Sozialistische Zeitung |
Die Energiepreise steigen auf breiter Front. Nicht nur an den Tankstellen ist offensichtlich, dass mehr Geld für weniger
Leistung zu bezahlen ist. Auch die Heizkostenabrechnung, die viele Menschen in diesem Herbst bekommen, hat für viele eine böse
Überraschung parat.
Das Heizöl verteuerte sich um fast 70%, parallel zu den Diesel-Preisen. Aber auch
die Gasversorgung wurde teurer um rund 40%. Nicht etwa, weil die Kosten für die Gasförderung gestiegen wären, sondern weil
der Gaspreis der Versorgungsunternehmen an den Ölpreis gekoppelt ist. Nun erhalten alle, denen vor Jahren die günstigen Gaspreise das
Umsteigen erleichterten, eine Weihnachtsüberraschung von ihrem Versorgungsunternehmen. Nachzahlungen von mehreren hundert Mark für
Mieter von zentralbeheizten Wohnungen sind keine Seltenheit und das trotz des warmen Winters im letzten Jahr.
Zum 1.Dezember erhöhen die Gasversorger im Einzugsgebiet des neuen RWE
(einschließlich der ehemaligen VEW-Versorgungsgebiete) in NRW erneut die Erdgaspreise für den Endverbraucher. Damit wird die Steigerung
sogar 60% gegen Juli, für die Heizkosten heißt das erneut ein Sprung von 25 Mark im Monat oder zusätzlichen 300 Mark im Jahr.
Für den sog. Durchschnittsverbraucher wurden 1600 Mark mehr Jahreskosten
für Auto und Heizung ausgerechnet. Da ist es ein Hohn, wenn die offizielle Statistik behauptet, die Preise stiegen nur um 2,5% im Jahr. 150 Mark
Mehrausgaben im Monat müssen erst mal erarbeitet werden, und von einer Lohnerhöhung in dieser Höhe ist der
Durchschnittsverbraucher seit Jahren weit entfernt.
Ein zusätzliches Problem stellt der ökologische Aspekt dar. Die steigenden
Preise haben keine Lenkungswirkung im Sinne einer Politik, die sich von einer klimaschädlichen Energieversorgung verabschieden würde.
Alternativen gibt es für die Verbraucher nicht. Weder der öffentliche Nahverkehr, noch das Bahnangebot, noch die
Wärmedämmung in Wohnungen ist eine Alternative für viele Pendler und Mieter.
Stromversorger langen zu
Nach der Fusion der vier Großunternehmen der Energiewirtschaft VEBA und Bayernwerke einerseits zu E.ON und VEW und RWE
andererseits zu RWE (neu) hat sich die Branche erneut stärker monopolisiert. Noch zu Kohls Zeiten war der "Wettbewerb" für die
Stromversorgung eingeführt worden, nachdem früher die Versorger getrennte gesicherte Versorgungsgebiete hatten, bei denen sie die Preise
bestimmen konnten. Schon damals gehörten die vier genannten zu den größten, hatten sie sich doch auch mit Hilfe von
Tochterunternehmen die ostdeutsche VEAG gesichert.
Damals sanken für die Industrie die Strompreise um 30%, für die
Privatverbraucher jedoch nur um 10%.
Jetzt wird von den Unternehmen das neue Stromeinspeisegesetz zum Vorwand genommen,
die Strompreise für die Verbraucher wieder zu erhöhen. VEW machte noch vor der endgültigen Fusion den Vorreiter in Westfalen und
kündigte für die Tarife eine Erhöhung um 1 Pfennig je Kilowattstunde an.
Während die Umstellung auf Wettbewerbstarife gleichzeitig eine Verringerung der
VEW-Belegschaft mit sich brachte, und eine Umstellung von Kundenzentren in den Städten auf ein Call-Center, das nie richtig funktionierte, hat die
Fusion weiteren tausenden Arbeitsplätzen den drohenden Abbau beschert.
Mit Billigtarifen sollten die Kunden zum Wechsel animiert werden. Die Täuschung
mit angeblich "blauem" oder "grünem" Strom zielte auf das Umweltbewusstsein.
Der billigste Anbieter "Yello Strom" hörte mit der
massiven Werbung in diesem Jahr auf, nachdem sich herausstellte, dass selbst importierter Strom nicht so billig an den Kunden zu bringen war ein
Zusatzgeschäft, das der Muttergesellschaft von Yello, den Badenwerken, zu teuer wird.
Sonnenenergie ist teuer
Die erneute Erhöhung der Strompreise kommt angeblich daher, dass die Versorgungsunternehmen den privaten Erzeugern von Wind- und
Sonnenenergie mehr zahlen müssen. Tatsächlich wurde in diesem Jahr das Gesetz zugunsten der Einspeisung von umweltfreundlichem Strom
(nach der gängigen Definition: aus Sonne und Wind) geändert.
Wer sich Sonnenkollektoren auf das Dach setzen lässt, bekommt sowohl einen
Investitionskostenzuschuss vom Staat, als auch für zwanzig Jahre eine Abnahmesicherheit. Der örtliche Elektrizitätsversorger muss dem
Einspeisenden 99 Pfennige je Kilowattstunde vergüten.
Damit rechnen sich solche Anlagen nach einigen Jahren, da der Verbrauch des privaten
Erzeugers weiterhin zu den ortsüblichen Preisen bezahlt werden muss.
Inwieweit dieses "100000-Dächer-Programm" zu einer Einsparung von
CO2 führt, muss sich noch zeigen. Dass die Elektrizitätsversorger aber jede Maßnahme, die als umweltschonend gelten muss, sich teuer
bezahlen lassen, ist schon länger bekannt.
