Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.6 vom 16.03.2000, Seite 16

Die Zukunft wird schön

Der Space Park in Bremen im Vergleich zum CentrO. in Oberhausen

Die Zukunft wird schön, und sie hat schon begonnen. Denn eigentlich war nicht das Millenniumsfest die Schallmauer in die Zukunft, sondern bereits das Jahrzehnt davor. Die urbane Entwicklung schaffte den Durchbruch bereits in den frühen 90er Jahren mit den ersten Containern als Einkaufszentren auf der grünen Wiese.
Die Idee der Stadt Bremen, einen "Space Park" zu bauen, fällt in diese Zeit. Die Werftenkrise hatte sich soweit verschlimmert, dass sich eine bereits schwelende soziale und politische Misere verschärfte. Die Utopie von Vollbeschäftigung und Wohlstand einer Region war wie auch an anderen Orten geplatzt. Zudem ergab sich im Zusammenhang mit dem Begriff der Berliner Republik für die Städte eine Konkurrenzsituation: Die mittleren bis großen Städte konkurrieren mit anderen Regionen und vor allem der neuen Hauptstadt um das beste Image. Wie wenig aber das jeweilige Image mit der Realität zu tun hat, zeigt sich daran, dass bspw. die kulturelle Attraktivität Berlins sehr hoch einzuschätzen ist, während es ökonomisch auf den untersten Plätzen im Städteranking rangiert.
Das neue Konsummodell der Eventkultur versprach nun die Rettung für Bremen, wie für viele andere Städte. Eine Kombination aus den Vergnügungs-, Freizeit- oder Wissenschaftsparks, die in den USA schon seit den 30er Jahren entwickelt wurden und "Kauf Parks", wie sie zuerst in den neuen Bundesländern aus dem Boden gestampft wurden, sollte die Rettung bringen - ein Themenpark mit wissenschaftlichem Touch. Die jeweils bestimmenden regionalen Probleme und Vorteile dienen dabei für eine spezifische Nutzung. Als Bremer Standortfaktor gilt der Sitz des Raumfahrtunternehmens DASA - DaimlerChrysler Aerospace. Pläne, das Modell einer Ariane Rakete aufzustellen und ein wissenschaftliches Ambiente einzurichten, waren ausschlaggebend dafür, hier das Thema Weltraum zu favorisieren - also ein Weltraumzentrum mit Edutainment.
Letztlich haben solche Zentren aber alle die gleiche Struktur. Um eine minimale inhaltliche Information gruppiert sich vor allem eines: eine gigantische Shoppingmall. Das Versprechen der Politiker ist immer, dass dieses permanent installierte Freizeitfestival die Massen anziehen wird und dadurch so viele Arbeitsplätze geschaffen werden, dass eine Strukturverbesserung der Region eintritt. Dabei müssten doch die Erfahrungen mit dem CentrO. in Oberhausen, das 1996 verheißungsvoll als größtes Erlebniseinkaufsparadies gestartet war Rückschlüsse auf ein Projekt wie Space Park zulassen.
Bereits die Planung des CentrO. war aus zwei Gründen undurchsichtig. Erstens versuchte der Oberstadtdirektor mit einer kommunalen Verwaltungsreform Instanzen zu umgehen. Zweitens wurde die Zusammenarbeit mit den privaten Planungsbüros fast zwei Jahre geheim gehalten. Diese Public Private Partnership stellte eine neue Dimension der Deregulation bei der Planung eines städtischen Großprojekts dar. Zwar lag die Vorplanungsphase aus Gründen der Unabhängigkeit schon immer bei privaten Planungsbüros, in Oberhausen kam es jedoch zu einem bisher unbekannten Zusammenspiel zwischen privatwirtschaftlicher Planung, der Politik und dem Investor.
Die Region um Oberhausen ist vergleichbar mit Bremen, weil es hier mit dem Erliegen der Montanindustrie zu einer hohen Arbeitslosigkeit kam (14%). Dort, wo 1758 die erste Eisenhütte entstanden war, sollte das CentrO. im Konzert mit anderen Einrichtungen als "Neue Mitte" einen Strukturwandel schaffen: als neues urbanes Konsum- und Freizeitzentrum. Das CentrO. ist im Ruhrgebiet "das größte Strukturwandelprojekt seit dem Bau des Opelwerks in Bochum in den 60er Jahren" (Pressemitteilung, CentrO. Fact Pack, 10.12.99).
Laut einem Gutachten des Bundesbauministeriums über das CentrO., das sich auch auf Bürgerumfragen beruft, haben sich die Einkaufsmöglichkeiten und die Verkehrsverbindungen verbessert ("Modellvorhaben Freizeitorientierte städtebauliche Aspekte im Zentrenkonzept der Stadt Oberhausen", Bundesbauministerium für Verkehr-, Bau- und Wohnungswesen). Mit der Situation Vertraute berichten jedoch, dass sich für außerhalb gelegene Wohngebiete die Verkehrsfrequenz verringert hat.
