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Ein neuer Branchenriese erblickt das Licht der Welt: Am 10.Juli ging die European Aeronautic, Defense and
Space Company, kurz EADS, an die Börse. Mit dem Börsengang wurde die Gründung des neuen Unternehmens vollzogen.
In der EADS gehen drei europäische Luft- und
Raumfahrtunternehmen auf: die deutsche DASA, der französische Rüstungskonzern Aerospatiale Matra sowie die spanische CASA.
Damit gibt es erstmals einen europäischen Rüstungskonzern, auch wenn Großbritannien, wie Politik und Industrie
ursprünglich geplant hatten, vorerst nicht beteiligt ist.
Der neue Konzern ist auf Anhieb das weltweit drittgrößte Luft-
und Raumfahrtunternehmen. Bei den Zivilflugzeugen ist EADS die Nummer Zwei, da sie 80% am Airbus-Konsortium hält. Weitere
Erfolgsdaten aus der Welt der militärischen und zivilen Luftfahrt: Mit Eurocopter führt EADS den Markt bei Hubschraubern an, bei
militärischen Transportflugzeugen liegt EADS unter den ersten drei weltweit.
An dem von mehreren europäischen Ländern gemeinsam
produzierten Kampfflugzeug Eurofighter hält die EADS 43%. EADS ist außerdem bei Trägerraketen, Satelliten und
Verteidigungselektronik aktiv.
"Durch EADS sind die Europäer endlich auf Augenhöhe
mit den Amerikanern", schwärmt Rainer Hertrich, einer der beiden Chefs der EADS, die Bedeutung des Rüstungskonzerns
für die europäische Rüstungsindustrie. "Mit EADS hat die Restrukturierung der europäischen Luft- und
Raumfahrtindustrie einen vorläufigen Abschluss erreicht", so auch Bundeswirtschaftsminister Werner Müller (SPD) auf der
Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) am 6.Juni 2000 in Berlin. Mit EADS unternehme die europäische Luft- und
Raumfahrtindustrie "einen zwingenden Schritt zur Sicherung ihrer Position im globalen Wettbewerb".
An Aufträgen wird es dem neuen Unternehmen in nächster Zeit
nicht mangeln. So sollen das Militärtransportflugzeug A400M sowie das Großraumflugzeug A3XX produziert werden. Eurocopter,
ein hundertprozentiges EADS-Tochterunternehmen, soll einen neuen Transporthubschrauber herstellen.
Geleitet wird der EADS-Konzern, dessen juristischer Sitz die Niederlande
sind, von dem Deutschen Rainer Hertrich von DASA und dem Franzosen Philippe Camus von Aerospatiale Matra. Die Zentrale ist zweigeteilt
in Paris und München. Mit Manfred Bischoff und Jean-Luc Lagardère teilen sich wieder ein Deutscher und ein Franzose den
Vorsitz des Aufsichtsrats.
Kampf um Kommandohöhen
Das EADS geht zurück auf den Dezember 1997, als sich
die Regierungen von Frankreich, Deutschland und Großbritannien für den Zusammenschluss ihrer Luft- und Raumfahrtindustrien
aussprachen.
Im März 1998 erklärten die vier an Airbus beteiligten Firmen,
dass sie nicht nur den militärischen Flugzeugbau zusammenfassen wollten, sondern alle Sparten der Luft- und Raumfahrtindustrie.
Zu einer Absichtserklärung der Verteidigungsminister von
Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Italien und Schweden kam es am 6.Juli des gleichen Jahres. In der
Absichtserklärung sprachen sich die sechs Länder für die Schaffung eines europäischen Rüstungskonzerns aus,
der den Namen European Aerospace and Defence Company - EADC tragen sollte.
Jetzt begann das, was Arno Neuber von der Informationsstelle
Militarisierung (IMI) den "Kampf um die Kommandohöhen des neuen Eurorüstungskonzerns" nannte: das Feilschen um
Anteile, gepaart mit Versuchen, durch Zusammenschlüsse das eigene Kampfgewicht zu erhöhen.
"Europa bildet den Rahmen für den Kampf der
Rüstungsmultis um einen größeren Markt, mehr Absatz und Gewinn, mehr Macht und Einfluss", so Neuber. Weil es
nicht um eine Europäisierung der nationalen Industrien gehe, sondern "um die Unterwerfung Europas unter die jeweiligen
Rüstungsinteressen", komme es in jedem Land erst zu einem Prozess der "nationalen Konsolidierung", so Neuber 1998
auf einem Kongress der Informationsstelle Militarisierung.
Als ein Ergebnis dieses Hauens und Stechens blieb Großbritannien
erst einmal außen vor. Im Januar 1999 schloss sich British Aerospace (BAe) mit dem größten britischen
Rüstungselektronikkonzern General Electric/GEC zu BAe Systems zusammen. Schließlich gründeten Deutschland und
Frankreich im Dezember 1999 im Alleingang die EADS durch einen Zusammenschluss von Aerospatiale Matra mit der DASA. Dann
stieß der spanische Luftfahrtkonzern Construcciones Aeronaúticas/CASA zur EADS dazu.
