Sozialistische Zeitung |
Vorwärts im Kampf gegen die Macht der herrschenden Politiker! Jetzt die antikapitalistische
Wirtschaftsordnung schaffen!" tönt die neofaschistische NPD. Anders als 1969, als sie in sieben Länderparlamenten vertreten
war und 28000 Mitglieder zählte, ist sie heute keine "Traditionalistenpartei" mehr, die ihren Schwerpunkt
ausschließlich auf die Propaganda des NS-Regimes legt. Im Gegenteil: Sie versucht mit einem "völkischen
Antikapitalismus" ihrer zwischenzeitlichen Krise entgegenzutreten und distanziert sich vom "antikommunistischen" Lager der
konservativen Rechtsparteien.
Nach Angaben der Bundes- und Landesämter für
Verfassungsschutz und einiger unabhängiger Beobachter der rechtsextremen Szene ist die NPD mit dieser Strategie vor allem in den
neuen Bundesländern auf Erfolgskurs. Dort, aber auch in Westdeutschland, diente die NPD vielen der Anfang der 90er Jahre verbotenen
rechtsextremen Organisationen als Sammelbecken.
Seitdem orientiert sie verstärkt auf außerparlamentarische
Mobilisierungen. Die Propaganda der direkten Gewaltanwendung gegen Flüchtlinge und Migranten, Linke und religiöse
Minderheiten überlässt die Partei weitgehend den "unabhängigen Kameradschaften" und der subkulturellen Nazi-
Skinhead-Szene, zu denen sie jeweils enge Verbindungen unterhält.
Der jüngste Bundesverfassungsschutzbericht gibt 6000 Mitglieder an,
Tendenz steigend. Seitdem der Rechtsextremismus wieder Medienthema ist, sollen in den letzten Wochen 500 neue Mitglieder hinzugekommen
sein. Allein in Sachsen, wo die Partei über Strukturen verfügt, die die der Grünen in den Schatten stellen, hat die NPD 1000
Mitglieder und Sitze in Kommunal- und Kreisparlamenten. Republikaner, DVU und Bund freier Bürger, von denen der letztere fast in der
Bedeutungslosigkeit verschwindet, können davon nur träumen.
Ein wesentlicher Grund für ihren Erfolg liegt in ihrer
wirtschaftspolitischen Propaganda. Während sich Republikaner und Bund freier Bürger weitgehend an der neoliberalen
Wirtschaftspolitik ihres Vorbilds FPÖ orientieren und um die Gunst der etablierten Parteien bemühen, wettert die NPD lautstark
gegen die "volksfeindliche Politik des transnationalen Kapitals und der ihr dienenden Bundesregierung". Diese
Äußerung stammt von Michael Nier, der dem 1998 gegründeten Arbeitskreis Wirtschaftspolitik beim Parteivorstand der NPD
angehört.
Doch der "Antikapitalismus von rechts" hat keine
materialistische Basis und ist in erster Linie antidemokratisch und antiliberal. Produktionsverhältnisse und Eigentumsfrage spielen keine
Rolle. Im Zentrum steht vielmehr die Zirkulationssphäre (das "raffende Kapital"), denn das "Finanzkapital" sei im
Gegensatz zu den "bodenständigen" Produktionsmitteln nicht raumgebunden.
Eine Wirtschaftspolitik, die deutschen Unternehmen auf den
Weltmärkten eine hegemoniale Stellung verschafft, stellt der "rechte Antikapitalismus" mit keiner Silbe in Frage. Er
kombiniert dies allerdings mit einem aggressiven Protektionismus, der zahlreiche Maßnahmen gegen Großunternehmen fordert:
"Abwanderungsverbot in Billiglohnländer" und "Mit den Profiten Arbeitsplätze schaffen" heißt es im
NPD-Aufruf zur Bundestagswahl 1998.
Eine jüngst veröffentlichte Langzeitstudie von Ahlheim/Heger
zur Fremdenfeindlichkeit in Deutschland lotet den Boden aus, auf den die Propaganda der NPD fällt. Das Ergebnis, das empirische Daten
von 1980 bis 1998 berücksichtigt, ist alarmierend und bestätigt wie andere Studien einen Zusammenhang zwischen sozialer
Situation und rassistischen Ressentiments. 53% der ostdeutschen Erwerbslosen und 37% in Westdeutschland hätten eine
"fremdenfeindliche Einstellung". Mit fehlender Erfahrung von Erwerbslosigkeit und einem sicheren Arbeitsplatz ist die Tendenz
fallend.
Die Studie betont aber auch den Einfluss politischer Kulturfaktoren. Mit
der Debatte um die "Zukunftssicherung des Standorts Deutschland" sei Anfang der 90er Jahre eine Sichtweise gefördert
worden, bei der "Fremde und Ausländer vor allem als störende, lästige und bisweilen kostspielige Mitbewerber um
Wohlstand, Arbeit und Wohnung" wahrgenommen werden.
Rassismus und Rechtsextremismus sind keine
"Notwehrreaktion", zu der es keine Alternative gibt. Der Erfolg der NPD ist nicht nur Ausfluss einer prekären sozialen
Situation der Täter und ihres Umfelds, sondern auch eines jahrelang staatlich geförderten Rassismus, der mit Begriffen wie
"Asylantenschwemme" und "Das Boot ist voll" eine massive Bedrohung suggeriert hat. Der Erfolg ist allerdings auch
Ausdruck einer Schwäche vieler Kräfte der Linken. Die meisten Gewerkschaften verharren nach wie vor in ihrer Standortpolitik,
anstatt den Blick auf die Möglichkeiten internationaler und antirassistischer Politik zu richten.
Der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung in Deutschland ist es
bisher nicht gelungen, eine Brücke zu den Mobilisierungen der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten zu schlagen. Dasselbe
gilt umgekehrt. Ein nicht unerheblicher Teil der Linken spielt mit postmodernen Diskurstheorien, anstatt Politik zu betreiben.
Auch die PDS lässt mit Rücksicht auf die eigene
Wählerklientel zu oft auf kommunaler Ebene die nötige Zivilcourage vermissen und scheut davor zurück, klare Positionen
gegen Rassismus zu beziehen. Doch seit die bürgerlichen Parteien aus Sorge um den Ruf Deutschlands den Kampf gegen marodierende
Neonazis zu ihrem Thema gemacht haben, sind auch neue Spielräume für linke Positionen geöffnet, die über eine
"Anti-Nazi-Haltung" hinausgehen.
Gerhard Klas