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Am 2.Februar wurde ein UN-Bus, der Serben von Mitrovica nach Skenderaj (Srbica) fuhr, von einer
Panzerabwehrrakete beschossen; zwei Serben wurden getötet, zahlreiche andere verwundet. Der Bus wurde von KFOR-Einheiten
begleitet - ein weiterer Beweis für deren Unfähigkeit, die Sicherheit der ortsansässigen Bevölkerung, vor allem der
serbischen, zu garantieren. Das Attentat fand in der Region Drenica statt, der Wiege der UÇK und aller aufständischen Bewegungen im
Kosovo. Die Buslinie war eine der wenigen noch bestehenden Verbindungen zwischen Mitrovica und den wenigen Serben, die noch isoliert in
Skenderaj leben. Ort und Art des Attentats lassen darauf schließen, dass Albaner die Urheber waren.
Am 3.Februar wurde in Mitrovica ein Brandanschlag auf ein serbisches
Café verübt. Die jugoslawische Nachrichtenagentur Tanjug sprach davon, dieser Anschlag habe "ethnische
Zusammenstöße" in der Stadt ausgelöst. Andere Nachrichtenagenturen wie AFP und Associated Press berichteten
jedoch, vor dem Anschlag auf das Café hätten Serben Jagd auf Albaner und Moslems gemacht, in deren Verlauf drei Albaner
getötet worden seien. Dies geschah eine halbe Stunde vor dem Anschlag auf das Café. Die "ethnischen
Zusammenstöße", die darauf folgten, forderten 11 Tote, darunter zwei Türken, der Rest Albaner. Viele von ihnen sollen
"kaltblütig in ihren Häusern niedergemacht und ein großer Teil der wenigen im Norden von Mitrovica noch wohnenden
Albaner in die Flucht geschlagen worden" sein (Notizie Est, Nr.311). Am 7.Februar führte der örtliche Serbische Nationalrat
im Norden von Mitrovica eine Demonstration durch, bei der hochrangige Vertreter desselben die Menschenjagd lobten (AFP, 7.2.).
Die gewaltsamen Auseinandersetzungen von Anfang Februar folgen zeitlich
auf eine Reihe von politischen Entscheidungen auf albanischer wie auf serbischer Seite: Am 31.Januar hat sich die von Hasim Thaqi
geführte Provisorische Regierung aufgelöst; am 2.Februar das Schattenparlament von Ibrahim Rugova - beidesmal zugunsten der
neuen UN-Regierung Transitional Administrative Council of Kosovo. Auf serbischer Seite hatte zwei Tage vor Ausbruch der Gewalttaten der
Serbische Nationalrat des Kosovo in Gracanica getagt, bei sich dem ein Teil der Delegierten für die Teilnahme an der neuen UN-
Regierung aussprach.
Am 13. und 19.Februar folgten zwei weitere Wellen bewaffneter
Auseinandersetzungen; sie spielten sich ausschließlich zwischen Albanern und KFOR-Einheiten ab, die Schießereien zogen sich
teilweise über Stunden hin. Keine der internationalen Organisationen hat genauere Informationen oder Erklärungen darüber
preisgegeben. Neben französischen sollen auch deutsche, dänische, britische und italienische Soldaten beteiligt gewesen sein. AFP
zufolge haben sich die Zusammenstöße am 13.Februar vorwiegend im Stadtteil Bosnjacka Mahala abgespielt.
Das Viertel ist eine Hochburg der Republikanischen Partei von Skender
Hoti. Das ist eine radikale Gruppierung, die bis vor kurzem Teil der Koalition LBD war, die von Rexhep Qosja und seiner Partei LDS
geführt wird, und sich von ihr abgespalten hat. Zu dieser Koalition gehörten auch andere radikale Gruppen. Im vergangenen
Dezember war das Büro der Republikanischen Partei in Bosnjacka Mahala durch einen Bombenanschlag zerstört worden; das war
zeitgleich mit dem Geheimtreffen zwischen Qosja, Thaqi und Rugova, das Kouchners neuem Vorschlag für eine UN-Regierung zustimmte.
Die radikalen Gruppen, Abspaltungen der UÇK, hatten sich gegen den Vorschlag ausgesprochen; sie sind von der Beteiligung an der Regierung
ausgeschlossen.
Notizie Est berichtet, es sei der KFOR gelungen, mögliche Zeugen
von der Razzia, die sie am 13.Februar in Bosnjacka Mahala veranstaltete, fernzuhalten. "Dies lässt darauf schließen, dass es
sich vielleicht doch nicht um eine improvisierte und spontane Aktion [der KFOR] gehandelt hat, nachdem die Stadt seit einer Woche im
Zentrum der Aufmerksamkeit der ganzen Welt stand." Die Frage ist: Auf wessen Veranlassung handelte die KFOR?
Am 19.Februar rückten 350 US-amerikanische Truppen nach Nord-
Mitrovica ein. Tags drauf führten sie zusammen mit französischen Truppen im Nordteil, deutschen und italienischen Truppen im
Südostteil, britischen und kanadischen Truppen im Südwestteil der Stadt eine breit angelegte "Teppichfahndung" durch.
Am gleichen Tag machte Kouchner Milosevic für die Spannungen in Mitrovica verantwortlich; er habe sie von langer Hand geplant.
Einen weiteren Tag später, am 21.Februar, setzte sich ein Marsch
von ca. 60000 Albanern in Richtung Mitrovica in Gang, von denen die Hälfte in die Stadt einzog und einige tausend bis zur Brücke
vordrangen, die den albanischen vom serbischen Stadtteil trennt. Dort sollen sie laut AP versucht haben, eine britische Straßenblockade
zu durchbrechen, wurden aber von dahinter stehenden französischen Soldaten mit Tränengas vertrieben.
Am 27.Februar eröffnete sich in Südserbien eine neue Front. In
der mehrheitlich von Albanern bewohnten Region wurden ein Polizist und ein bewaffneter Albaner getötet. In dieser Region operiert die
UÇPMB, die Befreiungsarmee für Presheve, Bujanoc und Madvegje. Offizielle Vertreter der UÇPMB behaupten, die Truppe setze sich
ausschließlich aus örtlichen Bewohnern zusammen, andere Quellen sagen, es handele sich um ehemalige Mitglieder der UÇK aus
Kosovo. Die International Crisis Group zitiert in einem ihrer Berichte anonyme Quellen, wonach auch die LKÇK, eine radikale Gruppe, die mit
Thaci wegen der Beteiligung an der UN-Regierung gebrochen hat, in Südserbien operieren soll.