So stellt sich die Kräfteverteilung in der EADS erst mal wie folgt
dar: Frankreich, also französischer Staat und Industrie, halten 45,7%, genau so viel wie die DASA. Spanien bzw. die CASA ist mit 8,5%
beteiligt. Diese Anteile fließen in eine niederländische Holdinggesellschaft, die damit 65,57% an EADS hält; die restlichen
34,43% werden an der Börse gehandelt.
Durch die Übernahme von CASA konnte schließlich die
deutsche DASA das eigene Gewicht im gemeinsamen Rüstungskonzern EADS noch mal steigern. Mit der CASA ist die DASA
größter Einzelaktionär an dem neuen Unternehmen - und mit ihr die hinter DASA stehende DaimlerChrysler AG
beziehungsweise die Deutsche Bank.
Damit existieren - vereinfacht gesagt - zwei Rüstungsachsen in
Europa: Auf der einen Seite die EADS mit Deutschland, Frankreich und Spanien, auf der anderen Großbritannien mit Italien und
Schweden. Beiden Achsen kooperieren allerdings in mehreren Bereichen miteinander.
So ist BAe Systems mit 20% an Airbus beteiligt, die EADS mit 80%.
Ebenso wird bei Satelliten und Raketen zusammengearbeitet. Noch 1999 beschlossen die an der EADS beteiligten Konzerne sowie die BAe
Systems, ihre Raumfahrtsparten unter dem Namen Astrium zusammenzuschließen.
Auch die Produktion des Eurofighters läuft gemeinsam: EADS
hält hier 43%, BAe Systems 37,5 und Italien 19,5%. Im April 2000 beschlossen EADS und die italienische Finmeccanica die
Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zum Bau von Militärflugzeugen. Das neue Unternehmen wird den größten
Anteil am Eurofighter halten.
"Festung USA" knacken
Das neue europäische Unternehmen EADS gilt als wichtiger
Meilenstein, um mit den USA Schritt zu halten. Dort ist der Konzentrationsprozess in der Rüstungsindustrie schon deutlich weiter
fortgeschritten. So ist die Zahl der größeren Rüstungsunternehmen von 51 Anfang der 80er Jahre auf 5 gefallen (Financial
Times Deutschland vom 25.5.2000). Gegenüber Europa haben die USA ihren Rüstungsmarkt bisher außerdem gut
abgeschottet. Mit EADS soll nun die "Festung USA" geknackt werden, wie es Manfred Bischoff vom EADS-Aufsichtsrat
formulierte.
Die EU-Kommission hatte schon 1997 in ihrer Mitteilung "Die
Europäische Luft- und Raumfahrtindustrie - Antworten auf die globalen Herausforderungen" die im Vergleich zu den USA stark
zersplitterten Märkte beklagt.
Sie sah die europäische Luft- und Raumfahrtindustrie im Wettbewerb
mit den USA benachteiligt und sprach sich für eine Umstrukturierung dieses Industriezweigs aus, wobei sie nationale Konsolidierungen
zugunsten europäischer Unternehmensgruppierungen verwarf.
"Angesichts der Bildung riesiger internationaler und besonders
amerikanischer Gruppen, war es wesentlich, die europäischen Kräfte zu bündeln" begründete Frankreichs
Regierungschef Lionel Jospin den Zusammenschluss von Aerospatiale Matra und DASA am 14.September 1999 in Straßburg.
Den neuen Konzern bezeichnete Jospin als "ein mächtiges
Instrument beim Aufbau eines starken und solidarischen Europa", "das seine Zukunft fest im Griff hat".
Die deutsche Bundesregierung konnte mit dem gelungenen
Zusammenschluss ein Versprechen ihres Koalitionsvertrags einlösen: "Die Koalition unterstützt aktiv die Bemühungen
um den Zusammenschluss der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie." Gleichzeitig konnte Bundeskanzler Gerhard
Schröder seinen Kritikern entgegenhalten, dass er die deutsch-französischen Beziehungen keineswegs
vernachlässige.
Mit Airbus gegen Boeing
Gerade zum Zeitpunkt der EADS-Gründung kam ein neuer
Großauftrag für Airbus und damit für die gesamte europäische Luft- und Raumfahrtindustrie.
Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping fällte im Juni eine Entscheidung über die Anschaffung eines neuen
Transportflugzeugs für die Bundeswehr. Zur Auswahl standen der Airbus A400M, die russisch-ukrainische Antonov AN-70 sowie C-17
von Boeing und C-130 von Lockheed Martin. Die Entscheidung des Ministers fiel auf die Eigenproduktion Marke Airbus.
