Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-
Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.12 vom 08.06.2000, Seite 2

Naher Osten

Kann es Frieden geben?

von JAKOB MONETA

News from within, herausgegeben vom Alternativen Informationszentrum in Jerusalem, veröffentlichte im Mai 2000 einen Artikel von Ephraim Davidi, der sehr realistisch "Israels Wirtschaftsstrategie für die palästinensischen Unabhängigkeit" darstellt. Er zitiert aus einer für die israelische Armee erarbeiteten Wirtschaftsstudie über die besetzten palästinensischen Gebiete von 1992 folgenden Passus: "Es ist ganz gleich, ob ein palästinensischer Staat entsteht, ob Israel den Palästinensern Autonomie aufzwingt, oder sich die (besetzten) Gebiete selbst einverleibt. Die wirtschaftliche Lösung ist immer die gleiche: Fortsetzung der freien Bewegung von Waren, Kapital und Arbeit zwischen einerseits der Westbank und Gaza und andererseits Israel."
Dov Lautmann, Vorsitzender des israelischen Unternehmerverbands, hat 1993 erklärt, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den Staaten Israel und Palästina sollten an das "Freihandelsabkommen" angepasst werden, das "zwischen Mexiko und den USA besteht". Also das sog. NAFTA- Abkommen, das ein Abkommen zwischen völlig ungleichen Partnern ist. Davidi kommt zur Schlussfolgerung: "Die israelische herrschende Schicht sieht sich selbst als regionale Wirtschaftsmacht, die sich auf Hightechindustrie konzentriert." In ihrer Sicht können sich arbeitsintensive Industrien an der Peripherie Israels ansiedeln, und die israelischen Hightechindustrien können durchaus von Auslandsmärkten wie den USA abhängen oder Eigentümern aus dem Ausland gehören.
Wenn wir hinzufügen, dass Israel Atomwaffen besitzt, könnte es durchaus regional für den globalisierten Kapitalismus die gleiche wirtschaftliche und militärische Rolle spielen, die die USA heute weltweit spielen. Vor allem, wenn Israel Verbündete in der herrschenden Schicht der Palästinenser findet, die bereit wären, sich mit einer "Dritten Welt" abzufinden.
Prekär wird die Lage sowohl für die USA als auch für die Herrschenden im Vorderen Orient, wenn in der "Dritten Welt" und in der eigenen Arbeiterklasse revoltierende Kräfte aufstehen, die sich nicht mehr mit den ihnen zugedachten Opferrolle abfinden wollen. Nicht nur in den Straßenkämpfen, in denen sich Palästinenser mit den in israelischen Gefängnissen hungerstreikenden politischen Gefangenen solidarisierten, sondern auch in Streikkämpfen von Israelis, die in der Histadruth organisiert sind, gibt es Anzeichen dafür, dass die Macht der Mächtigen auf einem Boden ruht, der langsam, sehr langsam in Bewegung gerät. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, dass die wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche Kämpfe in der Dritten Welt soziale Erschütterungen in der Ersten Welt sind.



zum Anfang