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Die Zukunft wird schön, und sie hat schon begonnen. Denn eigentlich war nicht das Millenniumsfest die
Schallmauer in die Zukunft, sondern bereits das Jahrzehnt davor. Die urbane Entwicklung schaffte den Durchbruch bereits in den frühen
90er Jahren mit den ersten Containern als Einkaufszentren auf der grünen Wiese.
Die Idee der Stadt Bremen, einen "Space Park" zu bauen,
fällt in diese Zeit. Die Werftenkrise hatte sich soweit verschlimmert, dass sich eine bereits schwelende soziale und politische Misere
verschärfte. Die Utopie von Vollbeschäftigung und Wohlstand einer Region war wie auch an anderen Orten geplatzt. Zudem ergab
sich im Zusammenhang mit dem Begriff der Berliner Republik für die Städte eine Konkurrenzsituation: Die mittleren bis
großen Städte konkurrieren mit anderen Regionen und vor allem der neuen Hauptstadt um das beste Image. Wie wenig aber das
jeweilige Image mit der Realität zu tun hat, zeigt sich daran, dass bspw. die kulturelle Attraktivität Berlins sehr hoch
einzuschätzen ist, während es ökonomisch auf den untersten Plätzen im Städteranking rangiert.
Das neue Konsummodell der Eventkultur versprach nun die Rettung
für Bremen, wie für viele andere Städte. Eine Kombination aus den Vergnügungs-, Freizeit- oder Wissenschaftsparks,
die in den USA schon seit den 30er Jahren entwickelt wurden und "Kauf Parks", wie sie zuerst in den neuen Bundesländern
aus dem Boden gestampft wurden, sollte die Rettung bringen - ein Themenpark mit wissenschaftlichem Touch. Die jeweils bestimmenden
regionalen Probleme und Vorteile dienen dabei für eine spezifische Nutzung. Als Bremer Standortfaktor gilt der Sitz des
Raumfahrtunternehmens DASA - DaimlerChrysler Aerospace. Pläne, das Modell einer Ariane Rakete aufzustellen und ein
wissenschaftliches Ambiente einzurichten, waren ausschlaggebend dafür, hier das Thema Weltraum zu favorisieren - also ein
Weltraumzentrum mit Edutainment.
Letztlich haben solche Zentren aber alle die gleiche Struktur. Um eine
minimale inhaltliche Information gruppiert sich vor allem eines: eine gigantische Shoppingmall. Das Versprechen der Politiker ist immer, dass
dieses permanent installierte Freizeitfestival die Massen anziehen wird und dadurch so viele Arbeitsplätze geschaffen werden, dass eine
Strukturverbesserung der Region eintritt. Dabei müssten doch die Erfahrungen mit dem CentrO. in Oberhausen, das 1996
verheißungsvoll als größtes Erlebniseinkaufsparadies gestartet war Rückschlüsse auf ein Projekt wie Space Park
zulassen.
Bereits die Planung des CentrO. war aus zwei Gründen
undurchsichtig. Erstens versuchte der Oberstadtdirektor mit einer kommunalen Verwaltungsreform Instanzen zu umgehen. Zweitens wurde die
Zusammenarbeit mit den privaten Planungsbüros fast zwei Jahre geheim gehalten. Diese Public Private Partnership stellte eine neue
Dimension der Deregulation bei der Planung eines städtischen Großprojekts dar. Zwar lag die Vorplanungsphase aus
Gründen der Unabhängigkeit schon immer bei privaten Planungsbüros, in Oberhausen kam es jedoch zu einem bisher
unbekannten Zusammenspiel zwischen privatwirtschaftlicher Planung, der Politik und dem Investor.
Die Region um Oberhausen ist vergleichbar mit Bremen, weil es hier mit
dem Erliegen der Montanindustrie zu einer hohen Arbeitslosigkeit kam (14%). Dort, wo 1758 die erste Eisenhütte entstanden war, sollte
das CentrO. im Konzert mit anderen Einrichtungen als "Neue Mitte" einen Strukturwandel schaffen: als neues urbanes Konsum- und
Freizeitzentrum. Das CentrO. ist im Ruhrgebiet "das größte Strukturwandelprojekt seit dem Bau des Opelwerks in Bochum in
den 60er Jahren" (Pressemitteilung, CentrO. Fact Pack, 10.12.99).
Laut einem Gutachten des Bundesbauministeriums über das CentrO.,
das sich auch auf Bürgerumfragen beruft, haben sich die Einkaufsmöglichkeiten und die Verkehrsverbindungen verbessert
("Modellvorhaben Freizeitorientierte städtebauliche Aspekte im Zentrenkonzept der Stadt Oberhausen",
Bundesbauministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen). Mit der Situation Vertraute berichten jedoch, dass sich für
außerhalb gelegene Wohngebiete die Verkehrsfrequenz verringert hat.
