Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.26 vom 21.12.2000, Seite 2

Kuba — Stachel im Fleisch der USA

Der russische Präsident Putin hat in Havanna in einer gemeinsamen Erklärung mit Fidel Castro die Handels-, Wirtschafts- und Finanzblockade Kubas durch die USA verurteilt. Vor den Gefahren der wirtschaftlichen Globalisierung für die Dritte Welt wird darin gewarnt und weltweite "Multipolarität" angesichts US-amerikanischer "Hegemonie" dringend gefordert. Der künftige US-Präsident Bush hatte immerhin Castro eine harte Linie angedroht, weil dieser eine der letzten kommunistischen Bastionen aufrecht erhält, die seit langem ein politischer Stachel im Fleisch der USA ist.
Bis zum Jahr 2005 will Putin Kuba einen Wirtschaftskredit von 111 Millionen Mark gewähren und Projekte, die seit dem Zusammenbruch der UdSSR unvollendet blieben, fertigstellen lassen. Über einen Erlass der Schulden, die von Kuba mit 20 Milliarden Mark und von der russischen Presse mit 44 Milliarden Mark beziffert werden, soll noch verhandelt werden.
Wie aber erklärt sich das Wunder, dass Kuba, ohne die geforderten neoliberalen Programme umzusetzen, trotz der US-Sanktionen "überleben" konnte? Carlos Tablada, Philosoph und Ökonom, der in Kuba stets die Auffassungen Che Guevaras verteidigte, ist in einem Interview darauf eingegangen. Kuba war 1959, als die Revolution siegte, eine "Neokolonie der USA", ein armes Land mit einer Million Analphabeten, mit nur einer Industrie, der Zuckerindustrie. Ohne den sowjetischen Block wäre die kubanische Wirtschaft nicht möglich gewesen. "Wir hatten 85% unseres Handels mit der UdSSR abgewickelt. In den 90er Jahren mussten wir jedoch erkennen, dass wir allein waren ohne unseren Handelspartner. Ja, es stimmt, damals verschwanden auch die Katzen von der Straße, weil die Leute sie gegessen haben. Bis Ende 1993 war das Bruttosozialprodukt um 40% gesunken. Ab 1994 begann die Erholung. Warum konnte die Wirtschaft wieder angekurbelt werden? Zunächst weil kein neoliberales Programm umgesetzt wurde. Mit Hilfe der Bevölkerung haben wir diese schwierige Phase überstanden."
Von Januar bis April wurden vom Parlament beschlossene Maßnahmen mit 6 Millionen Menschen öffentlich diskutiert. "Maßnahmen, über die kein Konsens erzielt werden konnte, wurden nicht umgesetzt. Es gab kein Tienanmen, keine Repression, kein Pinochet-Regime. Die Wirtschaft wurde stabilisiert. Die Situation ist heute vielbesser."
Als der Papst Kuba besuchte und 3000 Journalisten ins Land kamen, habe er eine NBC- Reportage von US-Journalisten gesehen, die in Havanna auf Blumenverkäufer stießen, berichtete Tablada. "Die Journalisten fragten die Leute: ‚Was kosten die Blumen?‘ ‚Eine Rose kostet zwei Pesos‘, bekamen sie zur Antwort. ‚Und dafür kaufen sie Rosen?‘ Darauf sagte eine Frau: ‚Ein Volk, das Blumen kauft, lebt.‘ Unsere Häuser mögen einen neuen Anstrich benötigen,aber uns geht es nicht so schlecht wie den Menschen in Mittelamerika, die auf der Straße leben müssen."
Das erinnert mich an ein Gespräch, das ich in Havanna Ende der 70er Jahre mit einer jüdischen Kommunistin hatte. Sie erzählte, dass sie in ihrem Stadtviertel mit einer Genossin nachts die Straßen patrouilliere, die sich darüber beschwerte, dass sie nicht mit Gewehren, sondern nur mit Knüppeln bewaffnet seien. Das war immerhin zu einer Zeit, als noch eine Invasion der USA drohte. Ich fragte: "Und was hast du geantwortet?" Und sie, in einem wundervollen Jiddisch: "Unsere Ideologie is unser Gewehr."
Das wiederum ist nicht so weit entfernt von dem, was Carlos Tablada in seinem leider nur auf Englisch vorliegendem Buch Che Guevara. Economics and Politics in the Transition to Socialism. Die Umwandlung des Menschen zu Kommunisten sei die Antithese zum Homo economicus der Klassengesellschaft, insbesondere der kapitalistischen Produktionsweise. "Das ist kein revolutionärer Romantizismus, nicht der Traum eines utopischen Paradieses. Es sollte klar sein, dass die Entwicklung des Bewusstseins das strategische Ziel des ersten Gesellschaftssystems sein muss, das bewusst errichtet wird."

Jakob Moneta

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