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"Iran nach den Parlamentswahlen - Die Reformdynamik der Islamischen Republik" - unter diesem Titel veranstalten die
Grünen und die Heinrich-Böll-Stiftung im April eine Tagung in Berlin. Die Organisatoren priesen die Tagung als "Erstes
gemeinsames Forum für religiöse Reformer und iranische Oppositionelle". Oppositionelle iranische Flüchtlinge, die in
den 80er Jahren vor dem islamistisch-fundamentalistischen Regime aus dem Iran geflohen waren, brachten mit Pfiffen und Buh-Rufen ihren
Protest gegen die Teilnahme von Islamisten zum Ausdruck.
Seit dem Tod von Ayatollah Khomeini hat sich im Iran ein Machtkampf
entwickelt zwischen dem im Westen als gemäßigt geltenden Flügel von Staatspräsident Mohammad Khatami und dem
Flügel von Ayatollah Ali Khamenei, dem geistlichen Oberhaupt im Iran. Bei diesem Machtkampf geht es allerdings weniger um
politische Inhalte, sondern mehr um Machteinfluss. Um einen Kurswechsel in Richtung Demokratisierung geht es in den politischen
Auseinandersetzungen im Iran nicht.
Auslöser der jüngsten politischen Ereignisse im Iran war die
Ausstrahlung einer Konferenz von Khamenei-Anhängern, die im staatlichen Fernsehen gesendet wurde. Bei mehreren
Straßenaktionen hetzten diese gegen Khatami-Anhänger. Ergebnis dieser Hetze war die Schließung von 17 Zeitungen und
Zeitschriften, die von ihrer Ausrichtung her dem Flügel der "Reformer" zuzuordnen waren.
"Viele Wähler haben auf die Frage, warum sie ihre Stimme
Khatami gegeben haben, geantwortet, dass es keinen Unterschied zwischen Khatami und Khamenei gebe", erklärte Azer Drehjan,
eine Vertreterin des iranischen Frauenverbands 8.März, gegenüber der SoZ. Auch die jüngsten Studentenunruhen hätten
gezeigt, dass die Bevölkerung unzufrieden ist.
"Die Opposition sieht ihre Aufgabe darin, die Auseinandersetzungen
zwischen den reaktionär-islamistischen Flügeln weiter zu vertiefen und eine neue Alternative zu entwickeln", so Drehjan.
"Die Tatsache, dass trotz Druck und Repression mehr als 10 Millionen Menschen nicht zur Wahlurne gegangen sind, ist bedenklich."
Die Opposition fordere die strikte Trennung zwischen Religion und Staat.
Die Herrschenden im Iran, ob Khamenei oder Khatami, halten jedoch beide
an ihrer strengen Linie fest. Oppositionelle Stimmen werden nach wie vor brutal und repressiv unterdrückt. In der Zeit Khatamis haben
Massenverhaftungen, die Bekämpfung der Opposition und Hinrichtungen zugenommen. Gemeinsames Ziel von Khamenei und Khatami ist
die Erhaltung der islamistisch-fundamentalistischen Macht.
Auf der Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung haben oppositionelle
Gruppen die Anwesenheit von sogenannten Reformern auf Veranstaltungen der Grünen als eine große "Schande und
Beleidigung" gegen die iranischen Flüchtlinge im Ausland kritisiert.
Doch die Grünen hatten andere Hoffnungen mit der Tagung
verbunden, ohne dabei an die Konsequenzen und politischen Auswirkungen zu denken. Sie wollten sich als Träger eines Dialogs
profilieren, der zwischen den sogenannten "Reformern" und den iranischen Oppositionellen geschaffen werden sollte. Kritische
Stimmen sind da nicht erwünscht. Von massiven Störungen "durch sektiererische Gruppen" der iranischen
Exilopposition berichtete Ralf Fücks vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung.
"Mit einer 20-jährigen blutigen Vergangenheit kann man nicht
ohne weiteres an einem Tisch sitzen und eine freundliches Gespräch führen" sagt Azer Drehjan. "Als die Grünen
noch in der Opposition waren, kritisierten sie die islamische Republik Iran scharf. Doch jetzt versuchen sie, die Europavertretung Khatamis zu
übernehmen" sagte eine Tagungsteilnehmerin. "Wir sehen diese Haltung als Verrat an."
"Es ist uns nicht fremd, dass die Europäer heute Khatami
unterstützen", sagte Azer Drehjan. "1979 haben viele Europäer Khomeini unterstützt. Jetzt versuchen sie,
über die Medien die Modernisierung des Iran darzustellen. Doch unsere Frauen wollen mehr. Sie wollen offen reden und ihre Meinung
sagen. Sie möchten sich frei kleiden, wie sie es wollen."
Rusen Can