Auch die Besucherzahlen sind nur für die neuen Kultureinrichtungen
mit populärem Programm, wie das Großausstellungshaus Gasometer gestiegen, während die der alteingesessenen
Kulturinstitutionen (Ludwig-Galerie) zurückgegangen sind. Die Geschäfte in der Innenstadt von Oberhausen haben, trotz einer
Finanzspritze der öffentlichen Hand in Höhe von 22 Millionen Mark für die Einkaufsstraße, starke Einbußen
erlitten; gleiches gilt auch für die Städte des Umlands wie bspw. Dinslaken und Duisburg.
Für die Durchsetzung eines solchen Projekts, ist die Rhetorik und die
visuelle Gestaltung sehr wichtig. Es wird eine spezifische Problemlösung versprochen, und mit Statistiken untermalt. Die Elemente der
Raum- und Strukturplanung stellen sich somit zunehmend als Elemente der Visualisierung des Konsums in statistischen Schaubildern heraus.
Denn, glaubt man den Planern dieser Einkaufsparadiese, wird dort in Zukunft immer mehr gekauft und konsumiert, weshalb die Parks sich auf
jeden Fall rentieren sollen. Im Fall des CentrO. sowie des Space Parks gelten "Städtetourismus" und
"Mehrtagestourismus" als magische Begriffe. Nach der Statistik des Bundesbauministeriums verdoppelten sich innerhalb von zwei
Jahren in Oberhausen die Übernachtungszahlen.
Bezeichnenderweise bietet die vom Bundesministerium vorgelegte
Untersuchung des CentrO. keine Angaben zum Arbeitsmarkt. Die geschaffenen Arbeitsplätze bewegen sich vor allem im unteren
Dienstleistungsbereich, d.h. Reinigungs- und Wachpersonal, das oft auch keine festen Verträge erhält, sondern nur nach Bedarf
arbeitet. Die Untersuchungen eines Ratsmitglieds der Grünen ergaben nach einem Jahr, dass von den 10000 versprochenen
versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen für das Gesamtprojekt "Neue Mitte Oberhausen" lediglich 4350 neu geschaffen
worden waren. Weil von diesen Arbeitsplätzen aber 1600 unter der Steuerpflicht blieben, kam es zu Protestaktionen. Das Resümee
lautet: Die Arbeitslosenzahlen haben sich insgesamt erhöht, obwohl das CentrO. subventioniert wurde. Insofern betreffen solche Projekte
nur ein relativ kleines Segment des Arbeitsmarkts und vertuschen ihre Kurzfristigkeit.
Doch selbst wenn die Prognosen für das CentrO. sich erfüllt
hätten, wäre abzusehen, dass die Wachstumszahlen schlagartig zurückgehen würden sobald jede auch nur
mittelgroße Stadt ihren Mega-Einkaufspark eröffnet hätte. Das haben auch die derzeit reihenweise Pleite gehenden Musicals
gezeigt, die noch vor kurzem irrsinnig hohe Wachstumszahlen aufwiesen. Zudem droht, wie die Untersuchung des Bundesministeriums im Fall
des CentrO. andeutet, eine Übersättigung mit Großprojekten, die aus der Verbindung von Freizeit und Einzelhandel entstehen.
Das Resultat wären "Freizeitbrachen".
Man kann dem Phänomen nicht ausweichen: Selbst wenn man diese
Zentren nur als ärgster Kritiker besucht, wird man zu den Besuchern gezählt und unweigerlich zu einem statistischen Element ihres
Erfolgs. Nach hundert Tagen zählte das CentrO. mehr als acht Millionen BesucherInnen. Die neue Form der Selbstdarstellung summiert
alle Besucher rein quantitativ. Genauso gilt auch Kritik als gelungene PR. Offensichtlich ist die Öffentlichkeitsstrategie der PR-Agentur
längst wichtiger als die Sache selbst.
Da bei der Planung der Erlebnisparks immer von nachhaltigen
Strukturveränderungen gesprochen wird, lohnt es sich, dies einmal zu überprüfen. Nachhaltigkeit bedeutet kurz gesagt, einen
schonenden Umgang mit der Natur; die Ökonomie soll zum Zweck der Wohlfahrt der Gemeinschaft und mit Verantwortung für die
folgenden Generationen eingesetzt werden.
