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Als erste Nord-Kampagne der internationalen Entschuldungsbewegung Jubilee 2000 hat sich das kanadische
Netzwerk hinter das Süd-Netzwerk Jubilee-South gestellt. Auch die KanadierInnen bezeichnen in einer Resolution vom Ende des
vergangenen Monats die Kölner Schuldeninitiative als völlig unzureichend. Die vagen Formulierungen ihrer Petitionen im
vergangenen Sommer anlässlich des G7-Gipfels in Köln seien gleichzeitig "Stärke und Schwäche" von
Jubilee 2000 gewesen.
"Wie sollte man ‚ärmste Länder definieren, wie
‚unbezahlbare Schulden", fragen sie rückblickend. Die nationalen Kampagnen entwickelten sehr unterschiedliche
Interpretationen.
Während sich die deutsche Erlassjahrkampagne weitgehend an den
Kriterien des Internationalen Währungsfonds (IWF) orientierte und bei den politischen Entscheidungsträgern um Prozente für
die Länder mit niedrigem Einkommen (LDC) feilschte, schloss die Interpretation der KanadierInnen auch die Schulden der Länder
mit offiziell "mittlerem Einkommen" ein.
"Wir in Kanada sind sehr spät zu Jubilee 2000 gestossen, als
die Engländer die Kampagne schon längst ins Leben gerufen hatten", so die jüngste Resolution des kanadischen
Jubilee-2000-Netzwerks. Der englische Aufruf zirkulierte damals schon in Kanada, und ihnen sei zunächst nicht viel mehr
übriggeblieben, als seine beengte Sichtweise auf dem ersten landesweiten Treffen zu kritisieren: die britische Kampagne
beschränkte sich auf die Länder mit niedrigem Einkommen und erwähnte nicht einmal die Strukturanpassungsprogramme des
Internationalen Währungsfonds (IWF), eines der konstituierenden Elemente der Verschuldung in der Dritten Welt.
Die kanadische Kampagne kritisiert auch die neuen Auflagen des IWF zur
Armutsbekämpfung, die im Kontext der Versuche der internationalen Finanzinsitutionen gesehen werden müssten, denen es um den
Erhalt und die Erweiterung ihrer Macht gehe.
"Während die Rhetorik der neuen Programme die
Armutsbekämpfung auf ihre Fahnen schreibt, lehren uns die aktuellen Dokumente über die operationelle Umsetzung etwas
anderes", so die Resolution. Nach wie vor seien die makroökonomischen Politikansätze ausschlaggebend: Wechselkurse,
Steuer- und Haushaltspolitik.
Der Weltbank, die von einigen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) als
potenzielle Bündnispartnerin beim Kampf gegen die Armut angesehen wird, erteilen die KanadierInnen ebenfalls eine Absage. Das
größte Problem sei die "Unvereinbarkeit der zwei Rollen, die die Bank inne habe": als Kreditgeberin mit
entsprechenden Zinssätzen und als Institution der Armutbekämpfung.
Die Weltbank selbst musste in ihrem jüngsten Bericht zugeben, dass
ihre Kredite nicht dazu beitragen, "die Armut direkt zu bekämpfen".
In der nächsten Etappe sollte Jubilee 2000 alle Konditionen, die an
einen Schuldenerlass gebunden werden, als "undemokratischen Gewaltakt gegen die Souveränität" zurückweisen,
schlägt das kanadische Netzwerk vor. Die "Haltung von Jubilee South, alle Bedingungen abzulehnen, fordert uns heraus, mit ihnen
gemeinsam die Beendigung aller Strukturanpassungsprogramme zu fordern und nicht nur ihre Modifizierung", so Jubilee 2000 Kanada.
"Es kann keine effektive Wiederherstellung der Nord-Süd-
Beziehungen oder wirkungsvolle Aktionen gegen die Verschuldung geben, wenn die Menschen des Südens nicht direkt beteiligt
sind", erklären die KandierInnen.
Folglich lehnen sie auch Reformansätze für den IWF oder die
Welthandelsorganisation (WTO) ab. Sie gestehen jedoch gleichzeitig ein, dass es nicht leicht sein wird, diese Institutionen abzuschaffen.
Statt neuen Krediten, die die Spirale der Verschuldung nur weiter
beschleunigten, fordert der Alternativvorschlag des kanadischen Netzwerks die Möglichkeit für betroffene Länder, ihre
Schuldenzahlungen einzustellen, sollten diese in eine Finanzkrise geraten.
"Die Kampagnen des Nordens dürfen keine Prioritäten
setzen, denen die Gruppen im Süden folgen sollen", so die Resolution, "Solidarität erfordert einen aufrichtigen Dialog
zwischen den Gruppen des Südens und des Nordens, um innerhalb der Kampagne ergänzende Antworten zu finden, die den
unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Ländern entsprechen."
Das kanadische Netzwerk will weiter gehen, als "nur die
Regierungschefs der G7" mit ihrer Lobbypolitik zu bearbeiten und vielmehr Kampagnen anstoßen, die auch die "sozialen,
politischen und ökologischen Schulden des Nordens gegenüber dem Süden wahrnehmen".
Internationale Solidarität sei "kein Akt der Wohlfahrt, sondern
ein Vorgang, der alle Partner vereinige, die auf unterschiedlichen Terrains für dieselben Ziele kämpfen", schließt das
kanadische Netzwerk seine Resolution.
Gerhard Klas