Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.26 vom 21.12.2000, Seite 11

Politische Aktion

Kostenlos Einkaufen

Einen Tag vor der Großdemonstration in Nizza haben sich Erwerbslose aus mehreren europäischen Ländern gemeinsam mit französischen Erwerbslosen der Organisation "Agir ensemble contre le chomage! — Zusammen gegen Erwerbslosigkeit handeln" (AC!) in einem Supermarkt der Hafenstadt Marseille kostenlos einkauft. Über den Hintergrund dieser politischen Aktion sprach Gerhard Klas mit Willi Lüpkes, einem langjährigen Mitarbeiter der Arbeitslosenhilfe Oldenburg (ALSO), der daran teilgenommen hatte.


Welchen Sinn und Zweck haben solche Aktionen?

Willi Lüpkes: In einem Flugblatt haben wir darauf hingewiesen, dass die Supermarktkette Carrefour gerade in der Weihnachtszeit äußerst hohe Gewinne einfährt, während andererseits nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa eine wachsende Armut der Bevölkerung zu verzeichnen ist. Viele Menschen können sich nicht einmal die notwendigen Waren für den alltäglichen Lebensunterhalt leisten. Daher haben wir diese Aktion durchgeführt.

In Frankreich haben sich Erwerbslose nicht das erste Mal in Supermärkten bedient. In Deutschland kann ein solches Selbstverständnis nicht vorausgesetzt werden, die Erwerbslosengruppen haben große Hemmungen, Politik im halblegalen Rahmen zu machen. Welche Wirkung hat das kostenlose Einkaufen auf die Teilnehmer aus Deutschland gehabt?

Willi Lüpkes: Einige waren erstaunt, dass die Aktion von AC! so gut vorbereitet war und derart viele mitgemacht haben. Die Kassiererinnen waren zwar etwas nervös, blieben aber verhältnismäßig ruhig. Vor und hinter den Kassen gab es Flugblätter für und Gespräche mit Kunden. Die Resonanz war durchaus positiv, auch als wir die insgesamt acht Einkaufswagen, vollbeladen mit Lebensmitteln, Sanitärbedarf und Hundefutter hinausschoben. Wir hatten auch ein Megaphon dabei und die Pressearbeit der AC!-Leute hatte auch ein Fernsehteam angelockt.

Wie hat sich die Geschäftsleitung des Supermarkts in Marseille verhalten?

Willi Lüpkes: Zuerst hatte sie deutlich gemacht, dass diese Aktion nicht gerade ihren Interessen entspricht, ohne dabei unnötige Aufregung zu zeigen. Es kamen immer höhere Vertreter der Geschäftsleitung. Wir haben ihnen dann deutlich gemacht, dass wir verhandeln wollen. Eine Delegation von uns sprach mit ihnen und einer der Delegierten informierte uns über den Stand der Verhandlungen. Insgesamt dauerte die Aktion knapp zwei Stunden und ich dachte, dass die Polizei bald kommen würde. Das wäre in Deutschland bestimmt so gewesen, aber in Frankreich hat sie sich überhaupt nicht blicken lassen.

Tragen solche Aktionen dazu bei, die subjektiv empfundene Ohnmacht und Hilfslosigkeit von vielen Erwerbslosen aufzuheben?

Willi Lüpkes: Ja, aber nur wenn man diese kostenlosen Einkaufsaktionen in einen politischen Kontext und eine breite Kampagne einbindet, die gut vorbereitet sein muss. Dann können solche Aktionen diese Wirkung haben.

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