Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.21 vom 12.10.2000, Seite 15

Midnight Oil: The Real Thing

Midnight Oil: The Real Thing, Print Music.

Schlichtweg kitschig war sie, die Abschlussfeier die Olympischen Spiele in Sydney. Premierminister Howard und Faschistenfreund und IOC-Präsident Samaranch demonstrierten vor der Kamera sichtliche Freude über diese Zeremonie. Doch der australischen Band Midnight Oil gelang es, die Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung für einen Moment zu durchbrechen.
Ganz in Schwarz gekleidet betraten "The Oils" die Bühne, lediglich auf Beinen und Brust war der weiße Schriftzug SORRY zu lesen. Auch der deutsche Kommentator kam nicht umhin zu sagen, dass dieses Sorry eine Entschuldigung an die Aborigines sei, für all das Leid, das die weißen Kolonisatoren ihnen angetan haben und bis heute antun.
Midnight Oil spielten mit Beds Are Burning ihren größten Hit. Programmatisch heißt es dort: ‘The time has come | A fact‘s a fact | It belongs to them | Let‘s give it back.‘ Dass Midnight Oil diesen Song spielen würden, wussten die Veranstalter, aber der demonstrative Auftritt war nur mit der Aborigines-Band Yothu Yindi abgesprochen.
Nach 25 Jahren Bandgeschichte — lediglich der Bassist "Bones" Hillmann ist erst seit 1989 dabei — hatten Midnight Oil einen der energiegeladensten Auftritte der Abschlussfeier der Olympischen Spiele. Diese Energie spiegelt sich auf dem neuen Album The Real Thing leider nur zum Teil wieder. Neben vier neuen Titeln enthält dieses Album für MTV Unplugged 1993 live eingespielte Lieder sowie Mitschnitte aus einem Live-Konzert in Sydney im Oktober 1994.
Eine Besonderheit dieses Albums: Als Bonus-CD haben die Australier eine Art Kommentaralbum beigelegt. Jeder Titel wird kurz angespielt, und die Band kommentiert Aufnahme und Lied anschließend. Dabei ist das australische Englisch allerdings nicht leicht verständlich. Um so deutlicher ist dafür die Bildsprache der beiden Videos, die diese Bonus-CD enthält.
Ein Vergleich mit der Live-Produktion Scream In Blue von 1991 fällt schwer. Ist letztere geprägt von langen improvisationsartigen Gitarrensequenzen, steht bei The Real Thing Peter Garretts Gesang eindeutig im Vordergrund. Drummer Rob Hirst musste sich scheinbar nicht groß umstellen. Bei "Dead Heart" rockt dieses Album dennoch. Hier ist auch das unvermeintliche Didgeridoo eingebaut, und es wirkt nicht einmal aufgesetzt. Andere Teile des Albums wirken dann allerdings doch etwas zu seicht für die Inhalte, die sie transportieren sollen.
Midnight Oil‘s Botschaften, die sich besonders gegen die Umweltzerstörung und die Unterdrückung nicht nur der Aborigines wehren, passen nicht immer in eine solche softe Popvariante. Am besten gelingt die Umwandlung eines Rockstücks in ein Unplugged-Lied noch bei "Short Memory". Die Anklage des schnellen Vergessens kommt als Folksong daher, und Gastmusiker Chris Abrahams wirbelt diese Gedanken auf dem Piano noch einmal durcheinander.
Bezeichnenderweise fehlt "Beds Are Burning" auf dieser Scheibe. Vielleicht als Hinweis darauf, dass diese Band noch einiges mehr zu bieten hat. Warum die vier neuen Produktionen dazu genommen wurde und keine reine Unplugged-CD produziert wurde, ist nicht ganz einsichtig. Die neuen Stücke haben es nicht leicht gegenüber den Bekannten im neuen Gewand. Mit einem neuen Album hätten die "Oils" noch warten können, bis sie genügend Material zusammen gehabt hätten.
Die Stärke von Midnight Oil liegt vor allem in ihrer Ausstrahlung bei Live-Auftritten und darin, wie die Musiker die Botschaften in Musik und Auftritt verbinden. Erinnert sei hier an ein nicht angemeldetes Protestkonzert vor dem Hauptquartier von Exxon, das sie auf ihrer US-Tournee vor zehn Jahren nach der Havarie der Exxon Valdez gaben und so ein stundenlanges Verkehrschaos anrichteten. Ihr Auftritt bei der Abschlussfeier der Olympischen Spiele in Sydney ist weit davon entfernt, pure Effekthascherei zu sein.

Tommy Schroedter

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