Sozialistische Zeitung |
Hunderte junge Linke versammelten sich am Abend des 28.September vor dem dänischen Parlament, um den Sieg der
Euro-Gegner beim Referendum zu feiern. Trotz einer massiven Kampagne, die darauf abzielte, Ängste in der Bevölkerung zu schüren,
stimmten 53,1% gegen eine Beteiligung Dänemarks an der Einheitswährung ein Urteil, das durch eine Wahlbeteiligung von 87,8% noch
bekräftigt wird.
Der Hauptanteil der Nein-Stimmen kam von der Wählerschaft der Pro-Euro-Parteien. Mehr als
ein Viertel der liberalen und konservativen Wähler stimmten mit Nein. Trotz einer organisierten Kampagne seitens der Sozialdemokraten und des
Gewerkschaftsverbands LO stimmten 40% der sozialdemokratischen Wähler mit Nein. Und obwohl der Pro-Euro-Flügel der
linkssozialdemokratischen Sozialistischen Volkspartei (SF) wegen seiner Kampagne für ein "neues Europa" (die vom Unternehmerverband
finanziell unterstützt wurde!) eine freundliche Medienresonanz erhielt, stimmten 88% der SF-Wähler mit Nein.
Während die Arbeiterklasse in der Euro-Frage eindeutig gespalten war, gab es eine massive
Ablehnung des Euro in den ärmsten Stadtvierteln mit etwa 60% Nein-Stimmen. Diejenigen, die sich durch die "Entwicklung" an den Rand
gedrängt und bedroht sehen, neigten eher zu einer Ablehnung des Euro, während die besser gestellten Lohnabhängigen der
Einführung der Einheitswährung eher zustimmten.
Pia Kjærsgaard, die Führerin der extrem rechten, fremdenfeindlichen Dänischen
Volkspartei (DF), wurde von einigen Medien als die "Königin des Nein" porträtiert. Es ist wahr, dass die Rechte, nicht nur die DF,
durch vorangegangene Referenden deutlich gestärkt wurde. Die Sozialdemokraten taten ihr bestes, um sich auf die Rolle der DF zu konzentrieren, um
progressive EU-Skeptiker daran zu hindern, gemeinsam mit Nationalisten gegen den Euro zu stimmen.
Die DF-Kampagne rief zu einer "dänischen Abstimmung" zum Schutz von
"Land und Krone" auf, aber hielt sich hinsichtlich ihrer einwandererfeindlichen Positionen zurück, um nicht unnötig zu provozieren.
Die beiden größeren parteiübergreifenden EU-kritischen Bewegungen, die
"Volksbewegung gegen die EU" und die "Junibewegung", wozu auch einige linke Aktivisten gehören, traten für eine
breitestmögliche Allianz ein unter Ausschluss lediglich der Partei von Pia Kjærsgaard. Sie führten ihre Nein-Kampagne
einschließlich u.a. der neoliberalen Konservativen Jugend. Doch in ihrer konkreten Kampagne schien der rechte Flügel nur eine geringe Rolle zu
spielen.
Daneben wurden eigenständige Kampagnen geführt von der SF, der Rot-Grünen
Einheitsliste und anderen linken Parteien sowie von Minderheitsströmungen in der Sozialdemokratie und in den bürgerlichen Parteien.
Überall erwiesen sich die Nein-Kampagnen als weniger problematisch, als zu befürchten war. Sie waren nicht von Nationalismus geprägt,
wenngleich unter der Wählerschaft solche Haltungen zum Ausdruck kamen. Der Einfluss der Europäischen Währungsunion auf das
System der sozialen Sicherung spielte eine bedeutende Rolle bei allen Anti-Euro-Aktivisten.
Das Ja-Lager hatte bei weitem das meiste Geld zur Verfügung, die Unterstützung von drei
Vierteln der Parlamentsabgeordneten, die massive Unterstützung der Unternehmerverbände und der Gewerkschaften und mit der Ausnahme eines
Boulevardblatts aller größeren Zeitungen.
Während die Euro-Befürworter versuchten, die Pläne der EU-Kernländer
für größere Vollmachten der Gemeinschaft vor der Öffentlichkeit zu verbergen, konnte die Nein-Seite führende EU-Politiker
zitieren, die weitere Angleichungen forderten und um so lauter von "Wirtschaftsregierung" sprachen, je stärker der Euro-Kurs fiel.
Meinungsumfragen vor und nach dem Referendum zeigen, dass die dänische Bevölkerung
im Allgemeinen an EU-Fragen interessiert und darüber gut informiert ist, aber zur Skepsis gegenüber dem EU-Projekt neigt, weil sie
fürchtet, dass die EU die Demokratie untergräbt. Die Hälfte hat demnach ihre Entscheidung auf der Grundlage der allgemeinen
Entwicklung der EU getroffen.
Aus diesem Grund nahm die Ja-Seite Zuflucht zu einer Angstkampagne, ähnlich wie bei den
vorangegangenen fünf Referenden zur EU. Bei Nichteinführung des Euro würde die Krone unter Druck geraten, was die Zinsraten steigen
ließe, wodurch 20.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Ein Sieg des Nein würde ein ganzes Paket von Sparmaßnahmen zur Folge
haben.
Dieselbe Botschaft wurde von einer Allianz aus Unternehmern und Gewerkschaftsfunktionären
verbreitet. Ganzseitige Zeitungsanzeigen zeigten Manager und Betriebsräte, die gemeinsam verkündeten: "Wir, die arbeitende
Bevölkerung in den Betrieben, fürchten eine Mehrheit für ein Nein."
Doch die Katastrophenszenarien blieben erfolglos und wurden durch die extrem maßvolle
Reaktion der Märkte in den Tage nach der Abstimmung Lügen gestraft.
Die Verhandlungen über einen neuen EU-Vertrag, der in Nizza im kommenden Dezember
beschlossen wird, sind für die Diskussionen über die Folgen des Referendums entscheidend. Die Regierung behauptet, dass der Vertrag von
Nizza etwas völlig anderes ist, während die EU-kritischen Kräfte verlangen, dass die Regierung den EU-Zug in Nizza abbremst, indem
weitere Mehrheitsentscheidungen blockiert werden, insbesondere zu sozialen Fragen.
Finn Kjeller
Der Autor ist Mitglied der Rot-Grünen Einheitsliste und der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP).
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