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Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.17 vom 17.08.2000, Seite 1

Kampf gegen Rechts

Mehr als Anti-Nazi

Vorwärts im Kampf gegen die Macht der herrschenden Politiker! Jetzt die antikapitalistische Wirtschaftsordnung schaffen!" tönt die neofaschistische NPD. Anders als 1969, als sie in sieben Länderparlamenten vertreten war und 28000 Mitglieder zählte, ist sie heute keine "Traditionalistenpartei" mehr, die ihren Schwerpunkt ausschließlich auf die Propaganda des NS-Regimes legt. Im Gegenteil: Sie versucht mit einem "völkischen Antikapitalismus" ihrer zwischenzeitlichen Krise entgegenzutreten und distanziert sich vom "antikommunistischen" Lager der konservativen Rechtsparteien.
Nach Angaben der Bundes- und Landesämter für Verfassungsschutz und einiger unabhängiger Beobachter der rechtsextremen Szene ist die NPD mit dieser Strategie vor allem in den neuen Bundesländern auf Erfolgskurs. Dort, aber auch in Westdeutschland, diente die NPD vielen der Anfang der 90er Jahre verbotenen rechtsextremen Organisationen als Sammelbecken.
Seitdem orientiert sie verstärkt auf außerparlamentarische Mobilisierungen. Die Propaganda der direkten Gewaltanwendung gegen Flüchtlinge und Migranten, Linke und religiöse Minderheiten überlässt die Partei weitgehend den "unabhängigen Kameradschaften" und der subkulturellen Nazi- Skinhead-Szene, zu denen sie jeweils enge Verbindungen unterhält.
Der jüngste Bundesverfassungsschutzbericht gibt 6000 Mitglieder an, Tendenz steigend. Seitdem der Rechtsextremismus wieder Medienthema ist, sollen in den letzten Wochen 500 neue Mitglieder hinzugekommen sein. Allein in Sachsen, wo die Partei über Strukturen verfügt, die die der Grünen in den Schatten stellen, hat die NPD 1000 Mitglieder und Sitze in Kommunal- und Kreisparlamenten. Republikaner, DVU und Bund freier Bürger, von denen der letztere fast in der Bedeutungslosigkeit verschwindet, können davon nur träumen.
Ein wesentlicher Grund für ihren Erfolg liegt in ihrer wirtschaftspolitischen Propaganda. Während sich Republikaner und Bund freier Bürger weitgehend an der neoliberalen Wirtschaftspolitik ihres Vorbilds FPÖ orientieren und um die Gunst der etablierten Parteien bemühen, wettert die NPD lautstark gegen die "volksfeindliche Politik des transnationalen Kapitals und der ihr dienenden Bundesregierung". Diese Äußerung stammt von Michael Nier, der dem 1998 gegründeten Arbeitskreis Wirtschaftspolitik beim Parteivorstand der NPD angehört.
Doch der "Antikapitalismus von rechts" hat keine materialistische Basis und ist in erster Linie antidemokratisch und antiliberal. Produktionsverhältnisse und Eigentumsfrage spielen keine Rolle. Im Zentrum steht vielmehr die Zirkulationssphäre (das "raffende Kapital"), denn das "Finanzkapital" sei im Gegensatz zu den "bodenständigen" Produktionsmitteln nicht raumgebunden.
Eine Wirtschaftspolitik, die deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten eine hegemoniale Stellung verschafft, stellt der "rechte Antikapitalismus" mit keiner Silbe in Frage. Er kombiniert dies allerdings mit einem aggressiven Protektionismus, der zahlreiche Maßnahmen gegen Großunternehmen fordert: "Abwanderungsverbot in Billiglohnländer" und "Mit den Profiten Arbeitsplätze schaffen" heißt es im NPD-Aufruf zur Bundestagswahl 1998.
Eine jüngst veröffentlichte Langzeitstudie von Ahlheim/Heger zur Fremdenfeindlichkeit in Deutschland lotet den Boden aus, auf den die Propaganda der NPD fällt. Das Ergebnis, das empirische Daten von 1980 bis 1998 berücksichtigt, ist alarmierend und bestätigt wie andere Studien einen Zusammenhang zwischen sozialer Situation und rassistischen Ressentiments. 53% der ostdeutschen Erwerbslosen und 37% in Westdeutschland hätten eine "fremdenfeindliche Einstellung". Mit fehlender Erfahrung von Erwerbslosigkeit und einem sicheren Arbeitsplatz ist die Tendenz fallend.
Die Studie betont aber auch den Einfluss politischer Kulturfaktoren. Mit der Debatte um die "Zukunftssicherung des Standorts Deutschland" sei Anfang der 90er Jahre eine Sichtweise gefördert worden, bei der "Fremde und Ausländer vor allem als störende, lästige und bisweilen kostspielige Mitbewerber um Wohlstand, Arbeit und Wohnung" wahrgenommen werden.
Rassismus und Rechtsextremismus sind keine "Notwehrreaktion", zu der es keine Alternative gibt. Der Erfolg der NPD ist nicht nur Ausfluss einer prekären sozialen Situation der Täter und ihres Umfelds, sondern auch eines jahrelang staatlich geförderten Rassismus, der mit Begriffen wie "Asylantenschwemme" und "Das Boot ist voll" eine massive Bedrohung suggeriert hat. Der Erfolg ist allerdings auch Ausdruck einer Schwäche vieler Kräfte der Linken. Die meisten Gewerkschaften verharren nach wie vor in ihrer Standortpolitik, anstatt den Blick auf die Möglichkeiten internationaler und antirassistischer Politik zu richten.
Der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung in Deutschland ist es bisher nicht gelungen, eine Brücke zu den Mobilisierungen der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten zu schlagen. Dasselbe gilt umgekehrt. Ein nicht unerheblicher Teil der Linken spielt mit postmodernen Diskurstheorien, anstatt Politik zu betreiben.
Auch die PDS lässt mit Rücksicht auf die eigene Wählerklientel zu oft auf kommunaler Ebene die nötige Zivilcourage vermissen und scheut davor zurück, klare Positionen gegen Rassismus zu beziehen. Doch seit die bürgerlichen Parteien aus Sorge um den Ruf Deutschlands den Kampf gegen marodierende Neonazis zu ihrem Thema gemacht haben, sind auch neue Spielräume für linke Positionen geöffnet, die über eine "Anti-Nazi-Haltung" hinausgehen.

Gerhard Klas


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