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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.6 vom 16.03.2000, Seite 12

Solidarität gegen den Krieg!

Aufruf russischer Antifaschisten gegen den Tschetschenienkrieg

Im Folgenden dokumentieren wir den Aufruf der antifaschistischen Zeitung Tschelowetschnost (Menschlichkeit) gegen den Krieg der russischen Regierung gegen Tschetschenien.

Mit dem Beginn des 21.Jahrhunderts ist die russische Gesellschaft mit der schändlichen Tatsache des blutigen Kolonialkriegs in Nordkaukasus konfrontiert. Die ganze Macht des "demokratischen" Russland wird dazu verwendet, ein kleines Volk zu unterjochen, das es gewagt hat, sich dem Reich des Zaren oder Stalins ebenso zu widersetzen wie der "Föderation" Jelzins. Zehntausende wurden getötet oder sind physisch wie seelisch verkrüppelt; die Massen sind verarmt oder zu rechtlosen Flüchtlingen geworden; Städte und Dörfer werden in Trümmer gelegt - dies ist der Preis, der gezahlt wird, um den politischen Ehrgeiz einer russischen herrschenden Klasse zu befriedigen, die sich der Stärkung und Mehrung ihrer Herrschaft verschrieben hat.
Dieser Krieg, der in zynischer Weise als "Anti-Terror- Operation" dargestellt wird, ist in Wirklichkeit ein Akt staatlichen Terrors großen Ausmaßes, der seinerseits zu bewaffneter Vergeltung durch das verzweifelte tschetschenische Volk führen wird, dem alles geraubt wurde, was es besaß. Die Streitkräfte der Föderation, die alles auf ihrem Wege niederbrennen und zerstören, werden nicht "den Fundamentalismus mit der Wurzel ausreißen", sondern Tschetschenien sozial wie ökonomisch ins Mittelalter versinken lassen, womit sie die Bedingungen schaffen, in denen reaktionäre radikal-islamische politische Kräfte Einfluss gewinnen.
Die Aggression gegen Tschetschenien, der Genozid an seiner Bevölkerung verstärkt auch für die Bevölkerung Russlands die Bedrohung eines militärischen und Polizeiregimes, der Unterdrückung der Bürgerrechte und der Aussicht auf etwas ähnlichem wie dem Belorussland eines Lukaschenko oder einer lateinamerikanischen Diktatur. "Ein Volk, das ein anderes unterdrückt, kann niemals selbst frei sein." Die Wahrheit dieser Worte Friedrich Engels‘ zeigt sich heute in ihrem vollen Umfang.
Dieser Krieg hat auch katastrophale soziale und wirtschaftliche Folgen. Kriegführung und die Errichtung eines Besatzerregimes erfordert ungeheure Ressourcen - und diese können nur aus der arbeitenden Bevölkerung ausgepresst werden, die auch so schon zu extremer Armut verurteilt ist. Während viele Millionen im Mangel leben, werden dutzende Milliarden Rubel für Mord und Zerstörung ausgegeben. Der Zynismus der herrschenden Klasse und ihrer politischen Repräsentanten - der Putin, Tschubais und Sjuganow, die miteinander wetteifern, wer den Henker spielen darf - kennt wahrlich keine Grenzen!
Die Verbrechen des russischen Imperialismus gegen alle Völker, die er in sein militärisches Abenteuer hineingezogen hat, müssen gestoppt werden, ehe es zu spät ist. Wir setzen uns ein für:

- ein sofortiges Ende aller militärischen Operationen und den Rückzug der Okkupationstruppen vom tschetschenischen Territorium;

- das Recht des tschetschenischen Volkes, unabhängig über seine Zukunft zu entscheiden; der Status Tschetscheniens muss von der eigenen Bevölkerung frei bestimmt werden, unter Beobachtung internationaler Menschenrechtsorganisationen;

- die Zahlung ausreichender Entschädigung an alle Opfer des Krieges, unabhängig von ihrer Nationalität, aus dem Geld, das zur Finanzierung des Krieges vorgesehen ist;

- die Bestrafung von Kriegsverbrechern auf allen Ebenen.

Wir können nicht auf den guten Willen der russischen Politiker zählen. Und es wäre gleichermaßen naiv, sich auf die herrschenden Kreise im Westen zu verlassen - die die Aktionen der russischen Militärmaschinerie nur in Worten verurteilen und niemals ihre eigenen Pläne oder ihre Partnerschaft mit Russland für die Verteidigung des Lebens und der Rechte jener, die leiden, aufgeben werden. Die militärische Barbarei kann nur durch das Anwachsen einer sozialen Protestbewegung in Russland selbst gestoppt werden. Eine demokratische Lösung des Konflikts im Nordkaukasus kann nur durch Aktionen der Bevölkerung von unten erreicht werden.
Mit solchen Aktionen zu beginnen und alles zu ihrer Entwicklung zu tun, das ist die Pflicht der gesamten demokratischen und antitotalitären Linken, die einen prinzipiellen Standpunkt einnehmen: für die Ideale der Freiheit, der sozialen Gleichheit und des Respekts für jeden Menschen, gegen die ausbeuterischen und Großmachtinteressen, die diesen Krieg bestimmen.
Wir rufen alle Menschen mit fortschrittlichen Überzeugungen, gutem Willen und gesundem Menschenverstand auf, soweit sie können, den Opfern des imperialistischen Abenteuers im Kaukasus zu helfen und sich an einer Kampagne praktischer Solidarität mit dem tschetschenischen Volk, einer Kampagne gegen den Krieg zu beteiligen.
Die Alternativen unserer Zukunft sind einfach: Entweder entsteht in Russland eine humanitäre Zivilgesellschaft oder wir werden den Polizeistaat einer Großmacht bekommen, der bereit ist, neue Kriege zu führen, und der zu ungeheuerlichen Verbrechen fähig ist. Es ist Zeit, eine Wahl zu treffen!

Redaktion der antifaschistischen Zeitung Tschelowetschnost

Kontakt: Fax 007-095-2926511, Box 385. Postanschrift: 127434 Moskwa, Box 32.


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