Sozialistische Zeitung |
Die Tageszeitung LUnità, 1924 als Zeitung der Kommunistischen Partei Italiens von Antonio
Gramsci gegründet, ist im Juli dieses Jahres eingestellt worden.
"Endlich haben wir uns von dieser Altlast befreit." Diese
abschätzige Bemerkung, die zwei nicht sehr prominente Mitglieder der Linksdemokraten (DS), der Nachfolgeorganisation eines Teils der
ehemaligen KP, gemacht haben sollen, und zwar just in jenen Tagen, in denen Redaktion und TechnikerInnen der Unità demonstrierten,
Appelle verfassten und heiße Tränen über die Schließung ihrer traditionsreichen Zeitung vergossen, stimmt
nachdenklich. Warum reagieren zwei an sich anständige Menschen so kaltschnäuzig? […]
Was uns bislang vorenthalten wurde, ist eine Erklärung, warum
LUnità jetzt so jäh abgestürzt ist, wo sie doch zu dem Zeitpunkt, als der amtierende DS-Parteisekretär Walter
Veltroni das Ruder übernahm, bei einer verkauften Auflage von etwa 180000 Exemplaren immerhin ein Gleichgewicht von Ausgaben und
Einnahmen erreicht hatte.
Mit Veltroni als Herausgeber ging es jedoch steil bergab. Man begann, das
Blatt mittels beigelegten Büchlein, Sammelbildern und Videokassetten an die Leser zu verramschen. Eine tolle Idee… Die Auflage sank,
die Kosten stiegen, alle anderen Zeitungen machten die Geschenkidee nach, der Markt wurde überschwemmt mit Gratisware,
schließlich übersättigt. […] LUnità verkaufte zuletzt 50000 Exemplare, das ist nicht wenig, aber angesichts
ihrer Produktionskosten ein unhaltbarer Zustand. In einer Partei, die innerhalb eines Jahrzehnts gleich mehrfach ihre politische Ausrichtung
wechselte und immer weniger an den Sinn eines eigenen Mediums glaubte, war so eine Zeitung rettungslos verloren. […]
Nach und nach haben die Führer der DS eine Modernisierung der
Partei nach amerikanischem Vorbild verfolgt. D.h. sie bemühten sich darum, die Partei für ein breites Meinungsspektrum zu
öffnen, das sich in demokratischer Wahl im Bündnis, dem "Olivenbaum" beweisen und bestätigen soll, das aber
nicht mehr die Partei selbst zur Propagierung oder gar zur (Meinungs-)Bildung braucht. Vielmehr werden diese Meinungen von Lobbys in die
Welt gesetzt und verbreitet, will sagen, von offen und legal agierenden Interessengruppen. Die ehemaligen Aktiven, so forderten Veltroni und
andere, sollten endlich verstehen, dass sie nichts anderes als Wähler sind, als solche sollten sie sich benehmen. Also Schluss mit den
teuren Parteizellen und -lokalen. Mitglieder wählen oder kandidieren für ein Wahlamt. Jene zwei Ex-Aktivisten, die die Altlast
LUnità nicht mehr mitschleppen möchten, gehören Interessengruppen an. […]
Die Unità, die jetzt zu Tode kam, gab es gar nicht mehr. Die, die
nun entstehen wird, wird etwas ganz anderes sein. Wahrscheinlich unter einem Leiter, der nicht aus den DS kommt… So etwas wie eine Mini-
Repubblica.
Aber was soll mit jenen geschehen, die an die verstorbene Zeitung geglaubt
und für die Umsetzung von deren Idealen gelebt und gearbeitet haben? Mit jenen, die sich fragen, welches Ende die Partei nehmen, wo sie
in einem Jahr sein wird?
Nun, das ist ein ganz anderes Thema.
*Aus der schweizerischen
Wochenzeitung Woz Nr.31.