Sozialistische Zeitung |
Von einem "geschichtlichen Ereignis" sprach Theo Kneifel von der Kirchlichen Arbeitsstelle Südliches
Afrika (KASA) anlässlich der internationalen Konferenz "Für die Opfer der Apartheid Entschädigung jetzt und
nicht erst in 50 Jahren", die vom 30.November bis zum 1.Dezember in Bonn stattfand. Insgesamt kamen mehr als einhundert Teilnehmerinnen und
Teilnehmer, die zwei Tage lang darüber diskutierten, wie eine "doppelte Bestrafung" der allesamt hochverschuldeten Länder des
südlichen Afrikas zu verhindern sei. Ziel der Veranstaltung war es, dass sich deutsche Banken, Konzerne und ehemalige Regierungspolitiker zu
"ihrer politischen Verantwortung" der Verbrechen des Apartheidsregimes bekennen und "die Menschen im südlichen Afrika in vollem
Umfang entschädigen, deren gewaltsame Unterdrückung sie finanziert haben".
Doch die Stühle auf dem Podium, die von den Banken- und Parteivertretern besetzt
werden sollten, blieben leer sie alle hatten ihre Teilnahme abgesagt. Doch auch ohne ihre Anwesenheit adressierten die Teilnehmer ihre Forderungen:
"bedingungslose Streichung der Apartheidsschulden, die Rückzahlung der vom demokratischen Südafrika bereits erstatteten Schulden und
die Rückgabe der durch die Fianzierung der Apartheid erwirtschafteten Profite in der Form ausdrücklicher Wiedergutmachungszahlungen."
Allein der letzte Punkt umfasst einen Betrag von 8,4 Milliarden Mark "völkerrechtswidriger Profite", die deutsche Unternehmen und
Banken aus ihren Geschäften mit der Apartheid in der Zeit von 1971 bis 1993 erzielt haben. Mit Krediten zur Finanzierung des öffentlichen
Sektors hatten deutsche Geldinstitute trotz der verhängten UN-Sanktionen die Vereinten Nationen stuften den südafrikanischen
Apardheitsstaat schon 1973 als "Verbrechen gegen die Menschheit" ein die Infrastruktur des Regimes direkt unterstützt.
Südafrika muss heute ein Fünftel seines nationalen Budgets und den
Großteil seiner Devisenreserven zur Begleichung der zumeist aus der Zeit der Apartheid stammenden Schulden von 50 Milliarden US-Dollar
verwenden. Gleichzeitig zwingen dieselben wirtschaftlichen Interessengruppen das Land, die früher von den Investitionen in das Apartheidsregime
profitierten, eine "global annehmbare" Wirtschaftspolitik zu verfolgen, unter ihnen die Commerzbank und DaimlerChrysler.
Die Folgen: Sozialbudgets werden zusammengestrichen und die Opfer der Apartheid warten
immer noch auf ihre Entschädigung, während den Tätern, die vor der südafrikanischen Wahrheits- und
Versöhnungskommission ausgesagt haben, Amnestie gewährt wurde. "Diese Realitäten führen zur Verzweiflung",
erklärt Neville Gabriel, der die Entschuldungskampagne Jubilee 2000 South Africa koordiniert und einer der Gäste der internationalen Konferenz
war.
Dass nicht nur Südafrika, sondern sämtliche Anrainerstaaten mit den Folgen
der Apartheid zu kämpfen haben, unterstrich Kenneth Kaunda, der 27 Jahre lang Zambia regierte. "Die Apartheid ist noch immer nicht
überwunden", erklärt Kaunda, unter dessen Präsidentschaft Zambia im südlichen Afrika zum konsequentesten Gegner des
Apartheidsregimes wurde. Zambia unterstützte nicht nur den ANC in Südafrika, sondern auch die Befreiungsbewegungen gegen die mit der
südafrikanischen Regierung verbundenen Regime in Namibia, Mosambik und Zimbabwe. Die sozialen und militärischen Hilfen rissen tiefe
Löcher in den Haushalt des unabhängigen Sambias, das ausserdem als Auffanglager für vertriebene Flüchtlinge aus diesen
Ländern diente.
Besondere Empörung hatte damals das Verhalten der internationalen
Finanzinstitutionen, der Banken und Konzerne hervorgerufen, die "globale Aktionen gegen die Apartheid" mit ihrer Politik durchbrochen
hätten. Zambia hätte sich zeitweise in einer Blockadesituation befunden, in der das Land nur noch mit Ölimporten über den Luftweg
seinen Bedarf an dem Mineralstoff stillen konnte, so Kaunda.
Die horrenden Kosten für solche Aktionen haben zur hohen Verschuldung Zambias
beigetragen. Alle Länder des südliche Afrikas hatten unter der Apartheid zu leiden, deshalb stehe für sie eine Streichung der Schulden auf
der Tagesordnung. Nicht nur die Auswirkungen militärischer Angriffe, sondern auch die vom Apartheidsregime unmittelbar verursachten
Folgeschäden durch politische, ökonomische und soziale Destabilisierung der insgesamt zehn Länder beziffert die UNICEF auf etwa 78
Milliarden Dollar.
"Nicht nur Schuldenerlass, sondern Reparationen für alle Leiden", fordert
Neville Gabriel. Diese Forderungen könnten "in den Augen derjenigen, die sie zu zahlen haben, zwar nie niedrig genug sein", kommentiert
der Südafrikaner mit dem Hinweis auf die Entschädigungsdebatte für die Zwangsarbeiter des Nationalsozialismus. Auf der UN-Konferenz
gegen Rassismus, die kommendes Jahr in Südafrika stattfindet, werde die Frage der Reparationen jedoch eine "bedeutende Rolle
einnehmen", kündigte Gabriel an. Sie seien als "letzter Schritt" zur Überwindung der Apartheid notwendig.
Dies wird ein schwerer Schritt werden, denn die südafrikanische Regierung hält
sich mit Forderungen an die Adresse internationaler Investoren behutsam zurück. Darauf beruft sich wiederum die Dresdner Bank in ihrer Absage an
die Konferenz und sieht keine Notwendigkeit, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.
Konferenzteilnehmer machten darauf aufmerksam, dass es sich nicht um ein
"isoliertes Problem des südlichen Afrika" handele. "Es sind überall dieselben Banken, die autokratische Regimes finanziert
haben", so Beverly Keene aus Argentinien, Aktivistin des eigenständigen Jubilee-South-Netzwerks.
Die Illegitimität der Schulden im südlichen Afrika stelle keinen "Spezial-,
sondern einen Modellfall" dar, erklärte auch Thomas Seibert von der Nichtregierungsorganisation medico international, Mitveranstalter der
Konferenz. Ziel sei es, eine "Positionierung zur Schuldenproblematik überhaupt" zu bewerkstelligen. Dafür solle die "Basis
gezielt verbreitert werden", künftig werde deshalb eine engere Zusammenarbeit mit der Erlassjahrkampagne und dem Netzwerk zur Kontrolle der
Finanzmärkte, ATTAC, angestrebt.
Gerhard Klas
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