Nach den unsicheren Bewertungskriterien und den kurzen Verfallszeiten der
Eventkultur trifft dies für die Themenparks jedoch nur insofern zu, als diese Begriffe im Zuge der politischen Diskussionen der 90er Jahre
völlig umdefiniert wurden: Natur wird heute nicht als ein gewachsener ökologischer Bestand betrachtet - wie sollte dies in den
Industriebrachen auch möglich sein, in denen die neuen Parks entstehen - sondern als geplante Parklandschaft, oft nach amerikanischem
Vorbild mit Hydrokulturen und Glaskuppeln. Was dem Wohl der Gemeinschaft dient, entscheiden heute Planungsbüros im Auftrag der
Politiker, und was für die Nachfolgegenerationen gut ist, legen Trendbüros fest.
Nach amerikanischen Erfahrungen gilt für Shoppingmalls, dass sie
nach einem Zyklus von vier Jahren grundrenoviert werden müssen, um die Attraktivität zu erneuern. Dass dies nicht mit
ökologischen Baustoffen und ressourcensparend geschieht ist augenfällig. Auch bedeuten die großen Glashallen einen extrem
hohen Energieaufwand. Zusätzlich fördern gebührenfreie Parkplätze den Verbrauch fossiler Brennstoffe, was alles
andere als nachhaltig ist.
Alle diese Zentren entstehen aus der Sehnsucht, die jeweils anliegenden
Strukturprobleme durch Ästhetisierung im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu lösen. Die Inszenierungsdifferenz zum kurzlebigen
Sensationspotenzial der anderen Zentren scheint Teil der ökonomischen Konstruktion zu sein. Denn die BesucherInnen suchen
schließlich schon am nächsten Wochenende Abwechslung in einem anderen Park.
Auch die Kunst bekommt eine Rolle: Um den beunruhigenden Anblick von
"vorübergehend" leer stehenden Ladenlokalen zu vermeiden, dürfen dort KünstlerInnen und städtische
Kultureinrichtungen Ausstellungen veranstalten, sog. "Gap-Art". Doch der eigentliche Künstler, der das Zentrum schafft, ist
der Markt, und die Maschine, die es am laufen hält, ist der Konsum.
Als in den 70er Jahren noch von Ideologiekritik die Rede war, sprach man
von Verführung durch die Warenwelt. Heute bedeutet, sich dem Konsum anzupassen, die Utopie der Strukturplanung zu fördern.
Die Kritik der Verführung und des Konsums ist der Ästhetik der Illusion gewichen. Diese Strukturpolitik betrifft nur mehr einen
Proporz - die eigene Selbstdarstellung und nicht die Allgemeinheit. Deshalb kann nicht mehr von einer Utopie gesprochen werden, die den
Strukturverbesserungen zugrunde liegt. Es lässt sich eindeutig eine Tendenz zur Strukturplanung weg von nachhaltigen
Entwicklungsgedanken beobachten.
Rückblickend könnte als Charakteristikum für unsere Zeit
gelten, dass eine Verlagerung von kolonialistischen Aktivitäten auf den Bereich des Tourismus und des Einzelhandels im Innern stattfand
(vgl. die Militärterminologie: "Masterplan Tourismus im Ruhrgebiet"): Der Verkauf von Konsumgegenständen und der
Tourismus werden akribisch expansiv geplant, mit einer unterschwelligen Propaganda und verkaufsfördernder Musik beworben, mit
Hightech aufgerüstet und mit aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen verknüpft.
Auffällig an diesem Kolonialismus nach innen ist, dass er eine
Architektur und Formen von Geräten hervorbringt, die sich nicht mehr wie früher gegen einen exterritorialen Feind richten, sondern
auch gegen die Menschen, die nicht diesem normierten Konsummodell folgen wollen oder können. Sie dürfen die Schwellen des
Sicherheitssystems nicht überschreiten, sie bleiben draußen. In dieser inszenierten Welt herrscht ein neuer Gesellschaftsvertrag:
Wer auf der Konsumentenseite nicht kauft oder wer auf der Pächterseite nicht genug verkauft, fliegt raus. Die Besucher sind zahlende
Komparsen in einem gigantischen Werbespot des Neoliberalismus. Die Dokumentation wird von automatischen Kameras gleich mitgeliefert. Es
bleibt die individuelle Wahl, ob man ein Foto möchte - fünf Minuten wird es vom Automaten gespeichert.
Da die Unternehmen dieser neuen Eventkultur schnell aufgelöst
werden, falls ein Projekt Pleite geht, haftet letztlich der Auftraggeber. Im Falle des Space Parks ist das das Land Bremen, das schon vorher
stark subventionierte. Dass die Zahlen schließlich schön rot sein werden, scheint absehbar. Schwarz ist nur der "Peter",
den die Kurzzeitbeschäftigten und die Erwerbslosen danach in Händen halten werden.
Stefan Römer