Sozialistische Zeitung |
Die Tarifeinigung im öffentlichen Dienst stellt kein Ruhmesblatt für die Gewerkschaften
ÖTV und DAG dar. Immerhin hatten 76,02% der ÖTV- und 72,8% der DAG-Mitglieder in der Urabstimmung für Streik
gestimmt. Die Verfahrensweise nach dem Abstimmungsergebnis für Streik war von Beginn an darauf ausgerichtet, die von der
Gewerkschaftsführung nicht gewollte Ablehnung der Schlichtungsempfehlung zu schleifen. Das Vehikel dazu waren Spitzentreffen und
Geheimverhandlungen, in denen unbeobachtet durch die gewerkschaftliche Basis das neue Ergebnis ausgebrütet wurde. Dies soll jetzt der
Mitgliedschaft nach Hütchenspielermanier vermittelt werden. Geheimverhandlungen sind immer ein beliebtes Mittel, wenn vor
Betroffenen etwas verheimlicht, manipuliert oder unter den Teppich gekehrt werden soll.
Viele Kolleginnen und Kollegen an der Basis verstehen mit dem
Taschenrechner fixer umzugehen als die Gewerkschaftsführung. Sie haben errechnet: Wenn für die um 7 Monate auf jetzt 31 Monate
verlängerte Laufzeit eine Erhöhung um nur 1% abgeschlossen würde, würde das jetzt erreichte Volumen
überschritten. Allein daraus wird klar, dass es nur optische und kosmetische Verbesserungen gegeben hat. Die längere Laufzeit des
Tarifvertrags bewirkt zudem, dass vor der nächsten Bundestagswahl keine Lohnrunde im öffentlichen Dienst stattfindet, ein
Geschenk an Schröder, den Aktienkanzler. Sein Innenminister Schily schmunzelt, dass die Einigung ein vernünftiger Kompromiss
sei und im Volumen der Schlichtungsempfehlung entspreche. Der Kompromiss wird in einer erneuten Urabstimmung angenommen, denn 25%
der Abstimmenden werden wohl zustimmen.
Doch 31 Monate Laufzeit können eine lähmend lange Zeit sein.
Darum muss der kritische Teil der Kolleginnen und Kollegen daran gehen, die ganzen Vorgänge aufzuarbeiten und die Ergebnisse und
Schlussfolgerungen in den Willensbildungsprozess für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik einzubringen. Wie sonst sind die
anstehenden Probleme, wie z.B. Privatisierung und Personalabbau, anzugehen? Es ist notwendig, die Interessen der Beschäftigten durch
eine kompromisslose Politik gegenüber Unternehmen, Staat und Regierung zu betreiben. Das Aufbegehren der Basis bewirkte, dass der
Schlichtungsvorschlag nicht einfach übernommen wurde. Dieser Gärungsprozess für eine kämpferische
Gewerkschaftspolitik muss fortgesetzt werden. Wie heißt es doch bei Brecht: "Zorn und Ärger nützen nichts, so etwas
muss Folgen haben."