Sozialistische Zeitung |
Expo 2000? Frauen sollen dabei sein, na klar! Verbildlicht hat die Expo GmbH diese huldvolle Absicht vor
einigen Monaten in der ersten Ausgabe ihres Werbeträgers expo-magazin. Dort ist auf der Titelseite die Silhouette einer nackten Frau zu
sehen, multimediös aufbereitet mit pinkfarbener Gitternetzstruktur überzogen, so dass die Brustwarzen leuchtende Punkte inmitten
des Rasters bilden. Bis auf den Knutschmund ist das Gesicht der Computergrazie verdeckt von einer Cyberbrille, auf deren Display sich
erkennen lässt, was ihr Denken bestimmt: ein in blauem Raster abgesetzter Männertorso.
Die Expo 2000 ist eine durch und durch sexistische, technokratische und
rassistische Veranstaltung. Das Paradigma der nachhaltigen Entwicklung wurde 1995 von der Expo mit leichter Verspätung
gegenüber dem internationalen Diskurs entdeckt und zur Leitideologie der Weltausstellung "neuen Typs" erklärt. Es
stellt keine ökologisch-soziale Kehrtwende in der Politik der hochindustrialisierten kapitalistischen Staaten, sondern schließt alle
Herrschaftsmechanismen, auf denen deren Vormachtstellung beruht, von der ausbeuterischen Arbeitsteilung zwischen Nord und Süd, der
technologischen Beherrschung und Zerstörung von allem, was zu "Natur" erklärt wird, bis zur Geschlechterhierarchie,
mit ein.
Der patriarchalische Charakter zeigt sich im männlichen Leitbild der
"Effizienzrevolution", dem das Ideal der "Suffizienz" zur Seite treten soll: Experten retten durch technologische
Optimierung die Welt, während die Frauen zu Hause den Müll trennen und energiesparend Biogemüse brutzeln.
Der eigenen Macht scheint mann sich jedenfalls sicher. Und ebenso sicher
ist, was da gegenüber gestellt wird: nach wie vor der "planende Mannmensch" einer Natur, zu der er, aufgrund ihrer
Gebärfähigkeit, auch die Frau zählt. So gelten Frauen aus der sog. Dritten Welt, die sich gegen
Verhütungstechnologien entscheiden, als eine der schwerwiegendsten Gefahren für "unseren Planeten". Für
Frauen im Norden hingegen wird alles getan, um ihren Wunsch nach einem gesunden, hübschen Baby nachkommen zu können; auf
der einen Seite soll die Gentechnik das Unmögliche möglich machen, andererseits ist Abtreibung nur bei behinderten Kindern
erwünscht.
Das Konstrukt von "Überbevölkerung", ein in
verschiedenen historischen Phasen immer wieder beliebter Vorwand für manipulative und rassistische Kontrollmaßnahmen, zieht
sich als ein roter Faden durch das Konzept der Expo und fordert als scheinbare Naturkatastrophe planerisches Handeln. Soziale und politische
Probleme, wie die ungleiche Verteilung von Ressourcen, werden als technische, berechenbare deklariert und entsprechend in die Hände
von mehrheitlich weißen Experten gelegt.
Nicht gerade originell, aber in ihrer Gewaltförmigkeit beachtlich,
sind die gestalterischen Finessen, mittels derer die gewünschten Botschaften bei den EmpfängerInnen landen sollen. Den
BesucherInnen des Themenparks soll die oben angeführte Annahme einer "Überbevölkerung" durch suggestiv
wirkende Klaustrophobieeffekte eingebläut werden: Die Menschenmenge wird schlichtweg durch immer enger werdende, verspiegelte
Gänge geschleust, bis sich Beklemmung einstellt und die sich anschließend räumliche Weite und Menschenleere als
wohltuend empfunden wird.
Ist der Panikmacher "Bevölkerungsexplosion" geschluckt,
dann rutscht die Beruhigungspille "Gentechnik" um so besser. In der Expo-Welt interessieren Menschen, egal ob Männer oder
Frauen, selbst nur aus der Sicht ihrer Manipulierbarkeit zugunsten technischer Anwendungen. Innerhalb der Akzeptanzschaffung, die auf der
Expo stattfindet, könnte beinahe von Geschlechtsneutralität gesprochen werden, denn patriarchalische Herrschaftsstrukturen neuer
Technologien und ihre Auswirkungen auf das Geschlechterverhältnis und gesellschaftspolitische Folgen werden außer Acht
gelassen, sowie die Tatsache, dass bereits im Entstehungsprozess von Technologien soziale und geschlechtsspezifische
Kräfteverhältnisse eingebettet sind.
