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Als eindeutige Umkehrung seiner vergangenen Politik hat der US-amerikanische Gewerkschaftsdachverband
AFL-CIO am 16.Februar eine sofortige Amnestie für Einwanderer ohne gültige Papiere gefordert sowie die Aufhebung von
Sanktionen gegen Unternehmer, die sie beschäftigen. "Die Sanktionen sind gescheitert und müssen abgeschafft werden",
so die AFL-CIO.
Der Exekutivrat der AFL-CIO erkannte, was Organisationen für die
Rechte von Einwanderern schon seit Jahren sagen - dass die Einwanderungsgesetze es den Unternehmen ermöglicht haben, Arbeiter ohne
Papiere auszubeuten, "und so die Rechte aller Arbeitenden in Frage stellen".
Einige Gewerkschaften und Gruppen für die Rechte von
Einwanderern, insbesondere an der Westküste, haben diese Änderung der Politik schon seit vielen Monaten gefordert. Es gelang
ihnen, die Angelegenheit auf dem AFL-CIO-Kongress im vergangenen Oktober vorzubringen, wo der Exekutivrat beauftragt wurde,
darüber zu entscheiden. Zur selben Zeit demonstrierten 15.000 Menschen, aufgerufen von der National Coalition for Dignity and
Amnesty, in Washington für eine sofortige Amnestie für Arbeiterinnen und Arbeiter ohne Papiere.
1986 hatte die AFL-CIO noch Sanktionen gegen Unternehmer und
verschärfte Einwanderungskontrollen unterstützt - mit dem erklärten Ziel, illegale Einwanderer vom Arbeitsmarkt
fernzuhalten und eine Senkung der Löhne zu verhindern. Während die Sanktionen Strafen für Unternehmer vorsahen, die
Arbeiter ohne Papiere anstellten, hatten sie in der Praxis den gegenteiligen Effekt.
"Der Zwang hat sich gegen die Arbeiter ohne Papiere
gerichtet", meint Cathy Tactaquin, Leiterin des National Network for Immigrant and Refugee Rights. "Ihre Wirkung war eine
verstärkte Kriminalisierung der Arbeitenden, während nur wenige Strafen gegen Unternehmer verhängt wurden, die Arbeiter
ohne Papiere angestellt hatten."
Die neue Politik der AFL-CIO will die Sanktionen gegen Unternehmer
durch ein System ersetzt sehen, das "harte Strafen gegen Unternehmer verhängt, die den Einwanderungsstatus von Arbeitern
missbrauchen, um Arbeiterrechte und die Arbeitsschutzbestimmungen zu umgehen".
Da diese neuen Strafen nicht von der Einwanderungsbehörde (INS)
für ihre Zwecke verwendet werden könnten, kämen sie allen Arbeiterinnen und Arbeitern zugute. "Unternehmer, die
Arbeiter ohne Papiere anstellen, sind Unternehmer, die erwiesenermaßen alle Beschäftigten ausbeuten - unabhängig von
ihrem Status", so Tactaquin. "Sie werden generell der Verletzung des Arbeitsrechts beschuldigt, aber nie dafür belangt. Wir
wollen eine strenge Ahndung solcher Verstöße, von der alle Arbeitenden profitieren, ungeachtet ihres Status."
Neben der Abschaffung der Sanktionen gegen Unternehmer ist das zweite
Kernstück der neuen AFL-CIO-Politik ein Aufruf zur bedingungslosen Amnestie für Arbeiter ohne Papiere und ihre Familien.
Die Kehrtwende des Verbands in dieser Frage ist das Resultat der
jahrelangen Organisierung durch Einwanderer und ihren Fürsprechern. "Dies zeigt die Macht der Latino-Arbeiter in der
Arbeiterbewegung", meint Baldemar Velasquez, Vorsitzender des Farm Labor Organizing Committee (FLOC).
Die AFL-CIO hatte eine Reihe von Versammlungen geplant, auf denen
Fragen der Einwanderung diskutiert und die Stimmung der Mitglieder ausgelotet werden sollte, doch der Exekutivrat stimmte für die
Änderung der Politik, noch bevor diese Versammlungen stattfanden.
Interessanterweise hat die US-Handelskammer aufgrund eines engen
Arbeitsmarkts und aus Furcht vor steigenden Zinsraten den Aufruf der AFL-CIO nach Amnestie unterstützt. "Die Arbeitslosigkeit ist
auf dem tiefsten Stand der letzten 30 Jahre, und in einigen Regionen und Industriezweigen haben wir Vollbeschäftigung",
äußerte sich ein Sprecher der Kammer. "Um konkurrenzfähig zu bleiben und weiter wachsen zu können,
benötigen unsere Mitglieder mehr Arbeitskräfte für neu entstehende Jobs."
Während die Handelskammer für die Amnestie und für
ein Ende der Sanktionen gegen Unternehmer eintritt, ist die Verbesserung der Arbeitsschutzgesetze und eine Erweiterung der Rechte von
Einwanderern eine andere Sache. Die AFL-CIO hat dazu aufgerufen, "Arbeitern ohne Papiere einen geschützten
Einwanderungsstatus zu geben, die Verletzungen der Arbeitsgesetze durch die Unternehmer melden". Darüber hinaus fordert der
Verband, dass alle Arbeiter ohne Papiere eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis erhalten, die im Rahmen ihrer Verhandlungen mit den
Unternehmern eine Gewerkschaft gründen. Dies würde illegalen Beschäftigten einen großen Anreiz geben,
Unternehmerwillkür anzuprangern und sich Gewerkschaften anzuschließen.
Laut Cathy Tactaquin gibt es für einen solchen Vorschlag bereits ein
Vorbild: "Die Equal Employment Opportunity Commission (EEOC) hat vor einigen Monaten ihre Position in Bezug auf den Schutz der
Arbeiter ohne Papiere klargelegt. Nach den EEOC-Richtlinien haben Arbeiter unabhängig von ihrem Status das Recht, gegen
Diskriminierung am Arbeitsplatz zu protestieren." Die EEOC vertritt die Position, dass illegale Einwanderer "vor Abschiebung
geschützt werden sollten, wenn sie dieses Recht wahrnehmen".
Die AFL-CIO muss noch ein konkretes Programm entwickeln, um die
Amnestie durchzusetzen, aber die neue Politik weist der Arbeiterbewegung zumindest den Weg in die richtige Richtung. "Ich bin nicht
sicher, wie schwierig es wird, dass sich die AFL-CIO wirklich bewegt, denn es gibt eine Reihe von Gewerkschaftern, die gegen die Amnestie
sind, aber zumindest wird dies zu einer ernsthaften Debatte führen", meint Baldemar Velasquez.
Teofilo Reyes (Labor
Notes)