Sozialistische Zeitung

Zur SoZ-Homepage SoZ - Sozialistische Zeitung Nr.02 vom 17.01.2001, Seite 11

Schuldeninitiative

Entwicklungsministerin mit rosa Brille

Nach Ansicht von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist die Entschuldungsinitiative für die 37 hochverschuldeten und ärmsten Länder (HIPC) der Welt erfolgreicher als erwartet angelaufen. Bis zum Jahresende 2000 sei statt für ursprünglich zwanzig Länder sogar für 22 Länder eine Entschuldung von insgesamt 42 Milliarden US-Dollar beschlossen worden, bilanzierte die Ministerin zum Jahresende in Berlin.
Diese Einschätzung weisen zahlreiche Nichtregierungsorganisationen zurück. Auch die bundesdeutsche Erlassjahrkampagne 2000 bewertet die vom Weltwirtschaftsgipfel 1999 in Köln ausgegangene Initiative als "bei weitem nicht ausreichend, da auch unter der neuen Entschuldungsinitiative zum größten Teil nur die Schulden erlassen werden, die ohnehin nicht bedient werden konnten".
Dadurch müssten die Länder auch nach einem Schuldenerlass noch genau so hohe Summen für die Tilgungen und Zinsen zahlen wie zuvor, so die Erlassjahrkampagne Ende Dezember.
Positiv bewertet die Kampagne die Verknüpfung von Schuldenerlass und Armutsbekämfpung, die auf Druck der weltweiten Kampagnen zustande gekommen sei. Die Regierungen der Schuldnerländer sollen als Vorraussetzung für einen Schuldenerlass ein "Strategiepapier zur Armutsreduzierung" in Kooperation mit der Zivilgesellschaft erarbeiten.
Auch wenn "eine abschließende Bewertung der Initiative" erst möglich sei, wenn erste Länder den mindestens dreijährigen Prozess durchlaufen haben, bestünden "angesichts der nach wie vor entscheidenden Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank schon jetzt Zweifel, ob wirklich Spielraum für eigenständige Modelle der Wirtschaftspolitik und neue Wege der Armutsbekämpfung entstehen".
Die Vorsitzende der in Bonn ansässigen Entwicklungsorganisation WEED und Mitglied im Kampagnenrat der Erlassjahrkampagne, Barbara Unmüßig, formuliert die Kritik schärfer und schließt auch die eigene Vorgehensweise mit ein. "Hier rächt sich, dass die Erlassjahrkampagnen (vor allem im Norden) zwar eine neue Konditionalität — Armutsbekämpfung durch Schuldenerlass — gefordert, jedoch zu wenig oder gar nicht die traditionellen makroökonomischen Konditionalitäten von IWF und Weltbank ins Kreuzfeuer ihrer Kritik einbezogen haben", erklärt Unmüßig.
Basierend auf den Recherchen der britischen Entwicklungsorganisation Oxfam kritisiert WEED die erweiterte HIPC-Initiative. Lediglich eine kleinere Gruppe von Ländern werde von "größeren Entlastungen im Budget profitieren (z.B. Bolivien, Kamerun, Mosambik, Uganda und Rwanda)". Trotz größerer Entlastungen werden aber auch Kamerun sowie Honduras, Malawi, Mauretanien und Guinea nach wie vor zwischen 15 und 35% der Haushaltseinnahmen für den Schuldendienst ausgeben müssen.
Für Zambia, Tanzania und Senegal ist das Ergebnis sogar negativ: Nach der Entschuldung unter den erweiterten HIPC-Bedingungen werden diese drei Länder sogar mit einem Anstieg ihres Schuldendienstes rechnen müssen.
Nach Angaben der Erlassjahrkampagne wird Zambia nach seiner Entschuldung jährlich 85 Millionen US-Dollar mehr zu zahlen haben als vorher. 1995 hatte der IWF dem Land umfangreiche Kredite zur Verfügung gestellt, die den Schuldendienst auf Altschulden aus den 80er Jahren sicherstellen sollten.
Die neuen Schulden muss Zambia ab diesem Jahr zurückzahlen. Da diese Rückzahlungen durch die geplanten Entlastungen kaum reduziert werden, wird der Schuldendienst in diesem Jahr 235 Millionen US-Dollar betragen — fast doppelt so viel, wie die Regierung Zambias, wo 13% aller Kinder inzwischen AIDS-Waisen sind, für das öffentliche Gesundheitswesen ausgibt.
Doch auch die "größeren Entlastungen" einiger Länder durch die Entschuldungsinitiative könnten bald wieder aufgefressen sein. Sinkende Rohstoffpreise, steigende Ölrechnungen und die Folgewirkungen der Asienkrise, so WEED, könnten neben "rückläufigen nördlichen Entwicklungshilfeleistungen" diesen Prozess beschleunigen. "Die Prager IWF-Weltbank-Jahrestagung hat erneut bestätigt, dass der politische Wille fehlt, die Länder aus der Schuldenfalle zu holen", betont Barbara Unmüßig. Denn nicht nur die Neuberechnung der sogenannten Tragfähigkeitsgrenzen der Auslandsschulden, auch der Vorschlag des Kanadischen Premierministers nach einem sofortigen Schuldenmoratorium ist abgelehnt worden.
Bei aller Konzentration auf die HIPC-Länder wird vergessen, dass arme und hochverschuldete Länder wie Ecuador und Peru überhaupt keine Schuldenerleichterungen bekommen. Ganz zu schweigen von hochverschuldeten Ländern mittleren Einkommens wie Indonesien, Brasilien und Argentinien.

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