Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.25 vom 07.12.2000, Seite 11

Apartheid macht Schulden

Deutsche Banken drücken sich vor politischer Verantwortung

Von einem "geschichtlichen Ereignis" sprach Theo Kneifel von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches Afrika (KASA) anlässlich der internationalen Konferenz "Für die Opfer der Apartheid — Entschädigung jetzt — und nicht erst in 50 Jahren", die vom 30.November bis zum 1.Dezember in Bonn stattfand. Insgesamt kamen mehr als einhundert Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die zwei Tage lang darüber diskutierten, wie eine "doppelte Bestrafung" der allesamt hochverschuldeten Länder des südlichen Afrikas zu verhindern sei. Ziel der Veranstaltung war es, dass sich deutsche Banken, Konzerne und ehemalige Regierungspolitiker zu "ihrer politischen Verantwortung" der Verbrechen des Apartheidsregimes bekennen und "die Menschen im südlichen Afrika in vollem Umfang entschädigen, deren gewaltsame Unterdrückung sie finanziert haben".
Doch die Stühle auf dem Podium, die von den Banken- und Parteivertretern besetzt werden sollten, blieben leer — sie alle hatten ihre Teilnahme abgesagt. Doch auch ohne ihre Anwesenheit adressierten die Teilnehmer ihre Forderungen: "bedingungslose Streichung der Apartheidsschulden, die Rückzahlung der vom demokratischen Südafrika bereits erstatteten Schulden und die Rückgabe der durch die Fianzierung der Apartheid erwirtschafteten Profite in der Form ausdrücklicher Wiedergutmachungszahlungen." Allein der letzte Punkt umfasst einen Betrag von 8,4 Milliarden Mark "völkerrechtswidriger Profite", die deutsche Unternehmen und Banken aus ihren Geschäften mit der Apartheid in der Zeit von 1971 bis 1993 erzielt haben. Mit Krediten zur Finanzierung des öffentlichen Sektors hatten deutsche Geldinstitute trotz der verhängten UN-Sanktionen — die Vereinten Nationen stuften den südafrikanischen Apardheitsstaat schon 1973 als "Verbrechen gegen die Menschheit" ein — die Infrastruktur des Regimes direkt unterstützt.
Südafrika muss heute ein Fünftel seines nationalen Budgets und den Großteil seiner Devisenreserven zur Begleichung der zumeist aus der Zeit der Apartheid stammenden Schulden von 50 Milliarden US-Dollar verwenden. Gleichzeitig zwingen dieselben wirtschaftlichen Interessengruppen das Land, die früher von den Investitionen in das Apartheidsregime profitierten, eine "global annehmbare" Wirtschaftspolitik zu verfolgen, unter ihnen die Commerzbank und DaimlerChrysler.
Die Folgen: Sozialbudgets werden zusammengestrichen und die Opfer der Apartheid warten immer noch auf ihre Entschädigung, während den Tätern, die vor der südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungskommission ausgesagt haben, Amnestie gewährt wurde. "Diese Realitäten führen zur Verzweiflung", erklärt Neville Gabriel, der die Entschuldungskampagne Jubilee 2000 South Africa koordiniert und einer der Gäste der internationalen Konferenz war.
Dass nicht nur Südafrika, sondern sämtliche Anrainerstaaten mit den Folgen der Apartheid zu kämpfen haben, unterstrich Kenneth Kaunda, der 27 Jahre lang Zambia regierte. "Die Apartheid ist noch immer nicht überwunden", erklärt Kaunda, unter dessen Präsidentschaft Zambia im südlichen Afrika zum konsequentesten Gegner des Apartheidsregimes wurde. Zambia unterstützte nicht nur den ANC in Südafrika, sondern auch die Befreiungsbewegungen gegen die mit der südafrikanischen Regierung verbundenen Regime in Namibia, Mosambik und Zimbabwe. Die sozialen und militärischen Hilfen rissen tiefe Löcher in den Haushalt des unabhängigen Sambias, das ausserdem als Auffanglager für vertriebene Flüchtlinge aus diesen Ländern diente.
Besondere Empörung hatte damals das Verhalten der internationalen Finanzinstitutionen, der Banken und Konzerne hervorgerufen, die "globale Aktionen gegen die Apartheid" mit ihrer Politik durchbrochen hätten. Zambia hätte sich zeitweise in einer Blockadesituation befunden, in der das Land nur noch mit Ölimporten über den Luftweg seinen Bedarf an dem Mineralstoff stillen konnte, so Kaunda.
Die horrenden Kosten für solche Aktionen haben zur hohen Verschuldung Zambias beigetragen. Alle Länder des südliche Afrikas hatten unter der Apartheid zu leiden, deshalb stehe für sie eine Streichung der Schulden auf der Tagesordnung. Nicht nur die Auswirkungen militärischer Angriffe, sondern auch die vom Apartheidsregime unmittelbar verursachten Folgeschäden durch politische, ökonomische und soziale Destabilisierung der insgesamt zehn Länder beziffert die UNICEF auf etwa 78 Milliarden Dollar.
"Nicht nur Schuldenerlass, sondern Reparationen für alle Leiden", fordert Neville Gabriel. Diese Forderungen könnten "in den Augen derjenigen, die sie zu zahlen haben, zwar nie niedrig genug sein", kommentiert der Südafrikaner mit dem Hinweis auf die Entschädigungsdebatte für die Zwangsarbeiter des Nationalsozialismus. Auf der UN-Konferenz gegen Rassismus, die kommendes Jahr in Südafrika stattfindet, werde die Frage der Reparationen jedoch eine "bedeutende Rolle einnehmen", kündigte Gabriel an. Sie seien als "letzter Schritt" zur Überwindung der Apartheid notwendig.
Dies wird ein schwerer Schritt werden, denn die südafrikanische Regierung hält sich mit Forderungen an die Adresse internationaler Investoren behutsam zurück. Darauf beruft sich wiederum die Dresdner Bank in ihrer Absage an die Konferenz und sieht keine Notwendigkeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Konferenzteilnehmer machten darauf aufmerksam, dass es sich nicht um ein "isoliertes Problem des südlichen Afrika" handele. "Es sind überall dieselben Banken, die autokratische Regimes finanziert haben", so Beverly Keene aus Argentinien, Aktivistin des eigenständigen Jubilee-South-Netzwerks.
Die Illegitimität der Schulden im südlichen Afrika stelle keinen "Spezial-, sondern einen Modellfall" dar, erklärte auch Thomas Seibert von der Nichtregierungsorganisation medico international, Mitveranstalter der Konferenz. Ziel sei es, eine "Positionierung zur Schuldenproblematik überhaupt" zu bewerkstelligen. Dafür solle die "Basis gezielt verbreitert werden", künftig werde deshalb eine engere Zusammenarbeit mit der Erlassjahrkampagne und dem Netzwerk zur Kontrolle der Finanzmärkte, ATTAC, angestrebt.

Gerhard Klas

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