Sozialistische Zeitung |
Fast tausend Menschen versammelten sich am 29. und 30.Januar 2000 im größten Saal der
Lissaboner Universität, um "zuzuhören, zu diskutieren und aufeinander zuzugehen" und eine neue politische Formation
zu gründen: den Bloco de Esquerda, den Block der Linken. Die 1.Konferenz des Blocks verabschiedete Statuten und ein Programm und
wählte eine Führung. Obschon immer noch eine kleine Minderheit hat der Block das politische Monopol durchbrochen, das die
Portugiesische Kommunistische Partei (PCP) seit über einem halben Jahrhundert über die nichtsozialdemokratische Linke
ausübt.
Wenngleich der Prozess der Annäherung der drei an der Bildung des Blocks beteiligten Parteien (die ehemals
proalbanische UDP; die PSR, Sektion der IV.Internationale; Política XXI, eine Abspaltung der PCP) schon seit 1991 stattfand, ist die
Einheit erst im vergangenen Jahr zur Realität geworden - bei den Wahlen zum nationalen und zum europäischen Parlament.
Die Mitgliedschaft im Block ist individuell, aber die Parteien haben sich
nicht aufgelöst - sie behalten ihre Presse, ihre Versammlungen und Programme, aber sie haben keine besonderen Rechte in der neuen
Organisation. Die öffentliche Aktivität wird vom Block ausgeübt und seine gewählten Abgeordneten werden mit ihm
identifiziert, egal ob sie Mitglieder einer der drei Parteien sind oder nicht.
Im Leitungsgremium des Blocks (mesa - Tisch) sind einerseits die
unabhängigen Mitglieder und andererseits die Mitglieder der Parteien jeweils zu gleichen Teilen vertreten. Aber alle Mitglieder der
Leitung werden vom Kongress gewählt - die Parteien machen Vorschläge, aber allein die Mitglieder entscheiden.
Bislang hatte es zwischen den Parteien einen Grad der politischen
Übereinstimmung gegeben, der die Entwicklung von Analysen und Forderungen sowie die Ausarbeitung zweier Wahlprogramme
ermöglichte. Doch hatte es noch keine Übereinkunft in Bezug auf ein Grundsatzprogramm gegeben.
Laut provisorischen Schätzungen hat der Block bereits etwa 1600
Mitglieder in 15 der 20 Regionen des Landes - vor jeder systematischen Rekrutierungskampagne. Die Vorbereitungskommission schlug eine
nationale Versammlung vor, auf der alle, die dem Block mindestens eine Woche vorher beigetreten sind, das Recht haben sollten zu reden,
abzustimmen, die Führung zu wählen und in die Führung gewählt zu werden.
Auf dem Kongress gab es vier Berichte mit anschließenden Debatten:
zu den Aktivitäten im vergangenen Jahr, zu den Statuten, zur politischen Resolution und zur Wahl der Leitung.
Reformistische
Minderheit
Die Festlegung der Ziele und der Charakter der Partei beherrschten die Diskussion über die Statuten. Eine
reformistische Minderheit innerhalb von Política XXI präsentierte eine Reihe von Abänderungen zum Haupttext. In Artikel
1, wie er von der Kommission vorgeschlagen worden war und auch vom Kongress angenommen wurde, heißt es: "Die Bewegung
verteidigt … die Perspektive des Sozialismus als Ausdruck des Emanzipationskampfs der Menschheit gegen Ausbeutung und
Unterdrückung."
Die reformistische Strömung in Política XXI schlug
stattdessen vor: der Block "betrachtet den Sozialismus als historischen Hauptfaktor bei der Demokratisierung und Zivilisierung des
Kapitalismus" und "erkennt die Bedeutung des Marktes an, ohne seiner bedingungslosen Freiheit irgendeinen inneren Wert
beizumessen … Ohne ihre Unterordnung unter die von der Gemeinschaft definierten Werte ist Demokratie unmöglich … [Der Block]
verteidigt und fördert eine zivile Kultur der Teilhabe und demokratischen politischen Aktion im Rahmen des Rechtsstaats und des
Respekts für die Menschenrechte. Sozialismus ist die Bezeichnung für die soziale Umgestaltung auf Grundlage dieser
Prinzipien."