Feministische Expo-Kritik: bislang ein Trauerspiel
Dies alles sind doch
gefundene Fresschen, um die Weltausstellung durch feministische Öffentlichkeitsarbeit zum Skandal werden zu lassen, sollte frau meinen
- aber denkste. Die real existierende feministische Politik in Sachen Expo ist bislang ein Trauerspiel.
Ein Beispiel feministischen Wirkens im Kontext der Expo ist die
"Internationale Frauenuniversität Technik und Kultur", kurz "ifu", die im Jahr 2000 interdisziplinär für
100 Tage stattfinden wird. Falls dieser Titel nicht auf eine Arbeitsteilung hinweisen möchte, die jede Auseinandersetzung zwischen
beiden Bereichen vorsichtig umgeht, ist wiederum zu fragen: Warum wird in die sechs Forschungsbereiche (Wasser, Migration, Arbeit,
Information, Körper, Stadt) geschweift, anstatt die Synthese von Technik und patriarchalischer Kultur dort zu erforschen, wo sie ihren
aktuellsten und prägnantesten Ausdruck findet, auf der Expo? Doch ist bisher nicht feststellbar, dass dieser Weg eingeschlagen
würde.
Mehr noch, die eigene Funktion als Feigenblatt wird sogar unterschlagen:
Während einer Diskussionsveranstaltung im Juli diesen Jahres mussten Vertreterinnen der "ifu", die sich allesamt als
zumindest distanziert gegenüber der Weltausstellung bekannt hatten, von Expo-Gegnerinnen wiederholt darauf hingewiesen werden, dass
zumindest eine Positionierung zum Unternehmen Expo Not tue, ja sie gaben sich sogar überrascht, von der Vereinnahmung ihres Projekts
zu Expo-Werbezwecken zu erfahren.
Es gibt inhaltliche Beispiele genug, die eine rigorose feministische
Ablehnung der Expo weitaus besser begründen können als ein - wenn auch kritisches - Mitmachen. Woran es allerdings fehlt, ist
der politische Wille, angesichts auf die Spitze getriebener patriarchalischer Allmachtsmythen eine Auseinandersetzung in angemessenem
Rahmen zu führen.
Unserer Ansicht nach muss sich die feministische Auseinandersetzung mit
der Expo vom Gedanken des "kritischen Mitmachens" lösen. Sie muss von einem politischen Standpunkt (und einem
entsprechenden Ort!) außerhalb des Expo-Rahmens ausgehen, um sich nicht früher oder später in Reduktionismus und
Anbiederei zu erschöpfen.
Die Expo als Schaubild patriarchalisch-technokratischen
Machbarkeitswahns bietet für Feministinnen den Zwang "nein" zu sagen, weil mit der Gentechnologie eine Technologie zur
"Weltrettung" beschworen wird, deren Anwendung, wenn sie auch nicht einzig darauf zielt, die Unterdrückung und
Entmachtung von Frauen weltweit massiv vorantreiben und auf qualitativ neue Weise verschärfen wird.
Inhaltlich ist die geplante Gentech-Akzeptanzbeschaffung vielleicht der
gewichtigste Grund, die Expo-Welt aus feministischer Warte abzulehnen. Den Widerstand gegen Gentechnologie zum Schwerpunkt in der
feministischen Anti-Expo-Arbeit zu machen, birgt darüber hinaus die Möglichkeit, anhand eines ehemals zentralen Themas auf die
Zusammenführung versprengter, aber noch bestehender frauenbewegter Strukturen hinzuarbeiten, die diese inhaltlichen Prämissen
teilen.
Innerhalb der noch verbliebenen kritischen Frauenszene eine ablehnende
Positionierung zur Weltausstellung einzufordern und für das Ziel ihrer Demaskierung als patriarchalisches Herrschaftsprojekt zu werben,
kann als eine der politischen Hauptaufgaben derjenigen angesehen werden, die erreichen wollen, dass die Welt anders aussieht, als auf der
Expo präsentiert.
Dies beinhaltet zuvorderst die Solidarität mit all jenen, denen von
den dominierenden Industrienationen des Nordens ihre Geburtenrate diktiert oder unabhängige Existenzmöglichkeiten jenseits des
Marktes genommen werden sollen. Und eben diesen solidarischen internationalistischen Feminismus gilt es dem volkstümlich
aufbereiteten Technologiefetischismus der Weltausstellung entgegenzusetzen.