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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.11 vom 25.05.2000, Seite 8

Die Imagekampagne des DGB

"Zeitlich befristete Jobs sind die Zukunft. Die Expo-Mitarbeiter leben schon jetzt die Zukunft der Arbeit", meint pathetisch die Personalleiterin der Weltausstellung, Hedda Mente. Flexible Arbeitszeiten, befristete Stellen, Arbeitszeitkonten und eine Lohnskala, die den Bestverdienenden auf der Expo, darunter Handwerksmeister, nicht einmal den Tariflohn eines Zimmermannsgesellen zugesteht, kennzeichnen die Arbeitsbedingungen auf der Weltausstellung in Hannover. 7000 der insgesamt 23000 Beschäftigten vermittelt Adecco, eine der weltweit größten Zeitarbeitsfirmen, die mit der Expo GmbH einen Exklusivvertrag zur "Arbeitnehmerüberlassung" abgeschlossen hat. Die übrigen sind Beschäftigte der Deutsche Messe AG; einige Aussteller und Gastländer bringen ihr eigenes Personal mit.
Die Gewerkschaften sind als Sponsoren mit einer Einlage von zehn Millionen Mark "Führungspartner" der Expo und entsenden auch Vertreter in den Aufsichtsrat der Weltausstellung. Erst durfte der Vorsitzende des DGB, Dieter Schulte, an der Seite der ehemaligen Treuhandchefin Birgit Breuel sitzen, seit März repräsentiert IG-Metall-Chef Zwickel die deutschen Gewerkschaften. Als "Partner für Politik und Wirtschaft" - so Schulte zum sozialpartnerschaftlichen Selbstverständnis des DGB auf der Expo - sind die Gewerkschaften nicht nur für die Ausgestaltung der Weltausstellung, sondern auch für die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zuständig.
Weil die Gewerkschaften den Widerspruch zwischen dem "anspruchsvollen Motto ‚Mensch-Natur-Technik‘ sowie ‚Zukunft der Arbeit‘" und fehlenden Tarifverträgen nicht zulassen wollten, schickten sie den IG-Metall-Bezirk Hannover federführend ins Rennen. Bereits im Sommer 1999 schlossen die Bezirksvertreter der IG Metall und andere Gewerkschaften einen Tarifvertrag mit Adecco ab. Hartmut Meine, Bezirksleiter der IG Metall, und Helga Schwitzer, Gewerkschaftssekretärin der Bezirksleitung Hannover, waren zufrieden. "Erstmalig wurde damit eine Großveranstaltung, auf der tausende von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern beschäftigt werden, tariflich geregelt", kommentieren sie den Abschluss.
Dabei hatte die IG Metall noch auf ihrem 16.Ordentlichen Gewerkschaftstag 1989 die Forderung nach einem generellen Verbot der gewerbsmäßigen "Arbeitnehmerüberlassung" beschlossen. Denn gewöhnlich liegt das Lohnniveau von Leiharbeitern bei vergleichbarer Qualifikation deutlich unter dem von Festangestellten, und die leihweise Beschäftigten erleiden im Vergleich auch häufiger Arbeitsunfälle, argumentierte die IG Metall.
Doch seitdem gab es einen regelrechten Boom von Existenzgründungen in dieser Branche. Ungefähr 9000 Zeitarbeitsfirmen vermitteln zur Zeit flexible Personaleinsätze. Tarifverträge sind nicht etwa verpönt, sondern aus der Sicht dieser Unternehmen können sie mit dazu beitragen, die gesellschaftliche Akzeptanz von Zeitarbeit zu erhöhen und damit ein weiteres Wachstum der Branche unterstützen, die zum Stichtag 30.Juni 1998 252.895 Lohnabhängige unter Vertrag hatte. Einige Zeitarbeitsfirmen, z.B. Timeflex, werben sogar in ihren Stellenanzeigen mit dem Prädikat "IG-Metall-Tarifvertrag".
Obwohl der Tarifvertrag zwischen Gewerkschaften und Adecco die "Arbeitnehmerüberlassung" vom 1.1. bis 31.12.2000 regelt, gibt es keinen Betriebsrat. Die Bezirksvertreter der Gewerkschaft begründen das mit der auf fünf Monate befristeten Dauer der Weltausstellung, die es unmöglich mache, einen Betriebsrat gemäß dem Betriebsverfassungsgesetz zu wählen. Stattdessen findet nun eine Inthronisierung statt: Die Firma Adecco stellt auf Vorschlag der IG Metall vier Beschäftigte ein, die einen besonderen Kündigungsschutz genießen und die Interessen der Beschäftigten wahrnehmen sollen.
Die tarifliche Lohnskala reicht von 13,50 bis 26 Mark Stundenlohn - doch auf der Baustelle Expo waren auch schon Negativrekorde von 5,33 Mark die Stunde bekannt geworden. Mit dem Tarifvertrag habe jedoch die "drohende Perspektive von Billiglöhnen … abgewendet werden" können, meinen die Bezirksvertreter der IG Metall. Die "Imagekampagne", als deren Teil der DGB sein Expo-Engagement versteht, muss auf jeden Fall aufgehen.
Die Personalleitung ist sogar um die berufliche Zukunft der zeitlich befristet Beschäftigten besorgt. "Die Expo im Lebenslauf zu haben, hilft bei der Jobsuche - Expo-Mitarbeiter sind begehrt", so die Personalleiterin. Natürlich nur, wenn sie auch die entsprechende Leistung bringen. "Unsere Mitarbeiter zeigen ein enormes Engagement" verteilt die Expo-Generalsekretärin Breuel schon mal Vorschusslorbeeren. Wer sich ordentlich abrackert, darf dann sein "Qualifikationsprofil" über die Expo-Homepages veröffentlichen und darauf warten, dass ein interessierter Unternehmer zugreift. Für die Pechvögel gibt es noch das "Start-up-Programm" der Expo 2000 Hannover GmbH. Es will willige Mitarbeiter auf dem Weg in den hart umkämpften Markt der selbstständigen Dienstleister begleiten.

Gerhard Klas


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