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Vor zehn Jahren läutete der damalige südafrikanische Präsident Frederik Willem de Klerk
das offizielle Ende der Apartheid ein. Er hob das Verbot gegen den ANC (African National Congress) auf und ordnete die Freilassung des
späteren Präsidenten Nelson Mandela an. 1999 wurde der Friedensnobelpreisträger Mandela von Thabo Mbeki mit einer
knapp verfehlten aber dennoch komfortablen Zweidrittelmehrheit als Präsident abgelöst. Anlässlich des zehnjährigen
Jubiläums hielt das ehemalige Mitglied des ZK der SACP (South African Communist Party) eine Parlamentsrede zur Lage der Nation.
Doch anders als bei der Rede de Klerks jubelten diesmal vor allem die Wirtschaftsgrößen und die Vertreter der neoliberalen
Oppositionspartei Democratic Party.
Dieser Jubel kam nicht von ungefähr, denn Mbeki kündigte
drastische Veränderungen in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik an, die im laufenden Jahr durchgeführt werden sollen.
Zinssenkungen, Privatisierung des öffentlichen Dienstes und staatseigener Betriebe sollen den "Standort Südafrika"
für ausländische Investoren lukrativ machen. Im letzten Punkt sind sich die Allianzpartner des regierenden ANC, der
Gerwerkschaftsdachverband COSATU und die SACP, einig. Allein der Weg dorthin trifft auf unterschiedliche Vorstellungen.
Diese könnten beim zweiten zentralen Punkt der Mbeki-Rede ans
Tageslicht kommen. Der Parteichef des regierenden ANC versprach in seiner Parlamentsrede auch, die "rigiden Arbeitsschutzgesetze
aufweichen" zu wollen. Diese Gesetze, die während der Präsidentschaft seines Vorgängers nach den ersten freien
Wahlen in Südafrika 1994 installiert wurden, macht Mbeki für die bisher ausgebliebene Schaffung neuer Arbeitsplätze
verantwortlich. Das hinderte Mandela nicht daran, die Rede Mbekis, als "außergewöhnlich" zu bezeichnen.
Auch der Notenbankchef Tito Mboweni begrüßte ebenso wie
die Wirtschaftsverbände die klaren Absichten des Präsidenten, der den ANC Ende des letzten Jahres in die sozialdemokratische
Internationale einführte. Die "härtere Linie" gegenüber den ureigensten Interessen der Gewerkschaften
interpretierte Peter Worthington, Wirtschaftsexperte der US-Investitionsbank JP Morgan in Johannesburg, als "positives Signal für
ausländische Investoren".
Loyale Gewerkschaftsführung
Ärger mit der ehemals als
kämpferisch bekannten Führung des Gewerkschaftsdachverbands ist deswegen nicht unbedingt zu erwarten. Zwelinzima Vavi,
COSATU-Generalsekretär, zeigte sich wenig überrascht von den Ankündigungen des Präsidenten und pflichtete der
Rede sogar bei, weil sie die Themen "Armut, neue Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum" nicht unerwähnt
ließ. COSATU wolle sich mit "nachdrücklichem Engagement" an Diskussionen mit der Regierung über
angemessene Investitions- und Entwicklungsstrategien beteiligen.
Das äußere Erscheinungsbild Südafrikas ist für die
Allianz von größter Bedeutung und der Ton gegenüber denjenigen, die dieses Bild ankratzen, wird schärfer. Viel mehr
als die weltweit höchste Kriminalitätsrate, die Mbeki als "Investitionshemmnis", so die Kritik der Democratic Party, in
seiner Parlamentsrede unerwähnt ließ, stören Mbeki Arbeitskämpfe, die der Regie des Allianzpartners COSATU
entgleiten.
