Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.23 vom 09.11.2000, Seite 2

Präsidentschaftskandidat als Störenfried?

Kolumne: Jakob Moneta

Wer CNN einschaltet, um sich über die US-Präsidentschaftswahl zu informieren, erfährt überraschenderweise, dass es Ralph Nader ist, der möglicherweise darüber entscheiden wird, ob der Republikaner Bush oder der Demokrat Gore Präsident der USA wird. Das Rennen zwischen diesen beiden ist so eng, dass die Stimmen, die Nader enthält, vor allem Gore fehlen könnten, so dass Bush siegen wird.
Noch erstaunlicher allerdings ist, dass Nader in seiner Wahlkampagne dort tausende Menschen anzieht, wo Bush und Gore Mühe haben, hunderte zu gewinnen. Linke Wahlanalytiker meinen, dass diesmal eine Alternative zu Republikanern und Demokraten realistischer ist, als sie es in den letzten zwanzig Jahren jemals war.
Ralph Nader bemüht sich in seinem Wahlkampf ein Bündnis zwischen "Blauen" (d.h. Arbeiterinnen und Arbeitern) und Grünen (deren Kandidat er ist) herzustellen, das objektiv antikapitalistisch ist. Gestützt auf die Botschaft, die von Seattle ausging, stellt sein "blau-grünes" Programm eine Verbindung her zwischen den Rechten der Arbeitenden und dem Schutz der Natur.
Er greift das von Clinton fallengelassene Reformprogramm auf, insbesondere die Verbesserung des unzureichenden Gesundheitssystems.
Nader ist kein Sozialist. Er hat auch niemals behauptet, es zu sein. Aber die von ihm entwickelte Vision einer ökologischen und demokratischen Welt, seine scharfe Kritik an der Aushöhlung der Demokratie durch die Kontrolle der Großindustrie und Finanzwelt sowie die Medien auf die Politik ausüben, die Ausweitung ihrer Macht auf die ganze Welt, die Globalisierung — all dies gehört zu seinen Themen.
Bei den Präsidentschaftswahlen wird die Macht des Großkapitals besonders deutlich. Alle Vorschläge, die gemacht worden sind, die Art der Finanzierung von Wahlkämpfen zu reformieren, sind bisher gescheitert. Man schätzt, dass diesmal die beiden Kandidaten Bush und Gore, die übrigens beide einer zweiten oder dritten Generation von Politikern angehören, die enge Verbindungen zu Finanzquellen haben, zwischen 500 und 750 Millionen Dollar ausgegeben haben. Das ist weit mehr als eine Milliarde Mark.
Ralph Nader, der schon 1996 kandidiert hat, scheint damalige Schwächen seiner Kampagne überwunden zu haben. Diesmal greift er das Problem der Wahrung der Menschenrechte in Verbindung mit sozialer Gerechtigkeit auf. Er wendet sich gegen die Kriminalisierung eines Teils der Jugend, gegen die Todesstrafe und die Angriffe auf das Recht der Frauen auf Abtreibung, gegen die Versuche Schutzmaßnahmen für sexuelle und ethnische Minderheiten auszuhebeln, gegen Militärinterventionen unter dem Deckmantel der Verteidigung von Menschenrechten.
In diesem Wahlkampf muss ein Kandidat der Linken besonders darauf achten, sich von der Losung "Amerikanische Arbeitsplätze für amerikanische Arbeiter" zu distanzieren, die als Heilmittel auch von der Führung des Gewerkschaftsverbands AFL-CIO gegen die drohenden sozialen Gefahren der Globalisierung aufgegeben wird. Die Alternative hierzu ist und bleibt internationale Solidarität im Kampf gegen diese Gefahren.
Es ist durchaus zu vermitteln, dass es nicht die abhängig Beschäftigten Chinas (oder Mexikos, Haitis, Afrikas…) sind, die Löhne, Gehälter, Arbeitsbedingungen in den USA zu verschlechtern drohen. Es sind die Wirtschaftsführer — die herrschende Klasse der Kapitalisten, die gemeinsam mit ihren Regierungen dafür verantwortlich sind.

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