Helmut Kohl folgend
eine Hypothek auf sein Häuschen aufnehmen, um den Betroffenen ihre Verluste zu erstatten?