Sozialistische Zeitung |
Der neue spanische Staatssekretär für Migration heißt Enrique Fernández-Miranda. Bei dessen
Amtseinführung am 16.Mai erklärte der Innenminister Jaime Mayor Oreja: "Die Einwanderung ist das größte Problem für das
Zusammenleben in Spanien." Vor den Wahlen im März hatte die Regierung der konservativen Volkspartei (PP) anders als jetzt noch keine absolute
Mehrheit.
So trat Anfang 2000 eine vom Parlament gegen die PP-Regierung beschlossene Änderung des
Ausländergesetzes in Kraft: Danach können sich im Zeitraum vom 21.März bis zum 31.Juli diejenigen legalisieren, die einen zweijährigen
Aufenthalt in Spanien mit irgendwelchen Papieren nachweisen können.
Wer nie einen Arbeits- oder Mietvertrag hatte, ist jedoch chancenlos. So reichten nur 140.000
Menschen Anträge auf Papiere ein. Doch selbst diese kleine Verbesserung geht der PP zu weit. Der neue Staatssekretär Fernández-Miranda
erklärte: "Eine Politik der offenen Tür ist unmöglich und unverantwortlich." Bereits im April beklagte das Generalkommissariat der
Nationalpolizei, dass mit dem gelockerten Gesetz die Situation für sie erschwert würde: Die Möglichkeiten zur Abschiebung seien viel zu sehr
beschränkt worden.
Der Sprecher der Migrantorganisation ATIME, Mustafá Merabet, hält Regierung und
Polizei wegen solcher Äußerungen vor, dass sie "die öffentliche Meinung permanent vergiften und die Migranten systematisch
kriminalisieren" würden. Sofía Bernardo, Sprecherin von SOS Racismo, brachte die derzeitige Debatte auf den Punkt: "Die PP sagt, die
Gesetzeserleichterung öffnet die Grenzen für alle Migranten das stimmt nicht. Die Beschränkungen für die Einreise sind die selben
wie vorher. Das Gesetz soll die Rechte der Migranten hier verbessern, und das ist es, was die PP verhindern will."
Die konservative Regierung geht mit ihrer neuen absoluten Mehrheit jetzt daran, das
Einwanderungsgesetz wieder zu verschärfen. Ohne Rücksicht auf Koalitionspartner sollen die gerade geschaffenen gesetzlichen Möglichkeiten
für MigrantInnen wieder zurückgenommen werden.
Am 8.Juli wurden weitere Einzelheiten des geplanten schärferen Ausländergesetzes
bekannt: So will die PP ausdrücklich festschreiben, dass MigrantInnen auch mit Aufenthaltserlaubnis kein Streikrecht, kein Demonstrationsrecht und kein Recht
auf gewerkschaftliche Organisierung haben. Abschiebungen und klandestiner Aufenthalt sollen im Vordergrund stehen: Ausweisungen werden vereinfacht,
Widerspruchsmöglichkeiten beschränkt, eine Begründung für die Ablehnung eines Visaantrags ist nicht mehr nötig.
Die Aufrüstung an der Südgrenze der EU geht unterdessen weiter. Anfang Juni
erklärten 500 Organisationen aus Spanien und Marokko in ihrem "Manifest der zwei Ufer", das sie seit Jahresbeginn bereits 120 Tote gezählt
haben, die beim Versuch der Einreise nach Spanien übers Meer starben. Mit Hilfe von Schnellbooten, Hubschraubern und Infrarotkameras erwischt die Guardia
Civil viele, die von der marokkanischen Küste in kleinen Booten unerlaubt die Überfahrt über die Straße von Gibraltar versuchen. Durch die
schärfere Abschottung der Grenze wird die Überfahrt immer riskanter und teurer.
Einmal in Spanien angekommen, finden die inoffiziell Eingereisten wie in anderen
Ländern der EU auch nur prekäre Arbeitsplätze, etwa in der Landwirtschaft. José del Toro, Sprecher der linken Basisgewerkschaft
SOC, in der in Andalusien viele LandarbeiterInnen organisiert sind, erzählt: "Dieses Jahr haben wir bereits vier Plantagen wegen Ausbeutung angezeigt.
Es gibt dort überhaupt keine Arbeitsverträge für die MigrantInnen."
Einer Studie, die das Institut Provenir für die Internationale Arbeitsorganisation (ILO)
erstellte, kommt zu dem Ergebnis: "Die diskriminierenden Praktiken gegen Migranten sind eine alltägliche Praxis in spanischen Firmen." In
Pamplona etwa durfte ein junger Migrant aus Marokko im Lokal El Negro Zumbón zwar die Klimaanlage einbauen, aber der Zutritt zum Lokal als Gast wurde
ihm später verwehrt.
Kein Einzelfall, wie Javier Indurain von SOS Racismo erklärte: "In den Bars von
Pamplona wird diskriminiert, wer die falsche Hautfarbe hat." Auf dem Bau hat das Kollektiv IOE, einer Initiative von Arbeitsmigranten, in Barcelona und
Madrid eine Umfrage gemacht: Demnach haben 62% der Bauarbeiter aus Marokko und 20% derjenigen aus Polen keinen Arbeitsvertrag.
Für das Jahr 1999 wurde die Zahl tödlicher Arbeitsunfälle mit 1572 angegeben
die meisten davon hätten sich auf dem Bau ereignet. SOS Racismo erklärte: "Wenn jemand keine Papiere hat, wird das verschleiert. Wir
wissen von vielen Arbeitsunfällen, bei denen der Notaufnahme erklärt wurde, die Unfälle seien auf der Straße passiert."
Bei der Debatte über Arbeitsmigration werden oft auch noch Noten nach nationalen Kategorien
verteilt. So erklärte der Bürgermeister von Madrid, José María Álvarez del Manzano (PP): "Die Ethnie der Mahgrebis kommt im
Allgemeinen zum Arbeiten her. Andere Ethnien aber nicht. Die Rumänen kommen nicht zum Arbeiten und wir haben Probleme mit ihnen." Der Konsul
von Rumänien, Alexandru Lincu erwiderte prompt: "Sie müssen zwischen Rumänen und rumänischen Zigeunern unterscheiden.
Erstere wollen in Spanien arbeiten, bei den Zigeunern ist das unterschiedlich." Die gesamte Debatte um Einwanderung ist davon geprägt, was für
die Wirtschaft Spaniens gut ist und was nicht. Von offenen Grenzen und einem Ende der prekären Existenzbedingungen ist kaum die Rede.
Gaston Kirsche
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