Auch die Besucherzahlen sind nur für die neuen Kultureinrichtungen mit populärem Programm, wie das Großausstellungshaus Gasometer gestiegen, während die der alteingesessenen Kulturinstitutionen (Ludwig-Galerie) zurückgegangen sind. Die Geschäfte in der Innenstadt von Oberhausen haben, trotz einer Finanzspritze der öffentlichen Hand in Höhe von 22 Millionen Mark für die Einkaufsstraße, starke Einbußen erlitten; gleiches gilt auch für die Städte des Umlands wie bspw. Dinslaken und Duisburg.
Für die Durchsetzung eines solchen Projekts, ist die Rhetorik und die visuelle Gestaltung sehr wichtig. Es wird eine spezifische Problemlösung versprochen, und mit Statistiken untermalt. Die Elemente der Raum- und Strukturplanung stellen sich somit zunehmend als Elemente der Visualisierung des Konsums in statistischen Schaubildern heraus. Denn, glaubt man den Planern dieser Einkaufsparadiese, wird dort in Zukunft immer mehr gekauft und konsumiert, weshalb die Parks sich auf jeden Fall rentieren sollen. Im Fall des CentrO. sowie des Space Parks gelten "Städtetourismus" und "Mehrtagestourismus" als magische Begriffe. Nach der Statistik des Bundesbauministeriums verdoppelten sich innerhalb von zwei Jahren in Oberhausen die Übernachtungszahlen.
Bezeichnenderweise bietet die vom Bundesministerium vorgelegte Untersuchung des CentrO. keine Angaben zum Arbeitsmarkt. Die geschaffenen Arbeitsplätze bewegen sich vor allem im unteren Dienstleistungsbereich, d.h. Reinigungs- und Wachpersonal, das oft auch keine festen Verträge erhält, sondern nur nach Bedarf arbeitet. Die Untersuchungen eines Ratsmitglieds der Grünen ergaben nach einem Jahr, dass von den 10000 versprochenen versicherungspflichtigen Arbeitsplätzen für das Gesamtprojekt "Neue Mitte Oberhausen" lediglich 4350 neu geschaffen worden waren. Weil von diesen Arbeitsplätzen aber 1600 unter der Steuerpflicht blieben, kam es zu Protestaktionen. Das Resümee lautet: Die Arbeitslosenzahlen haben sich insgesamt erhöht, obwohl das CentrO. subventioniert wurde. Insofern betreffen solche Projekte nur ein relativ kleines Segment des Arbeitsmarkts und vertuschen ihre Kurzfristigkeit.
Doch selbst wenn die Prognosen für das CentrO. sich erfüllt hätten, wäre abzusehen, dass die Wachstumszahlen schlagartig zurückgehen würden sobald jede auch nur mittelgroße Stadt ihren Mega-Einkaufspark eröffnet hätte. Das haben auch die derzeit reihenweise Pleite gehenden Musicals gezeigt, die noch vor kurzem irrsinnig hohe Wachstumszahlen aufwiesen. Zudem droht, wie die Untersuchung des Bundesministeriums im Fall des CentrO. andeutet, eine Übersättigung mit Großprojekten, die aus der Verbindung von Freizeit und Einzelhandel entstehen. Das Resultat wären "Freizeitbrachen".
Man kann dem Phänomen nicht ausweichen: Selbst wenn man diese Zentren nur als ärgster Kritiker besucht, wird man zu den Besuchern gezählt und unweigerlich zu einem statistischen Element ihres Erfolgs. Nach hundert Tagen zählte das CentrO. mehr als acht Millionen BesucherInnen. Die neue Form der Selbstdarstellung summiert alle Besucher rein quantitativ. Genauso gilt auch Kritik als gelungene PR. Offensichtlich ist die Öffentlichkeitsstrategie der PR-Agentur längst wichtiger als die Sache selbst.
Da bei der Planung der Erlebnisparks immer von nachhaltigen Strukturveränderungen gesprochen wird, lohnt es sich, dies einmal zu überprüfen. Nachhaltigkeit bedeutet kurz gesagt, einen schonenden Umgang mit der Natur; die Ökonomie soll zum Zweck der Wohlfahrt der Gemeinschaft und mit Verantwortung für die folgenden Generationen eingesetzt werden.
