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"Kritische Beiträge muss eine Regierung aushalten", meint die stellvertretende Pressechefin des Auswärtigen Amts
(AA). Doch der bisweilen joviale Ton des nun von Josef Fischer geleiteten Amts kann schnell umschlagen. Das musste auch Albrecht Kieser
erleben, dessen Hörfunkbeitrag "Asylrecht und Diplomatie - die Lageberichte des Auswärtigen Amts" im Mai der
Deutschlandfunk ausstrahlte. Knapp zwei Wochen später erging ein Schreiben der Presseabteilung an die zuständige Redaktion, in
dem das Amt fordert, "zukünftig ähnlich einseitige und unausgewogene Berichte wie die von Herrn Kieser" zu
vermeiden.
Die streng vertraulichen Lageberichte des AA dienen den Verwaltungsgerichten als
Entscheidungsgrundlage bei Asylanträgen. SoZ-Autor Kieser hat die Berichte über den Kosovo, die Türkei und den Irak
kritisch unter die Lupe genommen. "Eine derartige Abwehrhaltung gegen kritisches Nachfragen habe ich in meiner bisherigen Arbeit noch
nicht erlebt", kommentiert der seit vielen Jahren tätige Journalist das Informationsgebahren des Amtes.
Auch dem grünen Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Ludger
Vollmer, sind die existentiellen Auswirkungen der Lageberichte bewusst, und er bemängelt, dass es "der alten Regierung" mit
den Lageberichten "letztlich um eine Abschottungspolitik" ging. Grund genug für Kieser, diese Aussagen und die nach
Angaben des AA bereits im Sommer 1999 durchgeführte "umfangreiche Reform seiner Lageberichte" zu
überprüfen.
Im Ergebnis konnte der Journalist "trotz der kritischen Äußerungen
Vollmers" keinen "erkennbaren Bruch mit der bisherigen Praxis" erkennen. Das AA konterte und behauptete, der Bericht
enthalte "eine Vielzahl von falschen Behauptungen und Unrichtigkeiten".
Besonders empfindlich reagierte das AA auf Kiesers Feststellung, dass es noch im
November 1998 Abschiebungen in den Kosovo "empfohlen" hätte. Diese "Behauptung" sei "falsch",
denn das AA spreche "grundsätzlich keine ‚Empfehlungen aus. Vielmehr enthielten die Lageberichte "lediglich eine
objektive Beschreibung der abschieberelevanten Lage vor Ort". Zudem beruft sich das Amt auf das damalige Flugverbot nach
Jugoslawien, was einen "faktischen Abschiebestopp" darstelle.
Tatsächlich beinhaltet der Kosovo-Lagebericht vom 18.November 1998 eine
"inländische Fluchtalternative". "Nur weil es diese Einschätzung gab, konnten die für die Abschiebung
zuständigen Behörden Abschiebungen vornehmen", erläutert Kieser. Zwar seien keine Abschiebungen auf dem Luftweg,
jedoch auf dem Landweg bis 1999 hinein u.a. von der Bayerischen Landesregierung organisiert worden - unter Berufung auf den Lagebericht
des AA.
Auch in den Irak "empfehle" das AA keine Abschiebungen, so die
Pressestelle. Doch die Aussage des Lageberichts, dass im Nordirak "Flüchtlinge und Einheimische weitgehend Schutz vor dem
Zugriff der Bagdader Sicherheitsdienste genießen" ist auch hier Entscheidungsgrundlage der Verwaltungsgerichte.
Die geäußerte Aufforderung des AA an den Deutschlandfunk, solche
Berichte künftig zu vermeiden, kann Kieser "nur als Zensurversuch interpretieren". Seinem Anliegen jedoch, dass sich der
"Deutschlandfunk gegen solches Ansinnen in aller Deutlichkeit und öffentlich" verwahren solle, wird die Rundfunkanstalt
nicht nachkommen.
Obwohl Kieser berichtete, dass sich die Redaktion hinter die Grundaussage seines
Beitrags gestellt hatte, erklärt der Redaktionleiter, bei dieser Angelegenheit handele es sich um eine "offizielle Auseinandersetzung
zwischen dem Autor und dem AA". Der Pressesprecher des Deutschlandfunks spricht von "falschen Inhalten". Ohne direkten
Bezug auf den Bericht Kiesers, der mit einer anderen Sendung für den Deutschlandfunk einen Medienpreis der Internationalen
Journalistenförderation gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gewonnen hatte, sollten "die Fehler durch einen weiteren
Beitrag wieder ins richtige Licht" gerückt werden.
Das dürfte ein schwieriges Unterfangen werden, wenn dabei kein
"einseitiger und unausgewogener" Bericht zugunsten des AA herauskommen soll. Denn der jüngste Lagebericht zum Irak, bei
dem sich das AA entsprechend seiner vielgepriesenen "Reform" erstmals vor der Erstellung mit Menschenrechtsorganisationen
besprochen hatte, ist abermals in die Kritik geraten.
Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl, die an diesem Gespräch beteiligt
war, ist enttäuscht. Es gebe "eine ernüchternde Kontinuität der Tradition der Irak-Lageberichte der Ära
Kinkel", das Irak-Dossier sei "beschönigend" und versäume es weitgehend, "Daten und Material über
die Situation im kurdischen Nordirak vorzulegen", denn tatsächlich seien Kurden dort "staatlichen Repressionen und gezielten
Menschenrechtsverletzungen" ausgesetzt. Der Bericht sei Ausdruck der "deutschen und europäischen
Flüchtlingsabwehrpolitik", so Pro Asyl.
Gerhard Klas