Sozialistische Zeitung |
Die gegenwärtige politische Lage stellt die Politik der Kooperation des italienischen
Gewerkschaftsdachverbands CGIL mit Regierung und Unternehmern in Frage. Auch die Gewerkschaften stehen vor einer Neuorientierung.
Die CGIL hat bislang offen die Regierung dAlema unterstützt:
die Deregulierung des Arbeitsmarkts, die Privatisierungen, das Ja zur Stabilitätspolitik der EU. Diese Politik des Managements liberaler
Positionen durch Kräfte der Linken und der Gewerkschaften ist jedoch sichtbar gescheitert. Die CGIL hat sich in mehrfacher Beziehung in
eine Sackgasse manövriert.
Da ist zum einen die Konkurrenz zur CISL, der Gewerkschaft, die aus der
christdemokratischen Tradition kommt. Deren Generalsekretär DAntoni hat den Ehrgeiz, zum Führer der Mitte-Links-
Koalition aufzusteigen. Sein strategisches Ziel ist, das christdemokratische Zentrum neu aufzubauen. Das kann er in Kooperation mit Berlusconi,
oder in Konkurrenz zu ihm tun. Das steht noch nicht fest.
Dabei muss man beachten, dass die CISL heute nicht mehr nur eine
Gewerkschaft ist, sie ist auch eine Wirtschaftskraft - mit katholischen Genossenschaften, Betrieben von Selbständigen, Einrichtungen
aller Art. Dieser Zwitter will nun auch noch eine politische Kraft werden: Er will die hegemoniale Rolle der DS (Linksdemokraten) in der
Mitte-Links-Koalition brechen und diese Rolle selbst ausfüllen. Dazu missbraucht die CISL auch ihre Funktion als Gewerkschaft.
Für die CGIL ist das eine Herausforderung. Entweder kehrt sie zu
einer kämpferischen Praxis zurück, dafür muss sie sich nach links öffnen - d.h. auf eine andere politische Karte als die
Mitte-Links-Regierung setzen. Oder sie läuft Gefahr, von der CISL abgehängt zu werden.
Über diese Weichenstellung kann nur ein Kongress entscheiden.
Prinzipiell ist dieser auch für Anfang 2001 vorgesehen. Aber es ist nicht sicher, dass es dann auch stattfinden wird, vor allem wenn es
schon im nächsten Frühjahr Neuwahlen geben sollte.
Auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass es kaum noch die
Bedingungen gibt, Gewerkschaftsarbeit im klassischen Stil zu machen. So sind sich die Linken in der CGIL unschlüssig darüber, ob
sie in der CGIL eine starke Opposition aufbauen, oder ob sie ihren Generalsekretär beim Kragen packen und nach links ziehen sollen.
Die Gewerkschaften haben die ganze Wucht der neoliberalen Politik zu
tragen. Diese hat verheerende Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen und das Kräfteverhältnis auf dem Arbeitsmarkt. Es wird
immer schwieriger, einen kollektiven Widerstand zu organisieren. Die materiellen Folgen sind für die Gesellschaft vernichtend.
Eine andere Folge ist, dass sich die Rechte in diesen Bereichen breit
macht. Es gibt ganze Bereiche von Lohnabhängigen, wo die politische Rechten mittlerweile kulturell die Hegemonie hat. Da ist es
für die Linke viel schwieriger geworden, gewerkschaftlich zu agieren. Teilweise gibt es nicht einmal mehr ausreichende rechtliche
Grundlagen, um die Rechte von abhängig Beschäftigten zu garantieren. Das alles ist sukzessive abgebaut worden. Die Aufhebung
gesellschaftlicher Regulationsmechanismen zertrümmert das soziale Gefüge; darauf lässt sich nicht erfolgreich eine linke
Alternative aufbauen, das ebnet der Rechten den Weg. Diese Einsicht haben die unabhängigen linken Gewerkschaften wie auch die in der
CGIL organisierte Gewerkschaftslinke, wie auch Rifondazione Comunista gemeinsam.
Die Zertrümmerung des sozialen Gefüges erfordert ein
Gegenprojekt, das in der Lage ist, die abhängig Beschäftigten zusammenzuschließen, gleich ob sie vollzeit oder teilzeit
beschäftigt, oder in prekärer Beschäftigung sind. Die neue Zusammensetzung der Arbeitswelt muss einen angemessenen
organisierten Ausdruck finden auf einer Grundlage, die sie eint.
Die Möglichkeiten, so etwas zu realisieren, sind aber sehr begrenzt.
Erfahrungen damit gibt es nur am Rande oder außerhalb der CGIL. Diese Kräfte sind sehr schwach; andererseits ist die Linke in der
CGIL nicht in der Lage, autonom zu handeln und die Politik, die sie für richtig hält, umzusetzen. Sie unterliegt den
Beschränkungen des Apparats.
Auch diese entwickeln sich in verschiedene Richtungen. Viele sog.
"autonome" Gewerkschaften stehen rechts. Die linken "Cobas" konkurrieren mit rechten autonomen Gewerkschaften um
die Zerfallsprodukte der Krise der CGIL. Täglich verlassen Mitglieder die CGIL, weil sie es nicht mehr aushalten; dann ist es
häufig Glücksache, ob sie auf Cobas oder auf rechte Gewerkschaften treffen, die zuweilen mehr Rechte genießen, weil sie
leichter vom Unternehmer anerkannt werden. Für die CGIL wäre es verheerend, wenn der Kongress nicht bald stattfindet und ein
Kampf um verschiedene Orientierungen geführt werden kann; ihre schleichende Krise würde sich damit nur fortsetzen.
Die Cobas stellen außerhalb der CGIL eine noch nicht anerkannte
Alternative dar. Halbwegs konsistent sind ihre Kräfte nur im Bereich der Schulen und im Transportwesen. Im letzteren aber haben sie
hart mit der rechten Konkurrenz zu kämpfen; die CGIL ist hier kaum präsent.
Diese Organisationsansätze reichen jedoch bei weitem nicht aus, um
eine gesellschaftliche Alternative sichtbar werden zu lassen.
Gigi Malabarba