Sozialistische Zeitung |
Der vom NRW-Bezirksleiter der IG Metall, Harald Schartau, mit seinem Widerpart von der Kapitalseite,
Martin Kannegießer, ausgehandelte Tarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie geht völlig an den vom IGM-Vorstand
zuvor verkündeten Zielen und geweckten Erwartungen vorbei.
Das Ergebnis lautet: bei einer Laufzeit von 24 Monaten 3% mehr Lohn ab
1.Mai, für März und April eine Einmalzahlung von jeweils 165 Mark, und ab dem 1.Mai 2001 2,1% mehr Lohn. Das ist weit
entfernt von der Marge Inflationsrate plus Produktivitätszuwachs, die in Abstimmung mit fünf europäischen
Metallgewerkschaften Zielvorgabe für die Forderungen sein sollte.
Allein die Preissteigerung liegt heute bei 2%, die Produktivität
dürfte pro Jahr um 3-4% steigen und somit vor allem der Kapitalseite zugute kommen. Das Abkommen über die Altersteilzeit
wurde zwar verbessert, aber den vom IG-Metall-Vorsitzenden Zwickel angepeilten individuellen Rechtsanspruch auf einen vorzeitigen
Ausstieg aus dem Arbeitsleben, die Rente mit 60, gibt es nicht; dies wäre eine Möglichkeit für 142000 Metallerinnen und
Metaller gewesen, die damit Arbeitsplätze für junge Menschen hätten freimachen können.
Nur beiläufig bekam die Öffentlichkeit mitgeteilt, dass Harald
Schartau auch darauf verzichtete, in den kommenden drei Jahren - also bis nach den Bundestagswahlen - die Verkürzung der Arbeitszeit
auf 32 Wochenstunden zu fordern.
Die bereits angeordneten Warnstreiks, zu denen sich viel mehr meldeten,
als in den Vorstandsetagen erwartet wurde (in Hessen allein waren es doppelt so viel wie vorgesehen!), wurden abgeblasen. Es wird deshalb
auch vergebliche Liebesmühe bleiben, junge Menschen als Mitglieder für die Gewerkschaft zu gewinnen. Wer aus den Medien
erfährt, dass ohne sein Zutun für ihn Vorteile ausgehandelt wurden, ohne dass er, wie die Kölner sagen, den Arsch
dafür hochheben musste - warum sollte der sich organisieren?
"Offen ist", kommentierte Friedrich Sickmeier aus Hamburg im
ND (31.3.), "wieweit der Sozialdemokrat Schartau seinen Parteifreunden vor der Landtagswahl im Mai einen in seiner Wirkung nicht zu
kalkulierenden Streik ersparen wollte. Immerhin gilt der Gewerkschafter als aussichtsreicher Kandidat für einen Posten im
nächsten Kabinett von Ministerpräsident Clement." So gäbe es doch zumindest einen Gewinner!
Bezirksleiter Berthold Huber ist erbost darüber, dass seine Baden-
Württemberger als "Minenhunde" missbraucht wurden. Er hatte, als Gegner der von Zwickel propagierten Rente mit 60,
Martin Kannegießer vom Metallarbeitgeberverband ein neues Altersteilzeitmodell überreicht. Genau damit hat dieser in NRW
abgechlossen, weil er wusste, dass er dort niedrigere Lohnprozente erreichen würde. Huber nannte dies "Tarifflucht aus Baden-
Württemberg" und hat jetzt den Ärger, weil die Mitglieder in den gewinnträchtigen Großbetrieben seines Bezirks
mit dem mageren materiellen Ergebnis unzufrieden sind. Zugleich ist so gut wie sicher, dass bei manchen Großbetrieben in
Nachverhandlungen noch Sonderleistungen herausgeholt werden. Das aber ist nicht eben förderlich für die Solidarität in der
Gewerkschaft.
Bei all dem bleibt unbegreiflich, warum der geschäftsführende
Vorstand der IG Metall sich von einem angestellten Bezirksleiter (im Gegensatz zu den örtlichen Bevollmächtigten wird dieser
nicht gewählt) auf die abschüssige Bahn des Beispiels locken ließ, das der Vorsitzende der IG BCE, Hubertus Schmoldt,
vorgegeben hatte. Es sei denn, das "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit" ist ihm
inzwischen ans Herz gewachsen, weil er der Regierung des SPD-Bundeskanzlers Gerhard Schröder keinen Kummer bereiten will. Fragt
sich nur, ob die Mitglieder dies auch so sehen weden, wenn die augenblickliche Konjunktur noch eine Zeit anhält und von ihr allein die
Kapitalbesitzer den Rahm abschöpfen.