Sozialistische Zeitung |
Die Staats- und Regierungschefs des "Dritten Wegs" und des "New Deal" haben Kreide
gefressen. Nach dem berüchtigten Schröder-Blair-Papier des letzten Jahres, das eine Wende der Sozialdemokratie hin zu einer
unverhohlen neoliberalen Politik propagierte, ließt sich das Abschlusskommuniqué des Berliner Gipfels "Modernes
Regieren für das 21.Jahrhundert" vom ersten Juniwochenende fast wie ein Ablassbrief.
Kein Wunder, ist doch die öffentliche Kritik an der kapitalistischen
Globalisierung und ihren Protagonisten spätestens seit Seattle unüberhörbar geworden und befinden sich viele Vertreter der
Freihandelsideologie aus dem sozialdemokratischen Lager in einer beachtlichen Krise. Blair, der diesmal nicht am alljährlichen
Debattentreffen teilnahm, musste kürzlich in Großbritannien mit dem Wahlsieg von Ken Livingstone seine erste große
Schlappe einstecken. Ein Sieg der Demokraten in den USA bei den kommenden Präsidentschaftswahlen im November scheint ungewiss
und auch die Tage der italienischen Mitte-Links-Regierung sind gezählt.
Nun, so die Verlautbarung der vierzehn "Chefs progressiver
Regierungen", sollen plötzlich die Finanzmärkte kontrolliert werden. Vor noch nicht einmal zwei Jahren hieß es, dass
der ehemalige Finanzminister und Parteivorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, für diese Forderung seinen Hut nehmen musste. Auch die
üblichen Floskeln zur Bekämpfung der Armut und der Umweltzerstörung fehlen nicht im Vokabular der
"progressiven" Staatschefs.
Sie wollen künftig als aufrechte Kämpfer
"Gegengewichte gegen die Globalisierung" schaffen. Als sei der Prozess der kapitalistischen Globalisierung im politikfreien Raum
verlaufen und gleich einer Naturkatastrophe auf die Menschheit hereingebrochen, beschwören ihre Wegbereiter plötzlich ihre
politische Handlungsfähigkeit.
Dennoch ist die "Globalisierung für die Menschen" nicht
viel mehr als Propaganda. Denn an ihrer politischen Grundhaltung lassen die Staats- und Regierungschefs keinen Zweifel: nach wie vor steht
die makroökonomische Stabilität im Vordergrund, die sie als Vorbedingung ihrer "Reformpolitik" ansehen. Dabei
hätten mindestens zwei neue Gäste der illustren Runde, der brasilianische Staatschef Cardoso und sein südafrikanischer
Kollege Thabo Mbeki, ihnen die Unmöglichkeit einer Kombination aus markoökonomischen Strukturprogrammen zugunsten der
Wirtschaft und einer Politik, die sich die Bedürfnisse der Bevölkerung auf die Fahnen geschrieben hat, plastisch darstellen
können. Doch die Möglichkeit der Teilnahme an diesem Treffen schien ihnen so sehr zu schmeicheln, dass Mbeki lediglich mahnte,
wirtschaftliche Dynamik und soziale Entwicklung dürften nicht im Gegensatz zueinander stehen. Das ist auch Schröder und seinem
Freund Bill problemlos über die Lippen gekommen.