Die andere entscheidende Debatte betraf den Charakter der neuen
Bewegung. Die Verbindung mit der vorangegangenen Debatte ist logisch. Die Entscheidung für eine wirkliche gesellschaftliche
Alternative zum Kapitalismus hat natürlich Auswirkungen auf der Ebene der Strategie - (parlamentarischer) Gradualismus oder Bruch mit
dem bürgerlichen Staat - und daher auch auf den Typ von Bewegung oder Partei. Der soziale und politische Radikalismus des Blocks
erfordert eine aktive Partei, zentralisiert und an der Basis organisiert. Die Minderheit in Política XXI wandte sich dagegen. Sie schlug
die Streichung einer Anzahl bedeutender und symbolträchtiger Artikel der Statuten vor, insbesondere einen Abschnitt, der die Mitglieder
des Blocks verpflichtet, "die politischen Ziele der Bewegung zu verteidigen und dementsprechend zu handeln". In derselben Logik
war sie auch prinzipiell gegen die Bildung von "Mitgliederkernen" und die ihnen zugewiesenen konkreten
Aufgaben.
Programm für Europas Linke
Das Programm des Blocks sollte von der gesamten militanten Linken in
Europa (und anderswo) gelesen werden. Die Erneuerung von Sprache und Stil ist frappierend. Unter der Überschrift "Eine neue
politische Realität" betrachtet sich der Block als eine "universalistische Linke, die auf Solidarität gründet".
Seine radikale Opposition zur Globalisierung kommt in der Anklage gegen eine "Zivilisation der Ungerechtigkeit" zum Ausdruck.
Das dritte Kapitel, "Linke Europapolitik: ein neuer Vertrag",
das das Europa des Marktes ablehnt, steht im Rahmen einer Strategie für die "Neugründung Europas", das sich im
Wesentlichen auf die Beschäftigung und die Charta der Menschenrechte stützt. Dann folgen "Der Weg zu einer neuen
Linken" und "Ein Block in Form einer Bewegung".
Die politisch-institutionellen Bedingungen sind für die Linke in
Portugal relativ günstig im Vergleich zu den meisten anderen europäischen Ländern. Aber der Führungskader des
Blocks hat diese Bedingungen bislang auch gut ausgenützt.
Dies widerspiegelt die Erfahrung der portugiesischen Revolution
(1974/75), in der die UDP und die PSR reale Akteure waren, aber auch die Erfahrung ihrer Niederlage, die für eine ganze Generation
von Aktivisten ein harter Schlag war. Diejenigen, die den Kampf nicht aufgaben, mussten sich nun mit der portugiesischen Gesellschaft mittels
des allgemeinen Wahlrechts und der gewählten Institutionen auseinandersetzen. Diese Entwicklung, wie auch die politischen
Wandlungen, die die drei Komponenten des Blocks im vergangenen Jahrzehnt durchmachten, erklären ihre Fähigkeit den Raum
für ihre Konvergenz und ihre genuine soziale Verankerung zu schaffen.
Neuformierung der Linken
Der vom Block
vorgeschlagene Gesetzentwurf über "religiöse Freiheit und die Säkularisierung des Staates" ist unter diesem
Aspekt beispielhaft. Er betont die individuelle Gewissensfreiheit und die demokratischen Rechte der Kirche als einer privaten Organisation
und vertritt gleichzeitig einen radikalen Bruch mit der Bevormundung der öffentlichen Institutionen durch die Kirche. Er hat zu einer
breiten Debatte geführt und zu einer Spaltung in der sozialdemokratischen PS.
In einer Reihe von Resolutionen schlägt der Block vor,
parlamentarische und außerparlamentarische Initiativen für die Neuformierung der Linken zu ergreifen, in Portugal und in Europa.
Auf internationaler Ebene befürwortet der Block "Treffen mit Strömungen und Formationen der neuen Linken,
Linkssozialisten, Kommunisten, Umweltschützern und demokratischen nationalen Bewegungen", besonders in Form eines
internationalen Seminars im nächsten Jahr in Portugal zu den Grundrechten in der Europäischen Union.
Der Block kündigte eine Reihe großer Kampagnen an, vor
allem gegen Steuerhinterziehung und das Bankgeheimnis sowie für die Legalisierung der Abtreibung und zu sexuellen Grundrechten. Die
letzte Resolution behandelt "die Intervention in den sozialen Bewegungen und ihre Autonomie". Die Gründung einer
Jugendorganisation ist nicht unmittelbar geplant, wohl aber eine Konferenz zu diesem Thema.
Zu den Gewerkschaften befürwortet der Block den Einsatz
"für eine neue Gewerkschaftstendenz" sowie Versammlungen und Konferenzen, die "zur Erneuerung der Ideale und
Praktiken der portugiesischen Gewerkschaftsbewegung beitragen".
"Zuhören, diskutieren, aufeinander zugehen", der erste
Kongress des Blocks der Linken war ein wertvoller Schritt zur Erneuerung der Linken.
François Vercammen