Nach Recherchen des Fernsehmagazins Monitor war das die teurere Wahl.
Monitor liegen nach eigenen Angaben vertrauliche Dokumente der DASA vor, nach denen die Antonov-Flugzeuge 3,3 Milliarden Mark billiger
geworden wären. Monitor berichtete außerdem, dass Scharping den Kauf der Airbus-Maschinen gegen die Empfehlung seines
damaligen Generalinspekteurs Hans-Peter von Kirchbach beschlossen habe, der für die Antonov plädiert hatte.
Ende Juli 2000 entschieden sich dann die Verteidigungsminister von sieben
europäischen Staaten für die Anschaffung des Airbus A400M. Insgesamt wollen Deutschland, Frankreich, Spanien,
Großbritannien, Belgien, Italien sowie die Türkei 225 Militärtransportflugzeuge ordern. Jetzt solle mit Airbus über den
Preis verhandelt werden, so dass im nächsten Frühjahr der Auftrag erteilt werden kann.
Auch die Entscheidung für die Produktion des neuen
Großraumflugzeuges A3XX fiel zum Zeitpunkt der EADS-Gründung. Mit A3XX will die europäische Luftfahrtindustrie den
USA und deren führenden Flugzeughersteller Boeing Konkurrenz machen. Die europäische Industrie wolle dem Flugzeughersteller
aus Seattle mit einer kompletten Produktpalette entgegengetreten, wie Jean-Luc Lagardère als Aufsichtsratsvorsitzender von
Aerospatiale Matra auf der letzten Hauptversammlung von Aerospatiale Matra laut Financial Times Deutschland erläuterte.
Bisher beherrscht die amerikanische Boeing mit Boeing 747 weltweit den
Markt für Großraumflugzeuge. Boeing konnte andere Flugzeugtypen mit den Einnahmen aus dem Geschäft mit den
Großraumflugzeugen subventionieren. Das will die europäische Luftfahrtindustrie jetzt ändern und bläst zum
Generalangriff: "Wir können unserem Wettbewerber Boeing keine Monopoleinnahmen erlauben", so Rainer Hertrich von
EADS.
Schwierigkeiten bei der Produktion des A3XX gab es nur noch durch
Spannungen im europäischen Lager, die anlässlich der letzten Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin offen
hervortraten. Durch die Gründung von EADS kam es im Airbus-Konsortium zu einer deutlichen Verschiebung der
Kräfteverhältnisse. Deutschland, Frankreich und Spanien halten jetzt über die EADS 80% an Airbus.
Angesichts dieser Koalitionsbildung bei Airbus verlangte
Großbritannien nun ein Vetorecht, um etwa die Verlagerung von Produktionsstandorten aus Großbritannien aufs europäische
Festland verhindern zu können.
Der Streit endete mit einem Kompromiss, und Ende Juni konnten EADS und
BAe Systems den Start von A3XX bekannt geben. Das Flugzeug wird nun im französischen Toulouse montiert. Innenausstattung und
Lackierung erfolgen in Hamburg. In Großbritannien und Frankreich werden Komponenten gefertigt. In Hamburg wird für die dann
notwendige Erweiterung des örtlichen DASA-Werkes ein Naturschutzgebiet teilweise zugeschüttet.
Konsequenzen
für Rüstungsexporte?
Einen weiteren Großauftrag konnte die hundertprozentige EADS-Tochter Eurocopter dieses
Jahr auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (ILA) in Berlin unter Dach und Fach bringen. Deutschland, Frankreich, Italien und
die Niederlande schaffen den neuen Militärhubschrauber NH90 an. Insgesamt werden es rund 300 Maschinen sein. "Eurocopter
steht vor dem größten Auftrag seiner Geschichte", jubelte der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie
(BDLI).
Noch im März war die Stimmung bei Eurocopter deutlich schlechter
gewesen. Da hatte die Türkei mitgeteilt, dass sie bei der geplanten Beschaffung von 145 Kampfhubschraubern die Angebote von
Eurocopter und Boeing nicht berücksichtigen werde. Aerospatiale Matra, damals noch mit der DASA an Eurocopter beteiligt, machte die
deutschen Vorbehalte gegen die Türkei verantwortlich.
"Dieses Beispiel zeigt uns, dass die Regierungen ihre Exportpolitik in
Ordnung bringen müssen. Wir können uns nicht selbst schwächen; wenn das so weiter geht, wird es zwangsläufig
Konsequenzen bei der Industrie geben", so der damalige Aerospatiale-Chef Philippe Camus.
Agenturberichten zufolge schloss er auch die Verlagerung bestimmter
Aktivitäten nicht aus, wenn es mit Deutschland Probleme gebe, sprich in Deutschland gefertigte Kriegswaffen keine Exportgenehmigung
bekommen.
Dirk Eckert