Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.24 vom 23.11.2000, Seite 14

Hofnarr eines Kleinstaats

Die "Schnittmenge der Freunde Jugoslawiens und der Freunde Israels", so klagt Jürgen Elsässer in Konkret, tendiere außerhalb der Redaktion und Leserschaft der Zeitschrift gegen Null.
Nimmt man die Resonanz der Konkret-LeserInnen auf die jüngsten Stellungnahmen zum israelisch-palästinensischen Konflikt, dann kann aus dieser kleinen Menge die "Leserschaft" wohl noch herausgekürzt werden.
Wenn zusätzlich "Israel- und Jugoslawienfreund" Elsässer der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die strategische Führerschaft bei den "Israel- und Jugoslawienfeinden" unterstellt, und "Israel- und Jugoslawienfreund" Hermann Gremliza die FAZ dafür lobt, seiner "israel- und jugoslawienfreundlichen" Analyse Recht zu geben, dann ist das selbstgemalte Bild dieser kleinen Gruppe angeblich Unverzagter komplett: hier trifft sich eine kleine, zerstrittene wie verschworene Gemeinschaft, ein linker Salon, wo weder Rauch- noch Unsinnsverbote zügeln, und wo inzestuöser Gedankenaustausch, die Herren zu immer heftigeren Ausbrüchen steigert.
Ein solcher Club, oder Hinterraumstammtisch einer Altonaer Kneipe ist ein perfektes Self- fulfilling-prophecy-Milieu. Deshalb würde jeder Bezug zur Realität stören, z.B. ein Zeitgenosse, der den Jungs nur mal kurz dazwischen raunt: "Nun macht mal halblang".
Um so mehr benötigt wird ein Mitspieler aus dem Surrealen, einer der in anderen Zusammenhängen als "Kult" gefeiert werden würde. Einer, der noch gröber, dümmer und banaler Sprüche klopfen und linke Schüttelreime zum besten geben kann und darf. Einer der sentimentale Worthülsen, die den anderen nur noch peinlich wären, ebenso wie politische Geschmacklosigkeiten, zu denen sich die anderen noch nicht oder nicht mehr trauen, abzusondern in der Lage ist. Ein Hofnarr für den kleinen linken Palast also, der die traurige Distanz zur Wirklichkeit erträglicher macht, indem er die Rolle des noch weiter Entfernten spielt.
Für die Jungs von Konkret und ihre kleine Schnittmenge derer, die meistens nicht schief, sondern schon quer liegen, gibt es für diese Rolle Peter Hacks. Nach seinen Gedichten, die gelungen wären, wenn als Parodie geplant; nach seinem pathetischen Sermon aus Plattitüden gegen Georg Fülberth und dessen Überlegungen zur Stabilität des Imperialismus — die mensch nicht teilen muss, um sich über die Hacks‘schen Banalitäten zu wundern — durfte er in der Vor-Advents-Konkret mal grundsätzlich die Linke "einschätzen" und einteilen.
Sein "Natürliches System der Linken" wäre als Trinkspruch in einer Kneipenrunde noch gefällig — in der gedruckten Fassung belegt sie nur, dass einer selbige verloren haben muss. Der große Einteiler fällt von Zeile zu Zeile in die Löcher seines Wissens und als Entschuldigung kokettiert er offensichtlich damit, seit Stalins Tod 1953 die Augen ganz fest geschlossen zu halten und aufgehört haben zu denken.
Wir können uns leidlich vorstellen, wie die Konkret-Redaktion sich an die Stirn tippt, aber süchtig nach jedem neuen Gag ihres Hofnarren giert. Da darf dieser den großen Guru Gremliza sogar mal Philosemit und "Kommunist mit Schaden" betiteln. Als hartnäckige Basiskämpfer der "Bewegung rettet die Wälder" wünschen wir uns allerdings, dass kein Holz mehr für Hacks zu Papierbrei gehackt wird. Soll er doch in kleiner Runde der "Kommunisten mit Schaden" auftreten, um größeren zu vermeiden.

Thies Gleiss

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