Sozialistische Zeitung |
Fünf Jahre nach dem UN-Sozialgipfel in Kopenhagen fand vom 26. bis 30.Juni in Genf die
Folgekonferenz statt. Für die Anti-WTO-Initiativen war es die Gelegenheit, ihre Aktivitäten besser zu koordinieren.
Anders als in Kopenhagen gab es in Genf keinen Gegengipfel der NGOs.
Ein großer Teil von ihnen war eingebunden in ein Forum, das u.a. der schweizerische Unternehmerverband organisiert hatte und das von
der Eidgenossenschaft finanziert wurde. Die Lobbytätigkeit, mit der die NGOs die UN-Gipfel von Anfang an begleitet haben, ist sichtbar
in eine Sackgasse geraten. Was sich in Genf zu einem Alternativgipfel zusammengefunden hat, stand unter einem ganz anderen Stern:
Der UN-Gipfel wurde als Aufhänger für ein
eigenständiges Treffen der Anti-WTO-Initiativen aus der ganzen Welt begriffen, die vorwiegend über ihre eigene Vernetzung und
über die Schaffung einer Gegenmacht von unten diskutierten. Der Genfer Gegengipfel war Ergebnis des Aufrufs von Bangkok im
März 2000, als die Anti-WTO-Bewegung, inspiriert von den Ereignissen in Seattle, am Rande einer UNCTAD-Konferenz zusammentraf,
um über den weiteren Aufbau einer weltweiten Bewegung zu beraten.
"Die Ereignisse von Seattle haben das Kräfteverhältnis
zwischen den sozialen Bewegungen gegen die Globalisierung und den Führern der G7 … die das Projekt der Globalisierung
vorantreiben, verändert ... Seattle hat gezeigt, dass wir uns gegen dieses globale Projekt zusammenschließen können ... Wir
müssen unsere Fähigkeit zur nationalen und internationalen Mobilisierung ausbauen und unsere internationale Kooperation
stärken." So heißt es im Appell von Bangkok.
Der Gegengipfel in Genf hat erhebliche Fortschritte in dieser Zielsetzung
gebracht. In der Einladung wurde festgestellt, die Bewegungen hätten es in Seattle noch nicht vermocht, sich eine gemeinsame
Orientierung und einen auf internationaler Ebene koordinierten Arbeitsplan zu geben. Das Ziel war deshalb die Redaktion einer
Abschlusserklärung, die all die Fragen aufwirft, die uns gemeinsam betreffen: die Folgen der liberalen Globalisierung für die
Gesellschaften, die Umwelt, die Demokratie.
Das Abschlussdokument ist auf deutsch auf der Internet-Seite
<www.attac.org> erhältlich. Es bezieht Stellung zu folgenden Fragen: Schuldenstreichung, Sozialklauseln, Umweltklauseln,
Altersversorgung und Sozialstaat, öffentliche Dienste und Privatisierung, Recht auf Arbeit, Einkommen und gewerkschaftliche
Tätigkeit, Patentierung des Lebens, Kampf gegen die Multis, Devisenspekulation, Antworten auf die internationalen Finanzkrisen. Damit
bildet das Dokument so etwas wie eine programmatische Grundlage für die Anti-WTO-Bewegung.
Zu einzelnen Fragen gab es gesonderte Dokumente und schriftliche
Diskussionsbeiträge: so zu den Sozialklauseln (ein Papier von ATTAC Frankreich, hier gab es die meisten Kontroversen), zum
öffentlichen Dienst (ein Papier von SUD-PTT), zur Kapitalbesteuerung (ein Papier von ATTAC Genf).
Die zentrale Initiative für eine weltweite Organisierung der Anti-
WTO-Bewegung kam aus Brasilien: Ein breites, von der CUT und der PT angeführtes Bündnis lädt für den 25.-
30.Januar 2001 nach Porto Alegre, der Hauptstadt des Bundesstaates Rio Grande do Sul, zu einem Weltsozialforum ein. Dieses Forum findet
zeitgleich zum Weltwirtschaftsforum in Davos statt und versteht sich ausdrücklich als Gegenveranstaltung.
Im entsprechenden Aufruf heißt es: "Seit 1971 spielt das
Weltwirtschaftsforum eine Schlüsselrolle in der Formulierung neoliberaler Politik in der Welt. Es wird gesponsort von einer
schweizerischen Organisation, die als Beraterin bei den Vereinten Nationen dient und von über eintausend Firmen finanziert wird. Das
Weltsozialforum wird Raum bieten für die Formulierung wirtschaftlicher Alternativen, für den Austausch von Erfahrungen und die
Stärkung der Nord-Süd-Beziehungen zwischen NGOs, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen. Es wird auch Gelegenheit bieten
für die Entfaltung von Aktionen, die Aufklärung der Öffentlichkeit und die Mobilisierung der internationalen Zivilgesellschaft
... Das Weltsozialforum bietet eine neue Möglichkeit zum Aufbau einer internationalen Gegenmacht."
Anvisiert ist die Beteiligung von 2500 Menschen aus allen Kontinenten.
Die Regierung des Bundesstaats und die Gemeinde, die beide von der PT gestellt werden, unterstützen das Forum offiziell.
Neben dieser zentralen Initiative gab es Aufrufe zu mindestens zwei
weiteren Vernetzungsvorschlägen:
1. Ein internationales und panafrikanisches Treffen in Dakar, vom 12. bis
17.Dezember 2000, zur Streichung der Schulden Afrikas. Dazu liegt ein Amsterdamer Aufruf Dakar 2000 vom 7.April 2000 vor. Kontakt:
<jubilee.dk2000@sentoo.sn>.
2. Eine internationale Konferenz für gewerkschaftliche
Solidarität gegen das Kapital vom 29.September bis 1.Oktober in Frankreich. Die Initiative dazu wurde im Mai auf einer Konferenz in
Oren, Türkei, ergriffen, wo mehrere hundert Gewerkschafter und Betriebsräte aus über ein dutzend Ländern über
die Probleme der Arbeiterbewegung heute diskutierten. Privatisierung, Abbau des Sozialstaats und Angriffe auf gewerkschaftliche Rechte
stehen im Mittelpunkt.
Die Dokumentation der einzelnen Arbeitsgruppen, die teilweise sehr
interessante Beiträge brachten, ist auf englisch oder französisch nachzulesen bei: www.attac.org.
Angela Klein