Sozialistische Zeitung |
Die TechnikerInnen der Müllverwertungsanlage (MVA) Bonn haben diesen Sommer sieben Wochen
gestreikt. Die Stadtwerke Bonn GmbH (SWB GmbH) hatten sich nach Übernahme der Müllverwertungsanlage geweigert, die
Sicherheit der Arbeitsplätze sowie das Tarifniveau zu garantieren. Unterm Strich gelang es den Streikenden, eine
"Vereinbarung" mit der Geschäftsführung herbeizuführen, die das geltende Tarifniveau für die Zukunft
festschreibt.
Die betriebliche Altersversorgung soll weiterführt und die Mitgliedschaft der
MVA im Kommunalen Arbeitgeberverband (KAV) auch für den Fall des Engagements eines privaten Investors sicherstellt werden.
Für die nächsten zwölf Jahre sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. In dieser letzten Frage musste die
Gewerkschaft ÖTV Abstriche machen und ist von ihrer Forderung nach einem Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen für
15 Jahre abgerückt.
Die hochqualifizierten und gut verdienenden "Verbrennungsbeamten" - so
historisch besonders sensibel Stadtwerke-Chef Hermann Zemlin - hatten sich bisher als vor Entlassungen und Gehaltsabsenkungen gefeite
Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes der Beamtenstadt Bonn gewähnt. Um so größer war ihre Wut, als der
Stadtwerkekonzern Ende letzten Jahres 95,9% der Geschäftsanteile ihres Unternehmens von der Stadt Bonn übernahm, sich aber
standhaft weigerte, auch die Sicherheit der Arbeitsplätze und das Gehaltsniveau des öffentlichen Dienstes zu garantieren.
Als Ende 1998 der städtische Eigenbetrieb Stadtwerke Bonn als Stadtwerke
Bonn GmbH privatisiert wurde, handelten die im Aufsichtsrat der Stadtwerke versammelten Bonner Kommunalpolitiker noch konzilianter: Sie
schlossen mit der Gewerkschaft ÖTV einen Überleitungstarifvertrag für den Stadtwerkekonzern ab, der seitdem
Kündigungen ausschließt und die bestehenden Löhne und Gehälter garantiert. "Tarifvertrag auch für
uns", forderten in diesem Sinne die TechnikerInnen der Müllverwertungsanlage, der jüngsten Tochter des
Stadtwerkekonzerns, bei ihrer Demonstration durch die Bonner Innenstadt.
Rolf Kluge, Geschäftsführer der Gewerkschaft ÖTV in Bonn,
glaubt zu wissen, warum die Arbeitsplatzsicherheit und das Gehaltsniveau des öffentlichen Dienstes plötzlich nicht mehr für
die Müllverwertungsanlage gelten sollten: "Die Privatisierung bei der MVA GmbH soll weiter gehen als bei den anderen GmbH-
Töchtern des Stadtwerkekonzerns. Jede tarifvertragliche Regelung wäre auf Dauer für den privaten Investor einengend. Die
Politik folgt hier sicherlich einem Wunsch des Investors."
In Bonn pfeifen es mittlerweile die Spatzen von den Dächern: Bei dem
"privaten Investor" handelt es sich um den rheinischen Müll-Mogul Trienekens aus Viersen, der danach trachtet, auch in Bonn
eines seiner privaten Müllmonopole zu errichten. In Köln hat er gerade erfolgreich - ohne Ausschreibung - die Privatisierung der
städtischen Abfallwirtschaftsbetriebe und seinen eigenen Einstieg betrieben. Aber diese Firma, hinter der u. a. der durch seine privaten
Strommonopole bekannte Energiekonzern RWE steckt, betreibt nicht nur Müllöfen, Müllfahrzeuge und Müllpressen,
sondern auch einen Arbeitgeberverband, den Bundesverband Deutscher Entsorgungsbetriebe (BDE). Dessen Tarifverträge unterbieten
das Niveau des öffentlichen Dienstes um etwa ein Drittel.
Stadtwerke-Chef Hermann Zemlin hatte den Streikenden nun lediglich eine
"Betriebsvereinbarung" ohne Verweis auf den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) und ohne die Nennung eines konkreten Datums,
bis zu dem betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen sein sollten, angeboten. Bei einer - allgemein erwarteten - Beteiligung privaten
Fremdkapitals bzw. eines Verkaufs der Müllverbrennungsanlage wäre diese "Betriebsvereinbarung" nur noch
Makulatur.
Die Reaktion der SPD im Bonner Rat auf den Streik war indifferent. Statt in der
größten sozialen Auseinandersetzung in Bonn seit Verschwinden der HausbesetzerInnenszene Farbe zu bekennen, verschanzte sich
Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) hinter einer vermeintlichen "Tarifautonomie", obwohl sie als
Hauptverwaltungsbeamtin die Stadt Bonn als Eigentümerin auf Arbeitgeberseite vertritt.
Nicht auf Seite der Beschäftigten Partei ergriffen hatte zuvor auch schon das
soeben in den Bundestag nachgerückte Stadtwerke-Aufsichtsratsmitglied Ulrich Kelber (SPD), dem in einem SPD-Gremium immerhin
einfiel, der Kündigungsschutz im öffentlichen Dienst gehöre dringend aufgeweicht. Erst auf Initiative eines SPD-
Landtagsabgeordneten, der sich vor dem Tor der Müllverwertungsanlage mit den Streikenden solidarisiert hatte, äußerte die
SPD-Ratsfraktion "Unverständnis über die starre Haltung der Konzernleitung".
Nach sieben Wochen gab die Geschäftsführung nach und bezifferte ihre
Kosten durch den Streik auf über 1 Million Mark. Ihren Antrag vor dem Arbeitsgericht Bonn, die Rechtswidrigkeit des Streiks feststellen
zu lassen, um zivilrechtliche Schadensersatzforderungen gegen die Gewerkschaft ÖTV erheben zu können, hat sie inzwischen
zurückgezogen.
Jendrik Scholz