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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.13 vom 22.06.2000, Seite 13

EU-AKP-Abkommen

Finales Aufbäumen

Eigentlich hätte das Nachfolgeabkommen des Lomé-Vertrags zwischen der EU und den 71 Afrika-Karibik-Pazifik-Staaten (AKP) zwischen dem 5. und 8.Juni auf Fiji unterzeichnet werden sollen. Doch auf einem Treffen der AKP- Botschafter in Brüssel erklärte der Vertreter Fijis kurz zuvor, dass er nach dem gewaltsamen Sturz der Regierung nicht mehr für "die notwendige Sicherheit" der Verhandlungsteilnehmer "garantieren" könne. Nun hat der Ministerrat der AKP-Staaten das Treffen auf Ende Juni verschoben und in die westafrikanische Republik Benin verlegt.
Die Verhandlungen um das neue Abkommen dauerten vom September 1998 bis Februar dieses Jahres an. Die AKP-Staaten standen währenddessen vor der unmittelbaren Bedrohung, dass die Handelspräferenzen, die sie unter den Lomé-Verträgen gegenüber der EU hatten, mit dem fortwährenden Hinweis der EU auf den Liberalisierungsdruck der Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) völlig abgeschafft würden.
Die EU beabsichtigte, den bisherigen Charakter des Abkommens komplett zu verändern, denn "die Postkolonialzeit ist vorbei, und es geht darum, das Geber-Empfänger-Denken zu überwinden", hieß es in einem Kommissionspapier. Nur ein finales Aufbäumen, in dem die AKP-Staaten "all ihre Verhandlungskapazitäten, politischen Fähigkeiten und internationale Unterstützung" mobilisierten, hat nach Ansicht einer jüngst aktualisierten Hintergrundanalyse der Entwicklungsorganisation WEED das Schlimmste verhindert.
Dennoch sind die Kernstücke des Lomé-Vertrags, die Preisstabilisierungsfonds, die die negativen Auswirkungen schwankender Weltmarktpreise für landwirtschaftliche Produkte und mineralische Rohstoffe ausgleichen sollten, nicht mehr Bestandteil des neuen Vertrags. Stattdessen sollen die 33 AKP-Länder, die nicht zu den ärmsten Ländern, den Low Developed Countries (LDCs), gehören, schrittweise nach den Prinzipien des Freihandels in den Weltmarkt eingegliedert werden.
Das neue Abkommen mit einer Laufzeit von 20 Jahren sieht eine achtjährige Vorbereitungsphase für die REPAs (Regional Economic Partnership Agreements) vor, die die Handelsbeziehungen regulieren bzw. deregulieren sollen. Die übrigen 39 AKP-Staaten, die zu den ärmsten der Welt zählen, sollen sich bereits im Jahr 2004 entscheiden, ob sie den REPAs ebenfalls beitreten wollen. Falls nicht, soll ihnen ein noch nicht näher definiertes "äquivalentes System" zu Lomé angeboten werden.
Noch im vergangenen Dezember betonte der stellvertretende WTO- Direktor gegenüber der EU, dass Ausnahmeregelungen zu den Freihandelsbestimmungen der WTO für die Vorbereitungsphase der AKP-Staaten weiterhin ohne Probleme erteilt würden. Dennoch ist WEED der Ansicht, dass es für keine der vorgeschlagenen Optionen, die Handelspräferenzen der EU ausschließlich für die AKP-Staaten vorsehen, "a priori" eine Garantie gibt, in der WTO zu bestehen.
Anfang Juli will die WTO über die nach wie vor gewährten Präferenzen in der Vorbereitungsphase entscheiden.
Scharfe Auseinandersetzungen gab es während der Verhandlungen um "good governance". Die EU wollte die Demokratiefrage, Wirtschaftsführung und Korruptionsbekämpfung zu einem "wesentlichen Element" machen, dessen Verletzung einem Vertragsbruch gleichkommt. Die AKP-Staaten lehnten dies als neokolonialistische Einmischung ab, zumal parallel zu den Verhandlungen fast die gesamte EU-Kommission der Korruption überführt wurde. Das neue Abkommen hält nun fest, dass die Kommission lediglich im Falle "schwerer Korruption" Sanktionen bis hin zur Einfrierung der Mittel verhängen kann.
Auf Ablehnung der AKP-Seite stieß auch die von der EU forcierte Rücknahmeverpflichtung "illegaler" Einwanderer. Die EU-Innen- und Justizminister hatten auf einem Sondergipfel im vergangenen Herbst eine Standardklausel für alle zukünftigen Verträge mit Drittländern verabschiedet, die eine Rücknahmeverpflichtung nicht nur für die Staatsbürger des jeweiligen Landes, sondern auch für von dort eingereiste Staatenlose und durchreisende Flüchtlinge vorsieht.
Doch die AKP-Staaten machten noch in der letzten Phase der Verhandlungen deutlich, dass sie dies auf keinen Fall akzeptieren werden. Nun haben die Verhandlungspartner eine Übereinkunft getroffen, dass alle Modalitäten zur Rücknahme von "illegalen" Einwanderern in bilateralen Abkommen jeweils einzeln verhandelt werden sollen.
Für die ersten fünf Jahre des Abkommens ist ein Finanzvolumen von 13,5 Milliarden Euro vorgesehen. Davon soll eine Milliarde konditioniert vergeben und bis zum Abschluss einer Effizienzüberprüfung zurückgehalten werden. Weitere 2,2 Milliarden sind zur "Förderung des Privatsektors" vorgesehen und 1,3 Milliarden zur Vorbereitung der REPAs durch die finanzielle Unterstützung regionaler Integrationsprojekte.
Die verbliebenen 9 Milliarden Euro sollen durch einen gestrafften Vergabemodus den realen Finanzfluss beschleunigen. Das sei das Hauptmotiv der AKP-Staaten gewesen, "der eigentlich eher knappen Mittelausstattung letztlich doch zuzustimmen", erklärt WEED.
Die vor allem von den AKP-Staaten angestrebte Aufnahme Kubas in das gemeinsame Abkommen hat die kubanische Regierung Anfang Mai abgelehnt. Gleichwohl betonte Kuba sein Interesse an intensiven Beziehungen zur AKP-Gruppe.
"Nicht nur gegenüber der EU, sondern auch in den WTO- Verhandlungen werden sich die 71 Länder zunehmend ihrer Verhandlungsmasse bewusst", meint WEED. Tatsächlich haben EU und AKP-Staaten gemeinsam eine rechnerische Mehrheit in der WTO, die bei Entscheidungen formal das Prinzip "Ein Land, eine Stimme" zugrunde legt. Diese Mehrheitsverhältnisse könnten im Hinblick auf die kommenden Verhandlungsrunden der WTO ein wesentlicher Grund für das Einlenken der EU gewesen sein.

Gerhard Klas


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