Die Massenentlassung und den vorausgegangenen Streik von mehr als 1300
Beschäftigten des VW-Konzerns in der Industriestadt Uitenhage kommentierte Mbeki am Tag seiner Parlamentsrede als "illegalen
und ungerechtfertigten Streik", der nicht toleriert werden könne. "Unser Ansehen in den Augen des Investors kann nicht von
Elementen abhängen, die ihre eigennützigen und antisozialen Absichten verfolgen", erklärte Mbeki den 490
Abgeordneten in Kapstadt. COSATU begrüßte die konsequente Haltung Mbekis gegenüber den Streikenden.
Die Beschäftigten in Uitenhage hatten ihre Arbeit für einige
Tage niedergelegt, um gegen die willkürliche Entlassung von 13 Betriebsräten und die Einfrierung der Pensionsfonds zu
protestieren.
Leere Versprechungen
Seit dem Regierungsantritt des ANC 1994 haben mehr als 500000 Menschen ihre Arbeit
verloren. Dabei war der ANC mit dem Versprechen angetreten, die Armut der mehrheitlich schwarzen Bevölkerung zu beseitigen und
Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist bisher weder dem NEDLEC, einem südafrikanische "Bündnis für
Arbeit", noch dem eigens inszenierten "Job Summit" gelungen.
Nach einer kurzen Phase des Aufbruchs Mitte der 90er Jahre und
keynesianischer Programme wie dem breit diskutierten RDP (Reconstruction and Development Programme), drückte der ANC ein
Strukturanpassungsprogramm durch: GEAR (Growth, Employment and Redistribution - Wachstum, Beschäftigung und Umverteilung).
Dieses Programm sollte den südafrikanischen Haushalt konsolidieren, um den Kapitalabfluss zu schwächen. Schon Nelson
Mandela schlug damals einen scharfen Ton gegenüber den GEAR-Kritikern an.
Mittlerweile ist es Mbeki und dem amtierenden Finanzminister Trevor
Manuel, die beide als Macher hinter den Kulissen gelten, gelungen, auch die Führungskräfte der Allianzpartner des ANC und
Kritiker aus den eigenen Reihen von GEAR zu überzeugen.
Doch die Kapitalzuflüsse, die mit GEAR begünstigt werden
sollten, waren vor allem kurzfristige Portfolio-Investitionen, die ohne Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt blieben.
Die Integration des zuvor isolierten Südafrika in den Weltmarkt hatte
einen hohen Preis, denn die nationalen Unternehmen waren einem hohen Druck ausgesetzt und reduzierten ihre Personalkosten durch
Entlassungen. Die Anzahl der Streiks, auch die der "unorganisierten", häufte sich in dem 39 Millionen Einwohner
zählenden Land. Hauptziele der Arbeitskämpfe waren Lohnerhöhungen, Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der
Versuch, die Regierung an der Privatisierung von bislang staatseigenen Produktions- und Dienstleistungsunternehmen zu hindern.
Unternehmer und Regierung argumentierten gegenüber den
Gewerkschaften mit dem "zunehmenden Druck der Globalisierung". Sie seien gezwungen, sich den Gegebenheiten des Weltmarkts
schneller anzupassen. Resultat waren u.a. Lohnabschlüsse unter der Inflationsrate. Mittlerweile ist auch die Gewerkschaftsführung
davon überzeugt, dass einzig und allein Investitionen aus dem Ausland die mit offiziell über 30% enorm hohe Erwerbslosenquote
bekämpfen zu können.
Mit dem Goldpreis fiel in den letzten Jahren außerdem der Wert
eines der wichtigsten Exportgüter Südafrikas. Der kurzfristige Boom Anfang dieses Jahres ist wieder verpufft. Der Anstieg auf
über 300 Dollar je Unze an den Börsen erwies sich sich nicht nur für Anleger als flüchtige Tendenz. Der Goldpreis ist
auch für die südafrikanische Wirtschaft von größter Relevanz: eine Erhöhung um einen Dollar je Unze bedeutet
zusätzliche Exporteinnahmen von 14,5 Millionen Dollar jährlich. Mittlerweile sprechen auch führende Bankhäuser und
Ratingagenturen dem Gold jegliche Rolle als Zufluchtsort für die von Inflationsangst geplagten Anleger ab.