Nach den unsicheren Bewertungskriterien und den kurzen Verfallszeiten der Eventkultur trifft dies für die Themenparks jedoch nur insofern zu, als diese Begriffe im Zuge der politischen Diskussionen der 90er Jahre völlig umdefiniert wurden: Natur wird heute nicht als ein gewachsener ökologischer Bestand betrachtet - wie sollte dies in den Industriebrachen auch möglich sein, in denen die neuen Parks entstehen - sondern als geplante Parklandschaft, oft nach amerikanischem Vorbild mit Hydrokulturen und Glaskuppeln. Was dem Wohl der Gemeinschaft dient, entscheiden heute Planungsbüros im Auftrag der Politiker, und was für die Nachfolgegenerationen gut ist, legen Trendbüros fest.
Nach amerikanischen Erfahrungen gilt für Shoppingmalls, dass sie nach einem Zyklus von vier Jahren grundrenoviert werden müssen, um die Attraktivität zu erneuern. Dass dies nicht mit ökologischen Baustoffen und ressourcensparend geschieht ist augenfällig. Auch bedeuten die großen Glashallen einen extrem hohen Energieaufwand. Zusätzlich fördern gebührenfreie Parkplätze den Verbrauch fossiler Brennstoffe, was alles andere als nachhaltig ist.
Alle diese Zentren entstehen aus der Sehnsucht, die jeweils anliegenden Strukturprobleme durch Ästhetisierung im Sinne eines Gesamtkunstwerks zu lösen. Die Inszenierungsdifferenz zum kurzlebigen Sensationspotenzial der anderen Zentren scheint Teil der ökonomischen Konstruktion zu sein. Denn die BesucherInnen suchen schließlich schon am nächsten Wochenende Abwechslung in einem anderen Park.
Auch die Kunst bekommt eine Rolle: Um den beunruhigenden Anblick von "vorübergehend" leer stehenden Ladenlokalen zu vermeiden, dürfen dort KünstlerInnen und städtische Kultureinrichtungen Ausstellungen veranstalten, sog. "Gap-Art". Doch der eigentliche Künstler, der das Zentrum schafft, ist der Markt, und die Maschine, die es am laufen hält, ist der Konsum.
Als in den 70er Jahren noch von Ideologiekritik die Rede war, sprach man von Verführung durch die Warenwelt. Heute bedeutet, sich dem Konsum anzupassen, die Utopie der Strukturplanung zu fördern. Die Kritik der Verführung und des Konsums ist der Ästhetik der Illusion gewichen. Diese Strukturpolitik betrifft nur mehr einen Proporz - die eigene Selbstdarstellung und nicht die Allgemeinheit. Deshalb kann nicht mehr von einer Utopie gesprochen werden, die den Strukturverbesserungen zugrunde liegt. Es lässt sich eindeutig eine Tendenz zur Strukturplanung weg von nachhaltigen Entwicklungsgedanken beobachten.
Rückblickend könnte als Charakteristikum für unsere Zeit gelten, dass eine Verlagerung von kolonialistischen Aktivitäten auf den Bereich des Tourismus und des Einzelhandels im Innern stattfand (vgl. die Militärterminologie: "Masterplan Tourismus im Ruhrgebiet"): Der Verkauf von Konsumgegenständen und der Tourismus werden akribisch expansiv geplant, mit einer unterschwelligen Propaganda und verkaufsfördernder Musik beworben, mit Hightech aufgerüstet und mit aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen verknüpft.
Auffällig an diesem Kolonialismus nach innen ist, dass er eine Architektur und Formen von Geräten hervorbringt, die sich nicht mehr wie früher gegen einen exterritorialen Feind richten, sondern auch gegen die Menschen, die nicht diesem normierten Konsummodell folgen wollen oder können. Sie dürfen die Schwellen des Sicherheitssystems nicht überschreiten, sie bleiben draußen. In dieser inszenierten Welt herrscht ein neuer Gesellschaftsvertrag: Wer auf der Konsumentenseite nicht kauft oder wer auf der Pächterseite nicht genug verkauft, fliegt raus. Die Besucher sind zahlende Komparsen in einem gigantischen Werbespot des Neoliberalismus. Die Dokumentation wird von automatischen Kameras gleich mitgeliefert. Es bleibt die individuelle Wahl, ob man ein Foto möchte - fünf Minuten wird es vom Automaten gespeichert.
Da die Unternehmen dieser neuen Eventkultur schnell aufgelöst werden, falls ein Projekt Pleite geht, haftet letztlich der Auftraggeber. Im Falle des Space Parks ist das das Land Bremen, das schon vorher stark subventionierte. Dass die Zahlen schließlich schön rot sein werden, scheint absehbar. Schwarz ist nur der "Peter", den die Kurzzeitbeschäftigten und die Erwerbslosen danach in Händen halten werden.

Stefan Römer

Literatur zur kritischen Stadtentwicklung: K.Ronneburger/S.Lanz/W.Jahn, Die Stadt als Beute, Bonn 1999.



zum Anfang