Sozialistische Zeitung |
"Ab jetzt tagt hier die Außerparlamentarische Opposition - APO." So lautet die neueste journalistische
Verwertungsmasche der Süddeutschen Zeitung. Für ihr Magazin hat sie vier glorreiche Halunken als Kolumnisten gewonnen, die ab
sofort jede Woche sagen sollen, was schief läuft in der "Berliner Republik". Für die APO aus dem Münchner
Verlagshaus dürfen schreiben: Oskar Lafontaine, Lothar Späth, Jacob Heilbrunn und Robert Kurz. Da wäre natürlich
jede und jeder sofort drauf gekommen, wenn es drum ginge, die APO - ob eine alte oder eine neue - zu personifizieren: Zwei langjährige
Parlamentarier, Ministerpräsidenten und Fachminister, einer davon mittlerweile Manager, ein konservativer Publizist und MoralAPOstel
und ein sich selbst jenseits der Politik ortender APOkalyptiker mit Linksvokabular. Hatten wir APO gehört - oder Opa?
Seis drum, der Premierenauftritt von Oskar Lafontaine war von
Länge und Gehalt gerade gut und abgehangen genug, um zwischen zwei Fürzen einmal kurz den Hintern vom Sessel zu heben.
Solche Ansprachen müssen nämlich im Stehen gehalten werden: "Liebe Nichtwähler", ruft da der
Außerparlamentarier Lafontaine, weil es für einen echten APOlogeten nichts Schlimmeres gibt, als nicht zu wählen,
"natürlich müssen die Gesetze beachtet werden. Vor dem Gesetz sind wir alle gleich."
Und, welch ein Trost für die außerparlamentarischen Truppen,
"gut ist, dass unsere Demokratie funktioniert: Regierung, Parlament, Justiz und Medien machen ihre Arbeit." Aber dann folgen die
schweren Schicksalsschläge, denen die Menschheit angeblich so APOmachisch gegenübersteht, dass Millionen von
sozialdemokratischen Sonntagsreden davon zehren: Wir haben angesichts der CDU-Spendenaffäre nicht nur eine Parteikrise, nicht nur
eine Staatskrise vor uns, nein "die eigentliche Frage muss lauten, ob wir nicht mittlerweile in eine gesellschaftliche Krise geraten
sind".
Und nahtlos weiter: "Unsere Gesellschaft ist zu einer
Marktgesellschaft geworden, alles scheint käuflich zu sein." APOdengleich umschlängelt Oskar das bittere Los der
Menschheit: "Dass die Marktgesellschaft die menschlichen Werte immer mehr ins Abseits drängt, kann nicht geleugnet werden.
Sichtbarster Ausdruck dieser Entwicklung ist die täglich in der Presse [was der Oskar aber auch immer herausfindet, und vor allem wo]
auftauchende Forderung nach einer weiteren Flexibilisierung des Arbeitsmarktes. Die Marktgesellschaft hat unser Leben
verändert."
Diese Entwicklung steigert sich in eine waschechte APOrie, denn "im
Ergebnis ist diese Ent-Individualisierung so weit vorangeschritten, dass der Einzelne den Marktgesetzen kaum noch Widerstand entgegensetzt.
Der windschlüpfrige Selbstvermarkter erscheint folglich als Prototyp des modernen Arbeitnehmers." Und Oskar ist sein Name. Das
nahe Ende ist gewiss: "Die Marktgesellschaft zerstört die Demokratie."
In seinem früheren Leben hat Oskar diese Mechanismen gerade noch
als Triebkräfte der Moderne und Programm der Sozialdemokratie gefeiert und in brave Regierungspolitik umgesetzt. Aber da war er noch
Ministerpräsident, Finanzminister, SPD-Vorsitzender. Heute kehrt die Moderne als Schicksalsschlag zurück. Unverändert
bleibt nur die sozialdemokratische APOdiktik: das ist alles so gekommen, da kann man nichts machen. Verantwortliche gibt es nicht,
Widerstand ist zwecklos.
Aus diesem bürgerlichen Drama hilft nur der fünfte Akt mit
bühnenreifer APOtheose: "Wir müssen von vorn anfangen", ruft Oskar Lafontaine mit "den jungen Intendanten der
Berliner Schaubühne" (jung?, Intendant?, Berlin?, Schaubühne? - denkt da jemand etwa an etwas anderes?). Vorne ist wo?
Irgendwo zwischen Gotha und Godesberg, oder im neuen Lokal "Jakob Mierscheid" zu Berlin? Dort wäre die Luft nicht so
trocken und wenn die Flüssigkeit stimmt, rufen wir mit Shakespeare: "Oh wackrer APOtheker, dein Trank wirkt schnell." Und
wems in der Folge zu gut geht, der oder die kann mit der APOkatharsis beginnen, bei Sozialdemokraten hat sich zuweilen auch die
umgekehrte Reihenfolge bewährt.
Thies Gleiss