Sozialistische Zeitung |
Die diesjährigen Ruhrfestspiele stehen unter dem Motto "Fremden-Liebe".
Eine Aufführung des Roma-Theaters Pralipe greift anhand des
Kosovo-Krieges das Motto auf. Diese Theater-Gruppe wurde 1971 im ehemals jugoslawischen Skopje gegründet und ist seit 1991 im
Mülheimer Theater an der Ruhr zu Hause - auch außerhalb der Spielzeit der Ruhrfestspiele eine wichtige Theater-Adresse
für engagiertes und gutes Theater. Die Truppe arbeitet seit Jahren bei den Ruhrfestspielen mit - in Roma-Sprache und mit deutschen
Fragmenten, Szenenteilen - verständlich für den Besucher durch das eindringliche Spiel.
Sie spielen von der Situation der Roma im Kosovo. Ein Roma-Wirt mit
Frau und Tochter, mit serbischen und albanischen Nachbarn, mit der Hoffnung auf Erhalt der Heimat - "Kosovo mon amour" -
gerät zwischen alle Fronten, muss an die eine Seite Schutzgeld zahlen, an die andere verliert er den Bruder, die Eltern seiner Frau
kommen bei einem Angriff ums Leben. Als er sich weder der serbischen Mobilisierung noch der UÇK anschließen will, bleibt die
Tochter in einem Versteck als einizge am Leben - "gerettet" von einem zynischen deutschen Fernsehreporter, der
hauptsächlich seine Sendung fertig machen muss.
Eingebettet in die Fetzen der Reportage - Uranbomben und ihre Wirkung,
Wasserversorgung der deutschen Truppe, Zeitungsmeldungen und Militärkommentare sind das Thema, nicht aber die Lage der
Betroffenen - entwickelt sich ein Bild des Kosovo-Kriegs, wie es ein Jahr später nichts an Dringlichkeit verloren hat.
Die Roma-Familie kann sich in Romanes (ihrer eigenen Sprache) gerade
noch allein unterhalten. Ein serbischer Soldat zwingt sie, die Bestimmungen des Kriegsrechts und die serbische Hymne zu lesen und zu singen.
Der albanische Nachbar erzwingt Geld, albanischen Gesang und will den Mann nur als UÇK-Anhänger. Die Rolle der Roma - zwischen
den Fronten ist kein Bleiben, Flucht wäre der einzige Weg gewesen - und die Ignoranz des Westens werden gegeneinander gesetzt.
Die SchauspielerInnen des Roma-Theaters schaffen es, mit eindringlichen
Szenen dem deutschen Publikum zu vermitteln, wo die Aktualität des Krieges ist, der doch schon wieder so weit entfernt scheint.
Eine Verbindung zu dem berühmten Film Hiroshima mon amour (von
Alain Resnais) von vor 40 Jahren sollte wohl durch die Titelwahl gezogen werden, was die Unmöglichkeit der Bewältigung von
Kriegsfolgen angeht, allerdings kennt diesen Film wohl kaum noch jemand aus dem Publikum.
Eine der wichtigeren Aufführungen der Ruhrfestspiele, und nach dem
Auftritt des Belgrader Staatstheaters letztes Jahr mitten im Krieg mit der "Belgrader Trilogie" ein weiterer Versuch, mit Theater
politisch zu wirken.
Der Festspielleiter Hansgünter Heyme schreibt dazu:
"Fremden-Liebe. So lautet unser Thema im Jahr 2000. Wir kennen nur Fremdenhass. Warum? Im antiken Denken war Fremdenliebe
Selbstverständlichkeit, sittliches Gebot. Wieweit sind wir davon entfernt? ... Ohne ein gänzlich verändertes Verhältnis
zu dem Fremden neben und in uns - ist kaum eine Zukunft möglich."
Rolf Euler