Sozialistische Zeitung |
So tot kann einer gar nicht sein, dass ihn eine frustrierte Ex-Linke nicht auszubuddeln und zum "neuen" Leitstern
für GesinnungsgenossInnen auf ihren Weg nach rechts zu erklären versucht. Was ist heute noch "links", fragt zum Beispiel Sibylle
Tönnies in der Taz. Der Kleinkapitalist und Biobauer, der sich gegen McDonalds und die Agrarkonzerne auflehnt? Oder der Kämpfer
gegen das Privateigentum an Produktionsmitteln?
Spielt keine Rolle, weil "links" nur eine Definitionsfrage ist, erklärt Genossin
Tönnies: "Entkleidet man die linke Denkwelt nämlich ihrer ökonomischen Basisannahmen, löst man sie ab von der Frage
Privat- oder Volkseigentum, so verliert sie ihre traditionellen Züge ebenso wie ihren theoretischen Charakter und wird ein schwammiges Gebilde. Mit
‚links bezeichnet man dann zwar, wo das Herz schlägt, aber kein ökonomisches Konzept."
Die passende Antwort auf solchen "Basisannahmen"-Striptease hat Altmeister Leo Trotzki
seinerzeit dem "Liebling der Partei", Nikolai Bucharin, gegeben. Auf die grandiose Feststellung Bucharins, der Sozialismus in einem Lande
wäre möglich, wenn man von den internationalen Wirtschaftsbeziehungen abstrahiere, antwortete Trotzki, dass man getrost im Februar nackt
über den Roten Platz in Moskau spazieren könne, wenn man von den Temperaturen und von der Miliz abstrahiere.
Dem kleinen linken Nackedei offeriert Genossin Tönnies dann aber schwups ein neues Gewand:
der Ordo-Liberalismus wäre doch ein famoses Outfit, um den Kampf gegen die Monopole aufzunehmen. Mit dem "Ordo-Liberalismus" gegen
den "Neo-Liberalismus" kann noch jemand folgen?
Ordoliberalismus ist ein alter Hut der Volkswirtschaftslehre. In den 30er Jahren z.T. auch im
Rahmen des bürgerlichen Widerstands gegen Hitler wurde er von Walter Eucken, Wilhelm Röpke, Alexander Rüstow und anderen
zur Theorie erhoben. Damals auch unter dem heute wohl etwas irreführenden Namen Neoliberalismus verkauft, wurde von einem Kleinkapitalismus ohne
Monopole und Trusts geschwärmt, in dem der Staat als neutrale Kraft die Rahmenbedingungen ordnen würde.
Die reine Tauschwirtschaft von Kleinproduzenten war aber schon vorher mehrfach als Alternative zum
Imperialismus und Monopolkapitalismus gepriesen worden, auch und gerade von "linken" Gruppen, die sich von einer antikapitalistischen
Strategie verabschieden wollten oder von dubiosen Kleinbürgerzirkeln, die zusätzlich allerlei sonstige "Auswüchse" des
Kapitalismus, Wucher, Zins und Spekulation und so weiter, bekämpften. Der spezifische "Ordoliberalismus" von Walter Eucken und
Mitstreitern hatte seine Blütezeit allerdings nach Untergang des deutschen Naziregimes. Er wurde von den Strategen des kapitalistischen
Wiederaufbaus aus den Besatzungsmächten und aus den Reihen der deutschen Kapitalistenklasse ausdrücklich als ideologische
Waffe gegen die Linken eingesetzt.
Gegen die Sozialisten und Kommunisten, die Gegner eines kapitalistischen Wiederaufbaus und gegen
die für Vergesellschaftung der Produktionsmittel streikenden ArbeiterInnen und selbst gegen die "Linken" in der CDU, die mit
ihrem "Ahlener Programm" für Sozialisierungen und Volkseigentum eintraten, war der Ordoliberalismus ein treffendes Mittel. Begleitet von
der Legende, eine Theorie des Widerstands gegen Hitler zu sein, belieferte die von Eucken und anderen gegründete "Freiburger Schule"
Ludwig Ehrhard für seine Demagogie der "sozialen Marktwirtschaft".
Nachdem die Operation "Wiederaufbau" und Ausschaltung bzw. Domestizierung der
Linken erfolgreich abgeschlossen war, hatte die soziale Demagogie bald kein Interesse mehr an liberalen Theorien, weil es jetzt darauf ankam eine Arbeiter-
und Gewerkschaftsbewegung kollektiv in das bürgerliche System einzubinden. Die SPD-Variante des Volkskapitalismus war passender.
Und nun, wo auch der strammste Sozi seine Aktien kauft, soll die Linke von heute wieder auf Eucken,
Böhm und Röpke zurückgreifen. Auf die Illusion vom neutralen und ausgewogen handelnden Staat, vom sich auf ein bestimmtes Niveau der
Größe und Zentralisation beschränkendes Kapital und auf andere Märchen. Die antimonopolistische Einheitsfront schlägt
Tönnies dann auch gleich vom US-amerikanischen Kartellamt, das den Microsoft-Konzern zerschlägt, bis zum Anti-McDonalds-Kampf
der Biobauern.
Heute kämen wahrscheinlich noch die Speditionsunternehmen dazu, die gegen die
Mineralölkonzerne kämpfen. Gegen diese Rechts-Fertigung der Linken hilft dann auch nicht mehr der sicher zutreffende Hinweis von
Tönnies, dass, wenn die Grünen sich nunmehr ordo-liberal definieren würden, dies von ihnen als Linksschwenk empfunden werde. Ob
rechts oder halbrechts, ob neo- oder ordo-liberal: Speichelleckerei bleibt Speichelleckerei.
Thies Gleiss
Für Interessierte: die linke Renaissance des Ordoliberalismus hat eine eigene Website: www.deconcentration.org.
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