Sozialistische Zeitung |
Die US-Gewerkschaften haben im Vergleich zu ihrer Haltung in Seattle, den Rückwärtsgang
eingelegt", stellt Sze Pang Cheung, Redakteur des Globalization Monitor, fest. Der in Hongkong erscheinende Globalization Monitor ist
ein chinesisches Bulletin, das die Globalisierung kritisch analysiert.
"Die Gewerkschaften und die NGOs sagen jetzt, dass China und nicht die
Welthandelsorganisation (WTO) das Hauptproblem sei. Also nicht die neoliberale Globalisierung oder der Kapitalismus. Zweifellos
hält man in China wenig von Menschen- oder Arbeiterrechten. Reicht das aber aus, um sich der Aufnahme Chinas in die WTO zu
widersetzen? Viele WTO-Mitglieder sind ebenso autoritär wie die chinesische Regierung. Wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass die
WTO selbst eine antidemokratische Institution ist, die weder Menschen- noch Arbeiterrechte beachtet."
Darum kritisieren Aktivisten die Strategie des Dachverbands der US-
Gewerkschaften, der AFL-CIO, und erklären, es sei besser die Auflösung der WTO zu fordern, als gegen die Aufnahme Chinas in
die WTO einzutreten. Wenn es einen berechtigten Grund gibt, gegen die Aufnahme Chinas in die WTO zu sein, dann doch wohl, weil die
Interessen der arbeitenden Menschen nicht nur in China, sondern auch in Amerika und in Asien verletzt werden.
Die AFL-CIO erklärt den amerikanischen Arbeitern, dass ein chinesisch-
amerikanisches Handelsabkommen für sie schädlich sei. Es muss jedoch betont werden, dass es hierbei nicht nur um die
amerikanische Arbeiterklasse geht, sondern um die Arbeiterklasse ganz allgemein. Es geht nicht mur um Arbeiterinteressen einer bestimmten
Nation, sondern ganz allgemein um das Klasseninteresse, das wir beachten müssen. Die AFL-CIO kümmert sich jedoch nicht um
dieses grundsätzliche Problem.
Die arbeitenden Menschen, bspw. in China, würden von dem
Handelsabkommen hart betroffen werden. Um 27% würde sich in den kommenden fünf Jahren die Autoproduktion verringern und
eine Million Menschen würden ihren Arbeitsplatz verlieren. Die Subventionen für die Textilindustrie müssten gestrichen
werden, wodurch über eine Million Menschen arbeitslos würden. Zehn Millionen Bauern würden aufgeben und in die
Städte strömen, wo sie Arbeit suchen und das Meer der Arbeitslosen vermehren würden.
Die Regierung von Hongkong hat ihrer Bevölkerung schamlos erklärt,
die künftige Herausforderung sei es, wettbewerbsfähiger zu werden - was bedeutet, günstigere Bedingungen für
Auslandskapital zu schaffen und Arbeitskosten zu senken.
Überraschend war, dass Indien nach Seattle seine Wirtschaft liberalisierte.
Für 1400 traditionell geschützte Importartikel, wie landwirtschaftliche Textilien und Verbrauchsgüter, aus den USA wurden
Beschränkungen aufgehoben. Aktivisten in Indien beschuldigten die Regierung des "Post-Seattle-Ausverkaufs".
Sze Pang Cheung kritisiert auch den Versuch der WTO, der Globalisierung insgesamt
durch eine "Sozialklausel" ein "menschliches Antlitz" zu verpassen: "Eine Sozialklausel mag ein mächtiges
Werkzeug sein, aber in welchem Sinne ist es mächtig? Ist es eine wirkungsvolle Waffe in unseren Kämpfen für
Arbeiterrechte unter der Globalisierung. Das Problem mit der Sozialklausel ist es, dass nicht nur die Verletzung von Arbeiterrechten an sich
bestraft werden soll; nur wenn die Verletzung von Arbeiterrechten zu ‚unfairem Handel führt, kann die Sozialklausel augewendet
werden."
Durch die Sozialklausel würden nicht diejenigen bestraft, die Arbeiterrechte
vergewaltigen. Die Erzwingung von Sozialklauseln durch den Mechanismus von Handelssanktionen, die einem bestimmten Land auferlegt
werden, würde für die Bevölkerung in diesem Land Härten schaffen, aber nicht für die Kapitalisten, die
Arbeiterrechte verletzen. "Wenn heute die Herausforderung für die Arbeiterbewegung darin liegt, gegen das Kapital zu
kämpfen, das dank der Globalisierung immer mächtiger geworden ist, was soll dann eine Sozialklausel?"
Was also muss man tun? Die AFL-CIO-Strategie ist populär, weil sie
antichinesische und antikommunistische Gefühle mobilisiert hat, die in der amerikanischen Kultur tief verankert sind. Sie ist auch darum
anziehend, weil sie einen leichten Weg zeigt, sich vor dem Kampf gegen die Globalisierung zu drücken: Während nichts weniger
erforderlich ist, als eine globale Bewegung gegen das System, um die Welthandelsorganisation zu stoppen, ist die Strategie im Parlament die
Gewährung einer "dauerhaften normalen Handelsbeziehung" mit China zu blockieren ein weitaus leichterer Kampf.
Gewerkschaften in entwickelten Ländern brachten ihren Mitgliedern bei, dass
sie ihren Job verlieren, weil Kapitalisten ihre Produktion in Billiglohnländer/Entwicklungsländer verlegen. Darum beschuldigen
Arbeiter aus den entwickelten Ländern die Billigarbeiter in den Entwicklungsländern ihnen ihren Job zu "stehlen". Das
aber ist nur eine Teilwahrheit: 70% der Bewegung von globalem Kapital findet in den entwickelten Ländern statt. Von der WTO zu
verlangen, sich um Arbeiterrechte zu kümmern, bedeutet nicht, gegen das globale Kapital zu kämpfen, sondern sich ihm
auszuliefern.
Wenn man innerhalb des Rahmens dieser neoliberalen Institution wirksam wird,
scheinen Anhänger der Sozialklausel zuzugeben, dass Arbeiter so schwach sind, dass wir von der WTO die Kraft borgen müssten,
um unsere Interessen zu verteidigen.