Sozialistische Zeitung |
Es ist noch nicht lange her, seitdem wir täglich oft mehrmals von den Medien mit Börsenkursen
bombardiert werden. Ihr Auf und Ab lässt den Puls schneller schlagen, löst Angstschweiß oder Jubel aus.
Die Veröffentlichung eines 700 Seiten starken Berichts der Bundesregierung
zum ersten Mal nicht nur über Armut, sondern auch über Reichtum erregt kaum die Aufmerksamkeit der Medien. Die Reichen werden
übrigens nur auf 30 der 700 Seiten abgehandelt, weil so die Begründung sie zu einer wenig auskunftsbereiten Schicht
gehören. Immer erfahren wir:
Es gibt rund 27000 Menschen, die mehr als eine Million Mark im Jahr verdienen; rund 2
Millionen bezogen 1995 (dem Jahr der Untersuchung) mehr als das Doppelte eines Durchschnittsverdieners, der in etwa ein Jahresbruttoeinkommen von
130000 Mark hat; jede(r) Fünfte muss in der BRD mit weniger als 60% des Durchschnittseinkommen auskommen; fast jede(r) dritte Ost- und jede(r)
fünfte Westdeutsche lebt in relativer Armut, deren Ursache an erster Stelle Erwerbslosigkeit ist, aber viele sind auch Alleinverdienende; der Anteil
derer, die trotz Beschäftigung zu den Armen zählen, stieg von 1993 bis 1998 von 38 auf 44%; die Anzahl der überschuldeten Haushalte
stieg in der Alt-BRD von 1989 bis 1997 von 1,2 auf 2,1 Millionen, in den neuen Ländern sind es 580000.
Wie aber sieht es mit den Glücklichen aus, die einen Arbeitsplatz haben? Für
die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren (DHS) gilt "Stress am Arbeitsplatz" als eine mögliche Ursache für den verbreiteten
Drogenmissbrauch. Erhöhte Risiken gibt es bei Schicht- und Nachtarbeit, hohen Arbeitsanforderungen und Unsicherheit des Arbeitsplatzes bei
gleichzeitig unzureichender sozialer Unterstützung und Anerkennung. Weitere Risikofaktoren sind extrem lange Arbeitszeiten, wie sie in Teilen der
New Economy üblich sind.
Hauptdroge ist nach wie vor der Alkohol. Etwa 5% der Arbeitenden sind alkoholkrank.
Erschreckend sind die Zahlen für die Erwerbslosen. Ihr Anteil unter den Suchtkranken hat in Fachkliniken seit 25 Jahren von 9 auf jetzt 40%
zugenommen.
Die Zustände in diesem Land sind jedoch keineswegs vergleichbar mit denen in
Osteuropa.
Aus einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung von UNICEF geht hervor,
dass die Sterblichkeit in Osteuropa im Durchschnitt bis 1998 um 30% gestiegen ist die Ursachen sind Unfälle, Gewalt, Selbstmorde,
Infektionskrankheiten, zu frühe Schwangerschaften; die Zahl der HIV-Infizierten seit 1995 von 12000 auf jetzt 360000 emporgeschnellt sind; sich
schätzungsweise jährlich 12000 junge Menschen das Leben nehmen; jede(r) Dritte der 15- bis 24-Jährigen erwerbslos ist und sich
Kriminalität und Drogenkonsum ständig ausbreiten; die Geburtenraten von 1989 bis 1998 durchschnittlich um ein Drittel gesunken sind; etwa
eine Million Kinder und Jugendliche in den vergangenen zehn Jahren aus ihrer Heimat abgewandert sind ein Trend, der sich laut UNICEF
voraussichtlich fortsetzen wird.
Antje Vollmer Grüne und Bundestagsvizepräsidentin nannte
den Bericht zwar "alarmierend", wertete jedoch positiv, dass sich die Jugendlichen zu demokratischen Werten bekannten, obwohl ihnen die
Demokratie eine "hoch gefährliche Lebenspraxis biete". Massenerwerbslosigkeit, Selbstmorde, Infektionskrankheiten, Kriminalität
und Drogenkonsum, eine um 30% gestiegene Sterblichkeit gehört all dies zur "demokratischen Lebenspraxis"?
Jakob Moneta
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