Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.26 vom 21.12.2000, Seite 2

Österreich

Straßenproteste gegen neuen Haushalt

Die Verabschiedung des Haushalts für 2001 durch das österreichische Parlament am 6.Dezember provozierte massive Proteste der Gewerkschaften, Oppositionsparteien (darunter SPÖ und Grüne) sowie der sozialen Bewegungen. 20000 Lehrerinnen und Lehrer traten in den Streik, um gegen die tiefen Einschnitte in den Haushalt für Bildung und Erziehung zu protestieren.
Insgesamt wurden landesweit über 60 Demonstrationen registriert, davon fanden mehr als 30 in Wien statt. Die Mehrzahl der Demonstrationen waren Teil einer Kampagne "Checkpoint Austria"; sie hatte sich zum Ziel gesetzt, im ganzen Land zwischen 7 und 8 Uhr morgens den Verkehr lahmzulegen.
Die Aktionen wurden von einem breiten Spektrum von Organisationen und Initiativen organisiert, die darauf aufmerksam machen wollten, dass der neue Haushalt eine massive Drift hin zu einer rechtskonservativen, antisozialen Republik bedeutet.
Am frühen Abend zogen Frauengruppen vor das Parlamentsgebäude; sie protestierten gegen die Nominierung des neuen Ministers für Soziales und Familie, Herbert Haupt. Dies ist bereits der dritte Minister in diesem Amt seit dem Antritt der neuen Regierung. Er hatte zuvor angekündigt, eine Schwangerschaftsunterbrechung dürfe in Zukunft nur noch mit Zustimmung des Kindesvaters erlaubt sein. Später zog er die Ankündigung zurück, aber der Zorn der Frauen richtete sich auch gegen die Tatsache, dass ein Mann, dazu noch ein Vertreter der rechtsextremen FPÖ, überhaupt in dieses Amt gehievt wurde.
Die Polizei versuchte, die Protestaktionen systematisch zu verbieten. Die wenigen Demonstrationen, die sie zuließ, durften nicht auf der Straße laufen, nur auf dem Bürgersteig. Das Verkehrsministerium, das Eigentümer der meisten Hauptstraßen in Österreich ist, hatte Massenanzeigen gegen die Verantwortlichen unerlaubter Demonstrationen vorbereitet. Damit kann theoretisch jede Demonstration, die den Regierenden nicht passt, kriminalisiert werden.
Die neue Regierung handhabt das Demonstrationsrecht völlig willkürlich. Blockaden gegen den Lkw-Transit in Tirol oder gegen tschechische Atommeiler an der Grenze zu Tschechien wurden z.B. toleriert, weil sie ihr politisch in den Kram passten.
Weil die meisten Demonstrationen für illegal erklärt wurden, hatte die Polizei freie Hand, äußerst aggressiv gegen die Demonstrierenden vorzugehen. DemonstrantInnen wurden gestoßen, geschlagen und bekamen Anzeigen sogar für das "Delikt", die Straße überquert zu haben. Allein bis zum Nachmittag wurden 70 Anzeigen erstattet. Sie werden begründet mit der Störung des öffentlichen Friedens, worauf bis zu drei Jahre Gefängnis stehen.
Fotografen der österreichischen Presseagentur APA, die die Polizeigewalt dokumentieren wollten, wurden bedroht, an ihrer Arbeit gehindert und sogar von uniformierten wie zivilen Polizisten niedergeschlagen. In einem Fall wurde die Ausrüstung eines Kameramanns von einem Polizisten zerstört.
Am Abend organisierten die Gewerkschaften eine Demonstration mit ca. 8000 Teilnehmenden. Sie bildeten eine Menschenkette um das Parlament.
Am Morgen des 7.12. wurden die Aktionen fortgesetzt.

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