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Nach Ansicht von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist die Entschuldungsinitiative für die 37
hochverschuldeten und ärmsten Länder (HIPC) der Welt erfolgreicher als erwartet angelaufen. Bis zum Jahresende 2000 sei statt für
ursprünglich zwanzig Länder sogar für 22 Länder eine Entschuldung von insgesamt 42 Milliarden US-Dollar beschlossen worden,
bilanzierte die Ministerin zum Jahresende in Berlin.
Diese Einschätzung weisen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen zurück. Auch die
bundesdeutsche Erlassjahrkampagne 2000 bewertet die vom Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln ausgegangene Initiative als "bei weitem nicht
ausreichend, da auch unter der neuen Entschuldungsinitiative zum größten Teil nur die Schulden erlassen werden, die ohnehin nicht bedient werden
konnten".
Dadurch müssten die Länder auch nach einem Schuldenerlass noch genau so hohe
Summen für die Tilgungen und Zinsen zahlen wie zuvor, so die Erlassjahrkampagne Ende Dezember.
Positiv bewertet die Kampagne die Verknüpfung von Schuldenerlass und
Armutsbekämfpung, die auf Druck der weltweiten Kampagnen zustande gekommen sei. Die Regierungen der Schuldnerländer sollen als Vorraussetzung
für einen Schuldenerlass ein "Strategiepapier zur Armutsreduzierung" in Kooperation mit der Zivilgesellschaft erarbeiten.
Auch wenn "eine abschließende Bewertung der Initiative" erst möglich sei,
wenn erste Länder den mindestens dreijährigen Prozess durchlaufen haben, bestünden "angesichts der nach wie vor entscheidenden Rolle
des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank schon jetzt Zweifel, ob wirklich Spielraum für eigenständige Modelle der
Wirtschaftspolitik und neue Wege der Armutsbekämpfung entstehen".
Die Vorsitzende der in Bonn ansässigen Entwicklungsorganisation WEED und Mitglied im
Kampagnenrat der Erlassjahrkampagne, Barbara Unmüßig, formuliert die Kritik schärfer und schließt auch die eigene Vorgehensweise mit
ein. "Hier rächt sich, dass die Erlassjahrkampagnen (vor allem im Norden) zwar eine neue Konditionalität Armutsbekämpfung durch
Schuldenerlass gefordert, jedoch zu wenig oder gar nicht die traditionellen makroökonomischen Konditionalitäten von IWF und Weltbank ins
Kreuzfeuer ihrer Kritik einbezogen haben", erklärt Unmüßig.
Basierend auf den Recherchen der britischen Entwicklungsorganisation Oxfam kritisiert WEED die
erweiterte HIPC-Initiative. Lediglich eine kleinere Gruppe von Ländern werde von "größeren Entlastungen im Budget profitieren (z.B.
Bolivien, Kamerun, Mosambik, Uganda und Rwanda)". Trotz größerer Entlastungen werden aber auch Kamerun sowie Honduras, Malawi,
Mauretanien und Guinea nach wie vor zwischen 15 und 35% der Haushaltseinnahmen für den Schuldendienst ausgeben müssen.
Für Zambia, Tanzania und Senegal ist das Ergebnis sogar negativ: Nach der Entschuldung
unter den erweiterten HIPC-Bedingungen werden diese drei Länder sogar mit einem Anstieg ihres Schuldendienstes rechnen müssen.
Nach Angaben der Erlassjahrkampagne wird Zambia nach seiner Entschuldung jährlich 85
Millionen US-Dollar mehr zu zahlen haben als vorher. 1995 hatte der IWF dem Land umfangreiche Kredite zur Verfügung gestellt, die den Schuldendienst auf
Altschulden aus den 80er Jahren sicherstellen sollten.
Die neuen Schulden muss Zambia ab diesem Jahr zurückzahlen. Da diese
Rückzahlungen durch die geplanten Entlastungen kaum reduziert werden, wird der Schuldendienst in diesem Jahr 235 Millionen US-Dollar betragen
fast doppelt so viel, wie die Regierung Zambias, wo 13% aller Kinder inzwischen AIDS-Waisen sind, für das öffentliche Gesundheitswesen ausgibt.
Doch auch die "größeren Entlastungen" einiger Länder durch die
Entschuldungsinitiative könnten bald wieder aufgefressen sein. Sinkende Rohstoffpreise, steigende Ölrechnungen und die Folgewirkungen der Asienkrise,
so WEED, könnten neben "rückläufigen nördlichen Entwicklungshilfeleistungen" diesen Prozess beschleunigen. "Die
Prager IWF-Weltbank-Jahrestagung hat erneut bestätigt, dass der politische Wille fehlt, die Länder aus der Schuldenfalle zu holen", betont Barbara
Unmüßig. Denn nicht nur die Neuberechnung der sogenannten Tragfähigkeitsgrenzen der Auslandsschulden, auch der Vorschlag des Kanadischen
Premierministers nach einem sofortigen Schuldenmoratorium ist abgelehnt worden.
Bei aller Konzentration auf die HIPC-Länder wird vergessen, dass arme und hochverschuldete
Länder wie Ecuador und Peru überhaupt keine Schuldenerleichterungen bekommen. Ganz zu schweigen von hochverschuldeten Ländern mittleren
Einkommens wie Indonesien, Brasilien und Argentinien.
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