Sozialistische Zeitung |
Die Initiative für eine Vernetzung der Gewerkschaftslinken wendet sich gegen die von "Rot-
Grün" geplante Rentenreform. Hauptkritikpunkte sind die geplante Entlastung der Arbeitgeber und die drastische Senkung des
sozialen Sicherungsniveaus bei Erwerbsminderung, im Alter und Hinterbliebenenfall. Die SoZ dokumentiert einen gekürzten Aufruf der
Initiative.
Nur die Beibehaltung der paritätischen Finanzierung, die sich nicht dem
Dogma der Lohnnebenkostensenkung unterwirft, und die Aufrechterhaltung des sozialpolitischen Ziels der Lebensstandardsicherung
können Grundlage für weitergehende Reformen sein. Die gesetzliche Rentenversicherung muss armutsfest gemacht werden. Die
Benachteiligung von Frauen, NiedrigverdienerInnen und Erwerbstätigen außerhalb des Normalarbeitsverhältnisses durch das
aktuelle Rentenrecht kann sozialpolitisch ausgeglichen werden.
Dafür würde es sich lohnen, den Kreis der
Rentenversicherungspflichtigen auszuweiten, die Flucht aus der Rentenversicherung zu stoppen, auch höhere Einkommen zu erfassen und
sofern erforderlich, auch höhere Beitragssätze durchzusetzen. Auch wenn wir aus guten Gründen die solidarische
Rentenversicherung gegen eine große Koalition von SPD, Grünen, FDP und Union verteidigen, wissen wir um die Mängel
des jetzigen Rentensystems. Diese Probleme können aber nicht durch Privatisierung und Einführung des Kapitaldeckungsverfahren,
sondern nur durch mehr Solidarität und Umverteilung gelöst werden.
- Der Beitragssatzanstieg soll auf maximal 22% (bis 2030) gedeckelt werden. Die
Arbeitgeber hätten dann nur noch 11% zu zahlen. Dies ist auch eine der Konsequenzen des Bündnisses für Arbeit und
Wettbewerbsfähigkeit, das den Unternehmen Entlastung bei den Lohnnebenkosten garantierte.
- Die Sicherungslücken, die der geplante Sozialabbau aufreißt, sollen
alleine die Arbeitnehmer im Wege der Privatvorsorge schließen. Nicht Entlastung, sondern zusätzliche Belastung gerade auch der
jüngeren Arbeitnehmer lautet also die rot-grüne Devise.
Die Beschäftigten hätten künftig immer 4 Prozentpunkte mehr zu
zahlen als die Arbeitgeber. Im Jahre 2030 betrüge der Arbeitnehmeranteil zur Altersvorsorge 15% - das sind 3 Prozentpunkte mehr, als
bei Aufrechterhaltung der solidarischen Rentenversicherung Der Anteil der Arbeitgeber betrüge hingegen nur noch 11%. Das
Rentenniveau soll weiter sinken - für die Älteren auf das von Schröder bislang als "unanständig" titulierte
Blüm-Niveau und für die Jungen noch weit darunter. Ein Rechentrick - die private Vorsorge wird einfach vom durchschnittlichen
Nettolohn abgezogen - sorgt nämlich dafür, dass die von der Bundesregierung gehandelten Zahlen zur künftigen
Niveauentwicklung um rund 3,5 Prozentpunkten zu hoch ausgewiesen werden. Für viele ArbeitnehmerInnen, die nicht 45 Jahre
ununterbrochen mindestens durchschnittlich verdient haben, bedeutet dies mit zunehmender Wahrscheinlichkeit: Armut im Alter.
- Die rot-grüne Privatvorsorge soll nur Einkommensrisiken im Alter sichern.
Was aber ist bei Erwerbsunfähigkeit und im Hinterbliebenenfall? Warum sollen Frauen für die gleiche Prämie weniger
Leistungen erhalten? Warum sollen Zeiten der Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Kindererziehung nicht abgesichert werden? Private Vorsorge
kennt nicht nur keine Parität bei der Finanzierung, sondern auch keinen Solidarausgleich bei den Leistungen.
- Die Arbeitgeber dürfen nicht aus der paritätischen Finanzierung
entlassen werden. Die Politik der Umverteilung in Form von Steuergeschenken und Senkung von Löhnen und Lohnnebenkosten ist trotz
allem Gerede vom Politikwechsel von der Schröder-Regierung fortgesetzt worden
- Die Bekämpfung von Altersarmut muss innerhalb der solidarischen
Rentenversicherung gelöst werden: kurzfristig durch eine soziale Grundsicherung und mittel- bis langfristig durch die Schließung
von rentenrechtlichen Sicherungslücken infolge Erwerbslosigkeit, Niedriglohnarbeit und Erziehungszeiten.
- Die vorgesehene drastische Senkung des Rentenniveaus zerstört die
Akzeptanz und Legitimation der solidarischen Rentenversicherung, weil selbst nach erwerbslebenslanger Beitragszahlung der Abstand
zwischen Rente und Sozialhilfe immer geringer würde. Weitere Angriffe auf die Höhe der Sozialhilfe durch Regierung und
Unternehmer erhielten dadurch zusätzliche Schubkraft.
Auch die Weiterentwicklung der betrieblichen Altersversorgung (von der bisher vor
allem Männer und Beschäftigte in Großbetrieben etwas haben) kann niemals Ersatz sein für eine
lebensstandardsichernde soziale Rentenversicherung für alle. Selbst eine für alle Arbeitgeber verpflichtende betriebliche
Altersversorgung, die von Rot-Grün kategorisch ausgeschlossen wird, erreicht immer nur die, die in Beschäftigung stehen. Und es
bleibt die Frage: Wenn schon obligatorisch und paritätisch finanziert - warum dann nicht innerhalb der solidarischen
Rentenversicherung? Gleiches gilt im Übrigen auch für die Forderung nach einer paritätisch finanzierten Privatvorsorge. Die
sozialpolitischen Gestaltungsmöglichkeiten sind in der solidarischen Rentenversicherung größer als in jeder Form von
betrieblichen Altersversorgung oder gar im Rahmen privater Vorsorgemodelle.
Die Leistungseinschränkungen der Vergangenheit berühren zwar nicht
das rechnerische modellhafte Standardrentenniveau; sie hatten aber schlimme Auswirkungen auf das von vielen ArbeitnehmerInnen erreichbare
Absicherungsniveau im Alter oder bei Invalidität. Umso wichtiger ist es heute, das verteilungspolitische Ziel der Lebensstandard- und
Existenzsicherung im Alter und die paritätische Finanzierung der Alterssicherung ohne wenn und aber beizubehalten. Beides ist ohne
Überforderung der Beitragszahler in den kommenden Jahrzehnten möglich.