In der zweiten Jahreshälfte 1998 verzeichnete Südafrika sogar
ein negatives Wirtschaftswachstum, dass 1999 allerdings wieder stagnierte und von Experten als ein "Erreichen der Talsohle"
interpretiert wurde.
Ausverkauf der Staatsbetriebe
Damit die Talsohle bald überwunden ist und die
makroökonomischen Zahlen wieder stimmen, hat Mbeki nun einen "Konsultativrat internationaler Investoren" eingerichtet.
Neben dem irischen Medienmulti Tony OReilly, dessen Independent-Gruppe in Südafrika die Hälfte aller großen
Tages- und Wochenzeitungen gehört (siehe auch die folgenden Seiten), sollen der Vizepräsident der US-amerikanischen Citigroup,
ein Vorstandsmitglied des japanischen Mitsubishi-Konzerns, Martin Kohlhausen von der Commerzbank und Jürgen Schrempp,
DaimlerChrysler-Chef, Südafrika wirtschaftspolitisch beraten und die "Restrukturierung von Staatseigentum", so der ANC-
Sprachgebrauch für Privatisierungen, effektiv beschleunigen.
Die Senkung des Zinssatzes ist eine vergleichsweise einfache
Maßnahme, die statt kurzfristiger Kapitalanlagen langfristige Investitionen nach Südafrika bringen soll. Schwieriger dürfte
die Reform des öffentlichen Verwaltungsapparats werden. Schätzungen gehen von 30000 bis 55000 Beschäftigten aus, die
von den Rationalisierungen betroffen sein werden.
Die geplanten Privatisierungen der staatlichen Telekommunikations-,
Transport-, Rüstungs- und Energieunternehmen, in denen zwei Drittel der staatlichen Beschäftigten arbeiten, belaufen sich auf einen
Gesamtwert von rund 40 Milliarden Mark. Der Börsengang für die südafrikanische Telkom und den Energieversorger Eskom
ist für das nächste Jahr an der Johannesburger Börse geplant. Die staatliche Fluggesellschaft hat bereits Anteile an
ausländische Investoren verkauft.
Auf Druck der Basis hat COSATU eine Protestkampagne gegen den Verlust
von Arbeitsplätzen, die in einen Generalstreik münden soll, angekündigt. Von offizieller Gewerkschaftsseite aus richten sich
die Aktionen jedoch nicht explizit gegen die geplanten Privatisierungen. So versucht die Gewerkschaftsführung, den Balanceakt zwischen
der Gewerkschaftsbasis und der Rolle als Allianzpartner der Regierung zu meistern.
Doch die Regierung will sich offensichtlich nicht allein auf ihren
Allianzpartner verlassen und scheint sich auch nicht des Erfolgs ihrer eigenen Politik sicher zu sein. In seinem jüngst verabschiedeten
Haushaltsentwurf kündigt Trevor Manuel nicht nur Steuersenkungen für private Steuerzahler und eine Lockerung der
Devisenkontrollen an. Allein die südafrikanische Polizei erhält 2,5 Milliarden Dollar des sich insgesamt auf 40 Milliarden
belaufenden Budgets.
Auch die Summen für Justiz und Strafvollzug hat Manuel
heraufgesetzt. Dies könnte ebenfalls als Hinweis darauf gewertet werden, dass die Regierung ihrer eigenen Politik der
Armutsbekämpfung durch Investitionen nicht vertraut und die Kriminalitätsrate durch repressive Maßnahmen senken will.
Doch mit dem größten Batzen, knapp einem Viertel des Gesamthaushalts, soll der Schuldendienst getilgt werden. Führende
Geldinstitute und Ratingagenturen wissen die Zeichen der südafrikanischen Politik zu würdigen und haben dem Land in der Hitliste
der Investitionsstandorte einen guten Platz eingeräumt.
Gerhard Klas