Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 07.12.2000, Seite 2

EU-Grundrechtecharta

Beifall von der PDS

von ANGELA KLEIN

Die europäische Versammlung der Erwerbslosen und prekär Beschäftigten, die am ersten Dezemberwochenende in Paris zusammengekommen ist, hat sich am Ende ihrer Beratungen an die Staats- und Regierungschefs gewandt, die wenige Tage später auf dem EU-Reformgipfel in Nizza eine Grundrechtecharta verkünden wollen. Die Erwerbslosenversammlung fordert die EU-Ratsherren dazu auf, davon abzusehen, die Charta in den neuen EU-Vertrag aufzunehmen, solange wesentliche soziale Rechte wie das auf Wohnen, Bildung, Arbeit, auf ein existenzsicherndes Mindesteinkommen und die Gleichstellung der Frauen darin nicht garantiert sind.
Die Demonstration, die der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) am 6.Dezember in Nizza organisiert und an der die Europäischen Märsche gegen Erwerbslosigkeit, ungeschützte Beschäftigung und Ausgrenzung teilnehmen, wird diese sozialen Rechte mit Nachdruck einfordern. Die Europäische Gewerkschaftsbewegung ist in dieser Frage gespalten: Gewerkschaften wie der französische Dachverband CFDT würden nichts lieber sehen, als den gültigen Vertragstext zum Kernbestandteil einer europäischen Verfassung zu machen. Andere wie die CGT aus Frankreich fordern, dass sie erst verbessert werden muss, bevor sie rechtsverbindlich wird. Sie nähern sich damit der Position von anderen Gewerkschaften in Frankreich, z.B. der unabhängigen SUD- Gewerkschaften, der Lehrergewerkschaft SFU und der Erwerbslosenorganisationen, die die Charta in ihrer derzeitigen Form für nichts anderes als die konstitutionelle Ummäntelung der herrschenden neoliberalen Ordnung in Europa halten.
Von der harten Auseinandersetzung, die es im EGB und in den französischen Gewerkschaften um die Charta gibt, bekommt man in Deutschland wenig mit. Bei den Einzelgewerkschaften des DGB ist die Debatte nicht angekommen. Die meisten Mitglieder und Funktionäre wissen nicht einmal, dass es diese Charta gibt. Nur auf die Initiative interessierter Mitarbeiter ist es zurückzuführen, dass die Gewerkschaften HBV, ÖTV und die IG Metall schließlich doch noch einen Aufruf für Nizza verfasst haben, der auch positiv auf die EuroMärsche Bezug nimmt.
Davon ist der Vorstand der PDS weit entfernt. Von CDU bis PDS tönt der Chor, der das Loblied auf die Charta singt, und auch die PDS traut sich nicht, die Schmalspur des neoliberalen Einheitsdenkens zu verlassen. Die PDS unterstützt die Charta, weil darin "die Unteilbarkeit von politischen und bürgerlichen Freiheitsrechten und sozialen Grundrechten beachtet ist". Sie sieht in ihr sogar "ein wichtiges Instrument zur Schaffung eines sozialen Europa". Deshalb tritt sie dafür ein, dass sie umgehend rechtsverbindlich wird. Dass in der Charta nur Zugangsrechte zu sozialen Diensten formuliert werden, die selber aber nicht beschrieben werden, beachtet die Erklärung des PDS-Parteivorstands nicht. Auch nicht, dass die Charta damit hinter zahlreiche europäische Verfassungen zurückfällt. Der Rest des Vorstandsbeschlusses unterbreitet organisatorische Vorschläge zur Reform der EU-Institutionen, die nicht weniger fragwürdig sind.
Es kann gut sein, dass die Demonstration in Nizza einen Beitrag dazu leistet, dass die Diskussion auch in Deutschland neuen Schwung erhält. Vielleicht bereut die PDS dann, dass sie zur EU-Charta "Ja" gesagt hat.

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