Sozialistische Zeitung |
Die Kanzlerrede mit ihrem "Basta!" zur sog. Rentenreform und die Probeabstimmung der Gewerkschaft
Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) zum Eintritt in die Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) hat zu einer nicht
vorhergesehenen Dramatik geführt.
Die unverschämte Anmaßung des Bundeskanzlers, wie er mit der Gewerkschaft
in der Diskussion über die Reform der Rentenversicherung umgegangen ist, stellt ein Novum dar. So hat noch kein Vertreter einer sozialdemokratisch
geführten Regierung auf einem Gewerkschaftstag geredet. Die Delegierten haben zwar die Ausführung von Schröder mit
Unmutsäußerungen und Murren bedacht, das war aber zu wenig! Bei der Provokation durch Schröder hätten die Delegierten
spontan den Saal verlassen müssen. Ihnen hätte doch klar sein müssen: Wer so auftritt, der ist auch gewillt, zur Durchsetzung neoliberaler
Politik die Gewerkschaften nicht nur verbal zu gängeln, sondern auch nach Thatcher-Art zu knebeln und in Fesseln zu legen.
Schon vor dem Gewerkschaftstag war klar, dass May nicht nur in der Mitgliedschaft und bei
den Delegierten, sondern auch im Apparat an Ansehen eingebüßt hatte. Dies zeichnete sich schon im Verlauf der letzten Tarifrunde ab. Mit der
Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses unterbrachen die "Dirigenten" (Hauptvorstand und Bezirksfürsten) des Kongresses den
Gewerkschaftstag, um zu beraten und einen Ausweg zu finden. Mai war nicht weiter gewillt, für den Vorstand zu kandidieren.
Der neu gewählte Vorsitzende Frank Bsirske wechselte vom stellvertretenden
Besirksvorsitzenden zum Personal- und Organisationsdezernenten der Stadt Hannover, mutierte vom Gewerkschafter zum Personalchef. An wie viel
Entscheidungen zum Personalabbau und Rationalisierungsmaßnahmen war er wohl beteiligt? Wie kommt ein Mensch in Arbeitgeberfunktion als
Delegierter zum Gewerkschaftstag? Wenn man bedenkt, dass die Delegierten zu einem solchen Gewerkschaftstag überwiegend
"handverlesen" sind, dann ist es schon erstaunlich, dass es zu einem solchen "Aufstand" gekommen ist, der die Führung in eine
Krise stürzte.
Hoffentlich ist den Gewerkschaftsmitgliedern und den von ihnen gewählten
Delegierten klar, dass es nicht ausreicht, May gegen Bsirske auszutauschen und dann kommt ver.di doch. Das ist alter Wein in neuen Flaschen.
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