Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.22 vom 26.10.2000, Seite 2

CDU

Wahlkampfthema Zuwanderung

von PAUL KLEISER

Die Union befindet sich in einer tiefen programmatischen und Führungskrise. Der nach dem Sturz von Kohl und Schäuble installierten Partei und Fraktionsführung um Merkel und Merz will es einfach nicht gelingen, die auseinanderstrebenden Teile der Partei zusammenzubinden und der CDU eine mehrheitsfähige inhaltliche Linie vorzugeben.
Das beste Beispiel war die Steuerreform, als es Eichel ohne besondere Mühen gelang, durch einige Versprechungen an strukturschwache Länder die Phalanx der Union zu sprengen und deren Parteiführung alt aussehen zu lassen. Die CDU zahlt nun den Preis für die langjährige Dominanz des "großen Vorsitzenden", der mit seiner Gefolgschaft die Linien der Politik vorgegeben, inhaltliche Debatten weitgehend verhindert und mögliche Dissidenten konsequent abgestraft hat. Von daher ist die Versuchung groß, sich in populistische Kampagnen zu stürzen, um einerseits nach innen eine gewisse Geschlossenheit zu erreichen und nach außen hin einen Zauber in den Medien zu entfachen.
In ihrer Geschichte hat die Union häufiger populistische Kampagnen gefahren. Zumeist nützte sie die Angst des deutschen Kleinbürgers, als dessen "ideellen Gesamtrepräsentanten" man Kohl bezeichnen könnte, vor irgendwelchen realen oder imaginären Gefährdungen seines Eigentums; der Antikommunismus war in allen Wahlkämpfen seit 1949 präsent. Der letzte Versuch in diese Richtung war 1994 Hintzes "Rote-Socken-Kampagne" gegen die PDS, die sich allerdings als Schuss in den Ofen erwies. Das alte Feindbild taugte offensichtlich nicht mehr als Schreckgespenst.
Seit diesem Sommer geht es nun in den Diskursen der Union gegen die rot-grünen "Benzinpreistreiber" und Verräter an der "Einheit des Vaterlandes", vor allem aber gegen die "Ausländer, die uns ausnützen" oder die nicht gewillt sind, die "deutsche Leitkultur" für sich zu übernehmen (sagt der "Leithammel" Merz). Rechte Teile der Union glauben, dass es bei den Bundestagswahlen 2002 nur noch eine Chance geben könnte, wenn der "hessische Weg" beschritten wird — die Union also eine massive fremdenfeindliche und polarisierende Kampagne vom Zaune bricht. Doch hier verfängt sich die Partei in ihren Widersprüchen, denn ein wachsender Teil nicht nur der Großunternehmer, sondern auch des Mittelstands setzt vermehrt auf "Ausländer" als den "dynamischten Arbeitskräften".
Die liberaleren Teile der CDU haben längst erkannt, dass die BRD die us-amerikanische Herausforderung im Hightechbereich nur als Einwanderungsland bestehen kann. Sie beklagen, dass das rassistische Klima in Deutschland dem "Wirtschaftsstandort" Schaden zufügt und "Fachkräfte" aus Dritte-Welt-Ländern um Deutschland einen Bogen machen. Wer wie Rüttgers mit dem Wahlspruch "Kinder statt Inder" hausieren geht, macht sich in diesen Kreisen zum Gespött. Ob das die Union aber abhalten wird, eine populistische Hetzkampagne zu inszenieren, die das Klima in diesem Land weiter vergiften würde, ist längst nicht ausgemacht. Friedrich Merz scheint Roland Koch nacheifern zu wollen.

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