Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 12.10.2000, Seite 14

BUKO-Kongress u.a.

Internationalismus geht weiter

Gerechtigkeit oder Barbarei", unter diesem Motto hatte die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einem Interkontinentalen Forum geladen. Es kamen etwa 300 Interessierte am 5.10. ins Kongresszentrum Amon in Hohenschönhausen nach Berlin. Michael Brie, Chef der Rosa- Luxemburg-Stiftung, eröffnete mit Zahlen zur herrschenden Barbarei und einigen klugen Sätzen Rosa Luxemburgs die Veranstaltung, Frederike Habermann ergänzte mit Zitaten aus Erklärungen der Zapatisten.
Muthoni Muru aus dem Senegal konkretsierte die Brabarei noch einmal anhand von Beispielen aus Afrika. Am Ende der Eröffnungsveranstaltung beschrieb David Bleakney von der kanadischen Postgewerkschaft die neuen Wege seiner Gewerkschaft und konnte durch seinen revolutionären Enthusiasmus das Publikum für sich gewinnen. Gregor Gysi kam leider nicht, er hatte wegen des schlechten Wetters seinen Flieger nicht starten können, die Fernsehkamera wurde ob dieser Nachricht abgebaut und das Publikum auf dem ganzen Kongress nicht mehr derart schmunzelnd angetroffen.
Nachdem die BesucherInnen ihr Mittagessen eingenommen hatten - die ReferentInnen speisten in abgetrennten Räumen - konnten sie sich für eines der wortgewaltig angekündigten Podien entscheiden: Die Fassaden der Barbarei, Theorie und Praxis des Neoliberalismus, Gerechtigkeit und Menschenrechte, die neue Imperialordnung und ihre Kriege, Demokratie & Differenz und Kampffeld internationales Handels- und Finanzsystem.
Die geladenen Gäste aus aller Welt versprachen eine spannende Diskussion. "Samir Amin aus Ägypten wird uns zuerst einmal eine Einführung in die Begrifflichkeiten des Neoliberalismus geben", so der Moderator Mario Candeias im Podium zwei. Das würde er nun ganz und gar nicht, so die Antwort von Samir Amin, er wäre doch für das Schlusswort vorgesehen. Die schlechten Karten hatte nun Dieter Plehwe vom Wissenschaftszentrum Berlin, der aus dem Bauch heraus die Eingangsanalyse übernehmen durfte.
Vielversprechende Namen und ein nobler Tagungsort machen noch keine spannende Veranstaltung. Trotz der hohen Qualität einiger Referate standen diese oft einsam neben den anderen. Die Moderation war nicht in der Lage sie zu verbinden und dadurch eine wirklich interessante Debatte aufkommen zu lassen. Insgesamt wich der Eindruck nicht, dass hier edle Zutaten zu einem Kuchen gesammelt worden waren, ohne eine Ahnung davon zu haben, was für ein Kuchen überhaupt gebacken werden soll.
Leider setzte sich dieser Eindruck am folgenden Tag weiter fort. "Widerstand und Visionen" lockten an diesem Tag in den Berliner Nordosten. Leider setzte sich der Trend des Vortages ungebrochen fort. Selbst in der Arbeitsgruppe "Wenn ich groß bin, werde ich Humankapital", in der Studierende aus Mexiko und Argentinien berichteten, kam es nicht einmal zu einer gemeinsamen Fragestellung mit Perspektive, obwohl die Ähnlichkeit der herrschenden Politik und die ähnliche Form in der die universitäre Bildung durch und durch der Vermarktung unterworfen wird immer wieder betont wurde.
Die Verschiedenheit der sozialen Wirklichkeiten war dabei nicht die Ursache des Problems, sondern die mangelnde Kommunikation, bedingt durch die frontale Vermittlung, mangelnde Moderation und einen fehlenden roten Fahden, der die verschieden Wirklichkeiten und Widerstände hätte verbinden können.
Eine halbe Stunde braucht die Straßenbahn, um vom Hotel Amon an die altehrwürdige Humboldt-Universität zu kommen. Hier fand ab Freitag Abend der 23.Bundeskongress entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) statt. Das Eröffnungsplenum war mit mit NGO-Kritikern und NGO-VertreterInnen sowie einem Moderator besetzt, der Fragen vorbereitet hatte, die höflich, aber bestimmt provozierten. Die Positionen wurden deutlich und lediglich eine Positionierung des BUKOs fehlte in dieser Runde.
Die Arbeitsgruppen am nächsten Tag glänzten nicht so sehr durch den Bekanntheitsgrad der Referierenden, sondern durch eine vorwärtsweisende Fragestellung. Am Mittag gab es ein erneutes Treffen mit David Bleakney von der kanadischen Postgewerkschaft. Auf die Frage nach dem Unterschied zwischen beiden Kongressen antwortet er mit funkelnden Augen: "Hier ist mehr Energie." Auch andere, die an beiden Kongressen teilgenommen haben geben eine ähnliche Bewertung ab.
In der Arbeitsgruppe zum Thema Stadtpolitik diskutierten die Anwesenden, wie sich der Neoliberalismus im konkreten Quartier äußert, mit welchen neuen Problemen die Menschen dort zu tun haben und wie sich Widerstand entwickelt. Vor allem die kreative Nutzung bestehender Infrastrukturen machte deutlich, wie Isolierung immer wieder durchbrochen wird, wenn z.B. der Verband der Kriegsopfer von Migranten stark genutzt wird, weil er am günstigsten Rechtsschutz und Mieterberatung anbietet. Die Diskussion entwickelt sich aber dann besonders nach einem Referat eines Vertreters des Duisburger Instituts für Sprach- und Sozialforschung, der nationalsozialistische und ihr nahestehende Lektüre von den 20er Jahren bis heute auswertete. In der Arbeitsgruppe "Kriegsökonomie" die anhand der Ausbeutung der kriegsführenden Parteien in Angola diskutiert wurde, zeichnete sich nach umfangreichen Informationen ab, wie begrenzt Kampagnen sein können, wenn Verbündete fehlen. "Kauft keine blutigen Diamanten" spricht vielleicht noch die "Neue Mitte" an, aber sind sie auch Verbündete gegen Ausbeutung und Krieg?
Die Abschlussveranstaltung schlägt einen Bogen vom konkreten Widerstand Obdachloser in den USA, über die Organisierung von Aforamerikanern in Kolumbien zum Kampf der Flüchtling gegen die Residenzpflicht in Deutschland. Sie versuchen sich in Beziehung zu setzen und immer wieder gibt es Verweise auf die Zapatisten. Sie betonten, dass es bei ihrer Revolte nicht um eine Vereinheitlichung der Kämpfe geht, sondern um den Respekt vor den Unterschieden der Kämpfe und dennoch einen gemeinsamen Kampf gegen die menschenfeindliche Politik des Neoliberalismus. An dieser Herangehensweise setzte auch Thomas Seibert in seinem Abschlussreferat über die Perspektiven internationaler Revolte an. Solidarisch solle man eben mit den anderen sein und diese Solidarität sei eben nicht in einer vereinheitlichten Bewegung aufzuheben. Insbesondere der Nationalstaat stand im Focus der Kritik, da die Rückbesinnung auf die Regulierungen der Nationalstaaten oft die Perspektivlosigkeit der Kritik an der kapitalistischen Globalisierung deutlich macht. "Eine neue Bewegung wird auch Fehler machen, aber etwas besseres als die Nation finden wir immer", so die Schlussworte Seiberts für den BUKO in Berlin.

Tommy Schroedter/Ute Abraham

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