Der Akzeptanz von umweltfreundlicher dezentraler Stromerzeugung dient das
natürlich nicht. Denn die Stromversorger wollen natürlich die Großanlagen, vor allem die Kernkraftwerke, möglichst billig in voller
Auslastung betreiben.
Arbeitsplatzvernichtung
Die Konzentration der großen Energiemultis führt zu massiven Arbeitsplatzvernichtungen. Nachdem in den letzten zehn Jahren rund
60000 Arbeitsplätze in der Energieerzeugung vernichtet wurden, haben allein die beiden Großfusionen schon im Sommer vorsorglich 5000
Beschäftigte als überflüssig erklärt. Synergieeffekte sollen sich in den Bilanzen niederschlagen. Zusätzlich wurde nun im
Herbst ein Stilllegungsprogramm für Kraftwerke angekündigt.
Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) schreibt in ihrer
Mitgliederzeitung Magazin: "Wenn die deutsche Stromwirtschaft international mithalten will, geht an Rationalisierung und Konzentration also kein Weg
vorbei. Deshalb hat die IG BCE die Fusionen mitgetragen und zugleich dafür gekämpft, dass der Personalabbau sozialverträglich
erfolgt."
Die ehemalige Preussenelektra (VEBA-Tochter) und die ehemaligen Bayernwerke
heute zu EON-Energie zusammengeschlossen will Kraftwerke mit einer Leistung von 4800 Megawatt im nächsten Jahr vom Netz nehmen.
Der Erlös sei niedriger als die Erzeugungskosten das betrifft vor allem Braunkohle-, Steinkohle- und Ölkraftwerke. Ebenfalls zu diesem
Stilllegungsbereich wird das AKW Stade im Jahr 2003 gerechnet. In Bayern sollen 700 Arbeitsplätze, in Niedersachsen 500, in NRW 200 und in
Hessen 100 Arbeitsplätze entfallen.
Die neue RWE will bis 2004 eine Kapazität von 5000 Megawatt stilllegen,
eingerechnet das nie in Betrieb gewesene AKW Mülheim-Kärlich. Insbesondere Gaskraftwerke, aber auch Steinkohleblöcke werden
zugemacht, angeblich gehen dabei nur 180 Arbeitsplätze verloren.
Die Betreiber betonen, dass die Stromversorgung trotz der Stilllegungen sicher bleibt
und das bei einem geplanten Rückgang der bisher installierten Leistung von 100000 Megawatt um rund 10%. Hier wurden in den letzten
Jahrzehnten riesige oft ungenutzte Reserven vor allem bei der Atomkraft von den Stromverbrauchern bezahlt, die nun auch die Stilllegungen wieder
finanzieren sollen.
Der Unmut der Belegschaften richtet sich oft genug gegen eine angeblich
arbeitsplatzvernichtende ökologische Politik, anstatt gegen die Profiteure dieser Energiepolitik in den Konzernen.
Import von "schmutzigem" Strom verstärkt
Die Liberalisierung des Strommarkts in der EU nützt den großen Energieversorgungsunternehmen, die weitere Konzentrationsschritte
gemacht haben. Die Durchleitungspflicht besagt, dass Strom von jedem Erzeuger an jeden Verbraucher geleitet werden muss. Dafür gibt es aber
Gebühren. Die Folge ist vor allem, dass die Versorgungsunternehmen den Strom dort einkaufen, wo er am billigsten ist. Das kann mal Wasserkraft aus
Norwegen, Atomkraft aus Frankreich oder Braunkohlestrom aus der Lausitz sein.
Behauptet wird, dass vor allem die Exporteure von Atomstrom von der Entwicklung in der
BRD profitieren. Wirtschaftsminister Müller hat verlangt, dass kein sog. "schmutziger Strom" an Stelle von stillgelegten Kapazitäten
tritt. Dies richtet sich vor allem gegen Atomkraft aus Osteuropa wegen der Sicherheitsstandards oder gegen filterlose Kohlekraftwerke.
Die osteuropäischen Länder haben jedoch zum Teil Tauschabkommen
geschlossen, in denen Stromlieferungen gegen Umrüstung der Kraftwerke und andere Investitionen vereinbart sind. Die Länder wollen ihren
Strom zu niedrigsten Preisen absetzen und das begünstigt natürlich die Profite der hiesigen Versorgungsunternehmen, die sich deshalb auch
scharf gegen alle Absichten der Regierung gewandt haben.
Der europäische Stromverbund ist aber inzwischen eine Realität, in dem von
"schmutzigem Strom" in Gegensatz zu "sauberem" nicht geredet werden kann. Der Energiemix ist auf Jahrzehnte in Richtung
Atomkraft ausgebaut worden. Der geringere Sicherheitsstandard der osteuropäischen Reaktoren ist genau so ein Problem wie das Überangebot
an Atomstrom in Frankreich, aber auch das ist nicht durch Verbot des Handels, sondern durch Stilllegung der Atomkraftwerke zu regeln.
Dieser billige Strom ist teuer erkauft, wie die IG-BCE-Zeitung zu Recht bemerkt
aber ohne die nötigen Konsequenzen zu ziehen.
Rolf Euler
Informationen und Meinungen sollten keine Waren sein. Und Geld ist ein Fetisch. Dennoch und ganz praktisch: Die Online-SoZ sieht nur umsonst aus. Wir brauchen Eure Euros.
Spendet steuerlich abzugsfähig!
VsP, Postbank Köln, BLZ 370100 50, Kontonummer 603 95 04